Was die Neurowissenschaft über Prokrastination verrät

Prokrastination ist ein Verhalten, das fast jeder irgendwann einmal an den Tag legt, doch für manche wird es zu einem ernsten Problem. Was sagt die Neurowissenschaft dazu?
Was die Neurowissenschaft über Prokrastination verrät
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 09. Mai 2023

In den letzten 10 Jahren gab es bemerkenswerte Fortschritte in der Erforschung des Gehirns. Der jetzige Zeitpunkt ist einer der aufregendsten in der Geschichte der Neurowissenschaft, die uns über faszinierende Prozesse in unserem Gehirn informiert. Heute befassen wir uns damit, was die Neurowissenschaft über Prokrastination herausgefunden hat. 

Es gibt eine Fülle von Daten, die erklären, welche Prozesse im Gehirn Verhaltensweisen wie die Prokrastination bestimmen. Dabei müssen wir jedoch berücksichtigen, dass nicht nur physiologische, sondern auch andere Prozesse eine Rolle spielen.

Auch wenn wir alle manchmal Dinge aufschieben, ist dieses Verhalten bei manchen Menschen besonders ausgeprägt. Sie leiden an chronischer Prokrastination und haben deshalb enorme Schwierigkeiten, Aufgaben zu Ende zu führen. Die Forschung konzentriert sich vorwiegend auf diese Menschen.

“Die Neurowissenschaft gibt uns die Erlaubnis, uns eine Pause zu gönnen, wenn wir wirklich feststecken, und es ist die Pause, die uns hilft, die Lösungzu finden.”

Barbara Oakley

Was ist Prokrastination?

Prokrastination ist die Bezeichnung für Situationen, in denen eine zu erledigende Tätigkeit aufgeschoben wird. Viele suchen sich eine angenehmere, meist irrelevantere Beschäftigung und verschieben die Aufgabe, die sie eigentlich ausführen sollten, auf einen anderen Zeitpunkt. In der Folge beginnen Prokrastinierer viele Dinge, führen jedoch nur wenige zu Ende. Sie suchen ständig Möglichkeiten, um “Zeit zu gewinnen“, das heißt, um die Aufgaben noch länger aufzuschieben.

Ein typisches Beispiel für Prokrastination: Eine Person muss eine Akte organisieren, die sie für ihre Arbeit braucht. Doch sie hat keine Lust, diese Aufgabe zu erledigen, außerdem scheint sie nicht so wichtig zu sein. Allerdings weiß die Person, dass sie sich langfristig damit Zeit sparen kann… Sie verschiebt diese Tätigkeit auf einen anderen Zeitpunkt und das immer wieder. Die Realität ist, dass sie die Akte nie ordnen wird.

Was die Neurowissenschaft über Prokrastination herausgefunden hat

Was verrät die Neurowissenschaft über Prokrastination?

Dr. Barbara Oakley, Professorin an der Universität Oakland, hat sich auf die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse über Prokrastination spezialisiert. Zunächst einmal weist sie darauf hin, dass die Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass chronische Prokrastinierer Schwierigkeiten in den neuronalen Regionen haben, die mit der Selbstkontrolle und der Emotionsregulierung in Verbindung stehen.

Es ist möglich, die Funktionsweise dieser Bereiche zu verändern. Das Problem ist, dass dies das Training der  Selbstbeherrschung erfordert. Das ist jedoch nicht alles, was die Neurowissenschaft zu diesem Thema zu sagen hat.

Andere Untersuchungen zeigen, dass Prokrastinierer Schwierigkeiten haben, ihre Stimmung kurzfristig zu verbessern. Sie empfinden Unbehagen und gehen nicht sofort darauf ein. Es gibt auch eine Art Trennung zwischen der Wahrnehmung des gegenwärtigen Selbst und des zukünftigen Selbst.

Einfacher ausgedrückt: Prokrastination ist eine Methode, die sich auf unmittelbare Gewinne verlässt.

Neurowissenschaft über Prokrastination

Schmerz und “Aufschieberitis”

Eine interessantere Hypothese ist, dass manche Menschen “Schmerzen” im Gehirn empfinden, wenn sie eine Tätigkeit ausüben, die sie als unangenehm empfinden. In solchen Fällen aktiviert unser Denkorgan einen Mechanismus, der als “Default Mode Network” bezeichnet wird, um dieses Gefühl zu lindern. Dies ist unter anderem der Fall, wenn eine Person vor einem Problem steht, für das sie keine Lösung sieht.

Diese These erklärt, dass Menschen Probleme lösen, indem sie zuvor markierte neuronale Bahnen nutzen. Wir verwenden also Erfahrungen und vorangehende Lernprozesse, um Schwierigkeiten zu lösen. Wenn ein Mensch nicht weiterkommt, liegt das daran, dass keine Anhaltspunkte vorhanden sind. Dann wird das “Default Mode Network” aktiviert und die Gedanken schweifen ab.

Es gilt also, diesen Mechanismus zu überwinden, was allerdings nicht einfach ist. Es empfiehlt sich in diesem Fall, sich nicht auf die Schwierigkeit des Problems zu konzentrieren, sondern dem Gehirn eine Ruhepause zu gönnen. So kann es den diffusen Fokus aktivieren und neue Lösungsansätze finden.

Mit dieser Technik kannst du Prokrastination vermeiden. Wenn also eine unangenehme Tätigkeit auf dich wartet, kann eine kurze Pause helfen. Du wirst danach eher in der Lage sein, die Aufgabe durchzuführen.


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  • Becerra, L. D. A. (2012). Aproximación a un concepto actualizado de la procrastinación. Revista Iberoamericana de psicología, 5(2), 85-94.


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