Warum Trauer so hartnäckig ist

Es gibt Zeiten im Leben, in denen Trauer alles zu durchdringen scheint. Manchmal halten die Gefühle Wochen oder sogar Monate an. Warum ist Trauer so hartnäckig?
Warum Trauer so hartnäckig ist
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 09. Februar 2023

Warum ist Trauer so hartnäckig? Wahrscheinlich hast du Trauer bereits selbst in verschiedenen Lebensmomenten gefühlt. Hielt dein Schmerz so lange an, dass du dich gar nicht mehr an den Grund erinnern konntest? Manchmal festigt sich Trauer so fest in dir, dass sie zu einem schlimmen Begleiter wird. Sie wirft Wochen oder Monate lang einen Schatten auf dein Leben.

Antoine de Saint-Exupéry sagte: “Leid ist eine der Schwingungen, die das Leben beweisen”. Vielleicht hatte er recht. Es könnte sein, dass wenige andere Emotionen ein so offensichtliches Beispiel dafür sind, was die menschliche Existenz ausmacht. Nämlich die Tatsache, dass man mit Enttäuschungen, Verlust, Trauer und dem Nachhall von Dingen, die man nie wieder sehen wird, umgehen muss.

Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass man vor der Trauer nicht davonlaufen kann. Man kann sie auch nicht wie ein unerwünschtes Spielzeug verstecken. Trauer hält länger an als Gefühle wie Überraschung, Glück, Langeweile, Ekel oder sogar Wut. Dafür gibt es einen Grund und wir werden in unserem heutigen Artikel darüber sprechen.

hartnäckige Trauer - trauriger Mann

Warum ist Trauer so hartnäckig im Vergleich zu anderen Emotionen?

Keiner mag Trauer. Wir wissen nicht, was wir mit ihr anfangen sollen. Dementsprechend wollen wir sie schnell wieder loswerden, wenn wir sie erleben. Nicht nur das! Wir versuchen Trauernde mit Sprüchen wie “Kopf hoch! Sei nicht traurig. Das Leben ist zu kurz!” aufzuheitern.

Im Allgemeinen verbinden wir Trauer mit Schwäche. Vielleicht sind wir deshalb nicht gut darin, mit ihr umzugehen. Paul Ekman ist ein Pionier der Psychologie. Der Spezialist auf dem Gebiet der Emotionen sagt, dass wir uns einer besseren psychischen Gesundheit erfreuen würden, wenn wir unsere psychophysiologischen Zustände besser verstehen würden.

Zunächst einmal erklärt Ekman in Büchern wie Knowing Our Emotions (gemeinsam mit Daniel Goleman verfasst), dass Trauer aus einem ganz konkreten Grund länger anhält als andere Emotionen. Trauer setzt sich nämlich aus vielen anderen Emotionen zusammen. Mit anderen Worten: Trauer kommt nie allein. Sie ist wie der Korken auf einer Flasche. Wenn man ihn herauszieht, entdeckt man Wut, Verärgerung und auch Angst.

Die Trauer zu analysieren, kann dir helfen, sie zu verstehen und mit ihr umzugehen. Es gibt aber noch weitere Faktoren, die erklären, warum diese Emotion so hartnäckig ist.

Trauer steht im Verhältnis zum auslösenden Ergebnis

Stell dir Folgendes vor. Du bist seit fünf Jahren in einer Beziehung. Du hast alles für deine Partnerschaft, deinen Partner gegeben. In anderen Worten, du hast wirklich dein Bestes gegeben, damit die Dinge funktionieren. Am Ende jedoch erkennst du, dass es das Gesündeste ist, die Beziehung zu beenden. Nach der Trennung und genauso lange, wie du versucht hast, um diese Beziehung zu kämpfen, fühlst du dich unendlich traurig.

Diese Trauer hält manchmal für Monate oder sogar Jahre an. Eine andere Person in derselben Lage könnte möglicherweise aber gerade diese Trennung als eine Erleichterung wahrnehmen!

Das zeigt uns etwas sehr Einfaches. Trauer hält zwar länger an als andere Emotionen, da die Auslöser tiefgreifender sind. Sie hängen oft mit Ereignissen zusammen, die traumatisch sein können. Trotzdem aber hängt alles davon ab, wie du diese Erlebnisse bewertest.

Neben der Art und Weise, wie du das Ereignis verarbeitest, spielt auch deine Anpassungsfähigkeit eine Rolle. Manche Menschen sind widerstandsfähiger, wenn es darum geht mit Widrigkeiten umzugehen. Andere ziehen sich in einen Zustand der Hilflosigkeit zurück, der ihre Trauer länger andauern lässt.

Die Gefahr des Grübelns: Wenn Gedanken deine Trauer nähren

Die Katholische Universität Löwen führte eine Studie durch, durch die sie ein tieferes Verständnis der menschlichen Emotionen gewinnen wollte. Die Forscher wollten wissen, wie lange psychophysiologische Empfindungen wie Glück, Angst und Scham anhalten. Eine Erkenntnis, die sie entdeckten, ist, dass Glück nicht zu den langanhaltenden Emotionen gehört.

  • Emotionen wie Angst, Überraschung, Langeweile und Ekel waren meist kurz. Von allen untersuchten Emotionen schien jedoch Trauer besonders hartnäckig zu sein.
  • Die Forscher wollten verstehen, warum das der Fall ist. Warum ist Trauer so hartnäckig, oft über Wochen oder Monate? Die Antwort liegt in deinen Gedankenmustern.
  • Grübeln und das ständige Wiederholen eines auslösenden Gedankens machen es schwer, die Trauer loszulassen.

Trauer kann außerdem manchmal auch ohne ein eindeutiges Motiv auftauchen. In diesem Fall vertiefen deine Gedanken diesen Zustand und verstärken das Leiden und die Negativität.

Trauer hält langfristig

Warum ist Trauer so hartnäckig? Aufgrund unseres Widerstands gegen sie!

Einer der Gründe dafür, warum Trauer so hartnäckig ist, ist unser Widerstand gegen sie. Sich zu weigern, diese Emotion zu akzeptieren, macht den Umgang mit ihr sehr schwierig.

Ein emotional gesunder Ansatz besteht darin, Gefühle anzunehmen und zu verstehen, dass manche Gefühle in ungewöhnlichen Situationen normal sind. Sie zu akzeptieren und zu wissen, wie man mit ihnen umgeht, sorgt für ein Gleichgewicht in deinem Leben. In diesem Wissen kannst du dann Widrigkeiten mit Stärke und Widerstandsfähigkeit begegnen.

Deshalb ist es vielleicht an der Zeit deinen Umgang mit der Trauer zu überdenken. Stärke bedeutet nicht, alles hinzunehmen und so zu tun, als ginge es einem gut. Mutig zu sein bedeutet hinzufallen und wieder aufzustehen. Ebenso bedeutet es zu weinen, um sich besser zu fühlen. Du kannst Zuflucht und Weisheit in der Selbstreflexion finden.

Gefühle zu verleugnen, Stärke vorzutäuschen und so zu tun, als ob nichts weh tut, vertieft nur die Wunden und lässt den Kummer länger andauern. Wie Antonio Damasio betonte, sind wir Menschen keine rationalen Wesen, die emotional werden, sondern emotionale Wesen, die wissen, wie man rational ist. Ein gutes Verständnis der eigenen Emotionen zu haben, wird dir dabei helfen, ein zufriedeneres und gesünderes Leben zu führen.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Philippe Verduyn, Saskia Lavrijsen. Which emotions last longest and why: The role of event importance and rumination. Motivation and Emotion, 2014; DOI: 10.1007/s11031-014-9445-y

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.