Vom Mut, die Zukunft zu erschaffen, anstatt sie vorherzusagen

Wenn wir Dinge vorwegnehmen, die noch gar nicht geschehen sind, geht es uns häufig nicht gut damit. Anstatt sich das Schlechte vorzustellen, das morgen passieren könnte, konzentrieren wir uns lieber darauf, die Gegenwart anders zu gestalten. Denn echte Chancen ergeben sich schlussendlich im Hier und Jetzt.
Vom Mut, die Zukunft zu erschaffen, anstatt sie vorherzusagen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 17. Februar 2023

Halten wir uns lieber damit zurück, die Zukunft vorherzusagen. Ja, wir können über sie nachdenken. Allerdings haben wir weder eine Kristallkugel, noch gibt es in unserer Nähe eine Gottheit, die in einem Tempel sitzt und uns sagen könnte, was morgen oder übermorgen wohl passieren wird. Also hören wir einfach damit auf. Wir werden nicht länger Dinge vorwegnehmen, die noch gar nicht passiert sind. Denn es gibt keine bessere Art, sich selbst zu quälen, als eine Zukunft zu erfinden, die es nur in unserem Kopf gibt und bei der die Angst der treibende Motor ist.

Wir wissen, es ist leicht daher gesagt, aber fast unmöglich zu erreichen – die Kontrolle über den automatischen Fluss unserer Gedanken zu erlangen. Wenn es nach unserem mentalen Wohlbefinden gehen würde, sähe der ganze Vorgang idealerweise so aus: Wir schnippen mit dem Finger und alles, was uns quält, ist einfach weg.

Leider funktioniert es aber nicht so. Stattdessen machen wir häufig Phasen durch, in denen wir das Gefühl haben, dass wir den Ausgang aus einem Labyrinth nicht mehr finden, welches aus Sorgen und heftigen Grübel-Anfällen besteht.

Der Psychotherapeut Albert Ellis sagt in seinem Buch mit dem deutschen Titel “Training der Gefühle: Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein”, dass Menschen dazu neigen, selbstzerstörerische Gewohnheiten in ihrem Leben zu etablieren, ohne dass sie es bemerken.

Eine häufig anzutreffende Gewohnheit besteht darin, dass wir vorwegnehmen, was passieren wird. Dabei stellen wir uns die schlimmsten Möglichkeiten vor. Es ist gar nicht so leicht, diese Gewohnheit aus unserer Gedankenwelt zu tilgen, denn gefühlt begleitet sie uns schon seit ewigen Zeiten.

Wir können allerdings lernen, das Entwerfen von Zukunftsprognosen an den Nagel zu hängen. Gehen wir im Folgenden näher darauf ein.

Mädchen aus Stein sieht einen Schmetterling.

Wir gestalten die Gegenwart um, anstatt die Zukunft vorauszusagen

Wenn wir merken, dass wir in eine Gedankenschleife geraten sind und sich bei uns alles nur noch darum dreht, was wohl passieren oder nicht passieren wird, können wir ganz einfach Abhilfe schaffen. Wir atmen erst einmal tief ein und dann wieder aus. Es gibt keinen besseren Weg, in den gegenwärtigen Moment zu kommen, als sich der eigenen Atmung bewusst zu werden.

Wir bestehen aus Fleisch, Knochen und einem Gehirn, dass oft schneller arbeitet, als uns lieb ist. Doch unseren Körper und unseren Geist brauchen wir im Hier und Jetzt. Es wäre gut, tief zu atmen und für Ruhe im Bauchraum zu sorgen, wo die Nervenzellen gerade in Aufruhr sind. Es ist wichtig, in die Balance zu kommen, damit sich die Muskeln entspannen und der Geist ruhig wird, damit wir keine Kopfschmerzen bekommen.

Ein ängstlicher Geist ist hyperaktiv und kann Stress verursachen. Dann sieht man die Dinge anders, als sie wirklich sind. Wir sehen möglicherweise alle zukünftigen Ereignisse in einem negativen Licht, was dazu führen kann, dass unser Körper in einen Alarmzustand gerät. Das gleicht dem Warten auf eine Bedrohung: Unsere Sinne sind geschärft und der Körper bereitet sich auf das vor, was real oder imaginär passieren wird. Das Resultat können Muskelschmerzen, Unbehagen und Dauermüdigkeit sein.

Die Zukunft vorauszusagen, kann uns in verheerende Abgründe stürzen. Aber warum tun wir das überhaupt? Bringt es etwas, auf diese Weise zu denken? Ganz offensichtlich nicht – dann konzentrieren wir uns lieber auf die Gegenwart und geben uns selbst, was wir brauchen.

Eine Frau mit Regenschirm geht über den Ozean.

Konzentrieren wir uns auf die Gegenwart und geben wir uns das, was wir brauchen

Das wahre Leben spielt sich im Hier und Jetzt ab. Jedoch verweilen wir selten in der Gegenwart. Der menschliche Geist turnt unermüdlich herum: Er hüpft von hier nach dort und von der Vergangenheit in die Zukunft.

Häufig erinnern sich Menschen an die Vergangenheit und konzentrieren sich dabei auf Fehler, verpasste Chancen oder unerfüllte Träume. Schon Sekunden später dreht sich unser Geist mit einer schnellen Pirouette in die Zukunft und tanzt durch alle möglichen Szenarien, um sich zu fragen, was dort passieren könnte oder auch nicht.

Wir müssen unseren geistigen Fokus dahingehend trainieren, dass wir in der Gegenwart bleiben, im Hier und Jetzt. Manchmal kann die Wirklichkeit um uns herum jedoch komplex, heikel und von ständiger Ungewissheit geprägt sind.

Was können wir tun, wenn das, was geschieht, uns Steine in den Weg legt? Die Antwort ist einfach: Wir müssen uns selbst geben, was wir brauchen. Dazu gibt es ein paar Strategien:

  • Nehmen wir nichts vorweg. Konzentrieren wir uns stattdessen nur darauf, objektiv zu analysieren, was gerade geschieht und was wir im Hier und Jetzt tun müssen, um uns gut zu fühlen.
  • Manchmal hängt die unmittelbare Realität davon ab, ob wir ins Handeln kommen. Wenn dem so ist, schieben wir es besser nicht auf. Wir reagieren, wir mobilisieren, wir gestalten um und sind proaktiv.
  • Gelegentlich ist es aber auch ratsam, nichts zu tun. Wir akzeptieren einfach, was geschieht, nehmen die neue Wirklichkeit an und kümmern uns um uns selbst. Wie wir das hinkriegen? Indem wir ausruhen, unsere Gefühle akzeptieren und ruhig bleiben.
Ein Mann denkt sorgenvoll über seine Zukunft nach.

Hören wir auf, die Zukunft vorauszusagen und bringen wir den Mut auf, sie zu erschaffen

Manche Leute sagen, dass wir in einer Ära der Ablenkung leben. Andere glauben, dass unsere Zeit dadurch gekennzeichnet ist, sich andauernd Sorgen zu machen. Wie dem auch sei, eines lässt sich nicht abstreiten: Wir sorgen uns um das Morgen.

Unsere Besessenheit, die Zukunft vorauszusagen, ist ein verzweifelter Versuch des Verstandes, die Dinge unter Kontrolle zu bringen. Wir glauben vielleicht, dass wir uns vorbereiten könnten, wenn wir voraussehen würden, was in ein paar Tagen oder Monaten geschieht.

Das Problem dabei ist, dass man sich leider immer auf das Schlimmste vorbereitet. Dieses Angstniveau führt zu Problemen und ist keine gute Strategie.

Für unsere psychische Gesundheit sollte unser Mantra also lauten, dass wir die Zukunft nicht voraussagen. Wir empfehlen stattdessen einen anderen Ansatz: Die Gegenwart anders zu gestalten, damit die Zukunft besser wird.

Konzentrieren wir uns weniger auf die Filme, die in unserem Kopf-Kino ablaufen und mehr auf das, was um uns herum gerade passiert, im Hier und Jetzt. Im Augenblick ergeben sich nämlich die Möglichkeiten und da brauchen wir uns selbst am meisten. Wie Mark Twain einmal sagte: “Ich bin ein alter Mann und habe viel Schreckliches erlebt, aber zum Glück ist das meiste davon nie eingetroffen.”

Wenn wir zunehmend verstehen, dass uns unsere Gedanken trügen, können wir unsere Aufmerksamkeit auf das lenken, was sich vor unseren Augen abspielt. Genau in diesem Moment brauchen wir einander. Wir müssen uns Folgendes angedeihen lassen: Wir sorgen für uns, wir verschaffen uns Inseln der Ruhe, wir sind verbunden und kreativ.

Es erfordert Zeit und Mühe, die Kunst der Gedankenkontrolle zu erlernen. Genauso wichtig ist es zu lernen, unsere Aufmerksamkeit zu lenken. Wenn uns allerdings beides gelingt, wird es sich für uns so anfühlen, als hätten wir eine Therapie gemacht. Fangen wir also noch heute mit dieser wichtigen Aufgabe an!


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.