Proaktiv oder reaktiv? Die Antwort könnte der Schlüssel zu deinen Problemen sein
Die Begriffe proaktiv und reaktiv wurden im Kontext der Arbeitspsychologie entwickelt, wurden jedoch ursprünglich von dem österreichischen Neurologen und Psychiater Viktor Frankl geprägt. Im Laufe der Zeit übernahm die Arbeitswelt diese Prinzipien, die auch heute noch von Bedeutung sind.
Proaktiv ist eine Person, die in der Lage ist, bei Schwierigkeiten die Initiative zu ergreifen. Das bedeutet, dass ihre Grundeinstellung darin besteht, Lösungen vorzuschlagen und die Verantwortung für Situationen zu übernehmen, ohne dass sie dazu aufgefordert oder unter Druck gesetzt werden muss. Sie konzentriert sich auf das Handeln, um Probleme zu überwinden, die sie eigentlich als Herausforderungen betrachtet.
“Jede vermiedene Schwierigkeit wird später zu einem Geist, der unsere Ruhe stört.”
Frédéric Chopin
Die reaktive Person hingegen reagiert oder antwortet nur dann, wenn sie dazu aufgefordert oder gedrängt wird. Ihre Art der Reaktion ist passiv. Sie handelt nicht, wenn es keinen Grund zum Handeln gibt oder sie nicht gezwungen wird. Außerdem geht diese Person nicht weiter, sie reagiert nur auf einen spezifischen Reiz, nicht mehr.
Reaktiv vs. proaktiv
Um diese Konzepte zu verankern, schauen wir uns an, wie sie in der alltäglichen Realität zum Ausdruck kommen. Wir zeigen dir jetzt die wichtigsten Merkmale des Profils einer reaktiven und einer proaktiven Person.
Wie sich eine reaktive Person verhält
Reaktive Menschen sind in der Regel an folgenden Verhaltensmustern zu erkennen:
- Sie sehen die Folgen ihrer Handlungen nicht voraus.
- Außerdem reagieren sie meist impulsiv auf Probleme, zum Teil auch aggressiv oder eingeschüchtert.
- Sie weigern sich, ihre Handlungen zu analysieren, da sie denken, dass es sich nicht lohnt.
- Reaktive Menschen konzentrieren sich auf externe Faktoren, um die Ursachen für ihre Probleme zu entdecken. Sie neigen dazu, diese Faktoren für ihr Unbehagen verantwortlich zu machen.
- Zudem denken sie viel darüber nach, wie sie ihre Umgebung verändern können, um ihre Schwierigkeiten zu lösen.
Wie sich eine proaktive Person verhält
Personen mit einem proaktiven Persönlichkeitsprofil sind an folgenden Verhaltensmustern zu erkennen:
- Sie neigen zu Vorsicht. Proaktive Menschen antizipieren Ereignisse und handeln, um nicht unvorbereitet auf Schwierigkeiten zu stoßen.
- Sie denken nach, bevor sie handeln.
- Proaktive Personen setzen sich Ziele und sind ausdauernd, um diese auch zu erreichen.
- Sie schätzen die Selbstkenntnis und haben keine Angst, Fehler zuzugeben. Proaktive Menschen versuchen nicht ständig, sich zu rechtfertigen.
- Wenn sie mit einem Problem konfrontiert werden, reagieren sie nachdenklich. Sie ergreifen die Initiative, um ein Problem zu lösen und verwandeln es oft in eine Chance.
Glaubenssätze, die dich daran hindern, proaktiv zu sein
Es gibt eine ganze Reihe von Glaubenssätzen, die wir täglich wiederholen und die unsere Möglichkeiten untergraben, eine proaktive Haltung zu entwickeln. Ängste und Unsicherheiten, die uns zurückhalten und vor allem lähmen.
So spart der reaktive Mensch seine Energie, weil er befürchtet, dass er jeden Moment angegriffen werden könnte; im Gegensatz zum proaktiven Menschen, der versteht, dass die beste Art zu leben darin besteht, immer in Bewegung zu sein.
Was sind diese unbegründeten Überzeugungen, die uns reaktiv machen?
Es mag viele geben, aber zu den häufigsten Überzeugungen gehören folgende:
- Ich habe nicht genug Zeit. Das ist eine Rechtfertigung, die Zeit kann immer so geplant werden, dass interessante Aktivitäten möglich sind. Du musst dich entscheiden, wofür du deine Zeit verwendest.
- Niemand schätzt, was ich tue. Das ist auch eine Ausrede, meist dafür, dass wir uns nicht mehr Mühe geben. Wir legen mehr Wert auf die Reaktion anderer als auf unser Selbstwertgefühl.
- Ich behalte meine Gedanken lieber für mich. Hinter dieser vermeintlichen Vorliebe verbirgt sich ein Mangel an Engagement für die eigenen Ideen und Gefühle. Dahinter steckt die Angst, anderen zu missfallen, abgelehnt zu werden oder die eigenen Überzeugungen zu testen.
- Ich habe nicht genug Geld. Viele Menschen binden ihre Träume an den wirtschaftlichen Faktor. Vielleicht gestalten sie ihre Träume so, dass sie unmöglich werden. Sie bleiben in ihrer Komfortzone und finden deshalb auch keine Möglichkeit, sich diesen Träumen zu nähern.
- Ich erledige immer alles in letzter Sekunde. Die Gewohnheit, Verpflichtungen aufzuschieben und zu prokrastinieren, verbirgt Apathie oder Desinteresse. Aber dieser Mangel an Motivation wird nicht angesprochen, sondern damit gerechtfertigt, dass es am Ende ja doch klappt.
- Ich ziehe es vor, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Eine gewisse Introvertiertheit oder Bescheidenheit sollte nicht mit einer oberflächlichen Haltung verwechselt werden, die bezweckt, keine Verantwortung zu übernehmen und einfach nur mit dem Strom zu schwimmen.
Arbeite daran, proaktiv zu sein: 7 Tipps
Fairerweise muss man sagen, dass reaktive Menschen einen Vorteil haben: Da sie in stressigen Situationen intensiv reagieren, sind sie in der Regel effektiver, wenn Unerwartetes eintritt.
In diesem Fall ist ihr Angstniveau in der Regel niedriger, weil sie wissen, dass sie im “Auge des Hurrikans” geschickt sind, das heißt, wenn alles chaotisch scheint. Das macht sie attraktiver für bestimmte Positionen, die diese Art von Handeln erfordern.
Es ist jedoch klar, dass das proaktive Profil noch viele weitere Vorteile hat, die nicht nur auf den Arbeitsplatz beschränkt sind. Wenn du also eine reaktive Persönlichkeit bist, findest du hier einige Strategien, um deine Produktivität zu steigern.
1. Mögliche Folgen voraussehen
Analysiere deine Handlungen und die deiner Kolleginnen und Kollegen und versuche dir vorzustellen, welche Folgen jeder einzelne Schritt haben könnte. Das wird dir helfen, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und ihnen mit einer besseren Einstellung zu begegnen.
Das mag zunächst kompliziert erscheinen, aber mit Zeit und Übung wirst du deine intuitive Fähigkeit entwickeln und so zukünftige Ereignisse vorhersehen.
2. Mögliche Lösungen und neue Herausforderungen identifizieren
Ebenso ist es wichtig, angesichts jeder Eventualität oder jedes Problems die Lösungen zu analysieren, die die aktuelle Situation verbessern oder optimieren können. Dazu ist es wichtig, deinen Pessimismus beiseitezulassen und darauf zu vertrauen, dass du jedes unvorhergesehene Ereignis lösen kannst.
Wir laden dich ein, dich selbst neuen Herausforderungen zu stellen, die es dir ermöglichen, dich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Wenn es zum Beispiel an deinem Arbeitsplatz Kunden gibt, die lieber Englisch sprechen und du diese Sprache noch nicht beherrschst, solltest du vorschlagen, sie zu lernen. Auf diese Weise hast du eine größere Reichweite und bessere Möglichkeiten, dich beruflich weiterzuentwickeln.
3. Planen, um proaktiv zu sein
Wichtige Projekte erfordern Planung, denn so können wir uns besser vorstellen, was wir erreichen und wohin wir gehen wollen. Außerdem ist dies eine hervorragende Möglichkeit, Ereignisse vorauszusehen und sich auf jedes Szenario vorzubereiten.
Deshalb solltest du für jedes Ziel oder Projekt, das du dir vornimmst, die nötige Zeit einplanen, die Schritte und Ressourcen aufschreiben, die zum Erreichen des Ziels benötigt werden, Fristen vorschlagen, dich mit deinem Arbeitsteam treffen usw.
4. Kenne deine Stärken und Schwächen
Proaktive Menschen wissen, dass sie nicht in allem perfekt sind. Sie kennen ihre Schwächen und Stärken und arbeiten deshalb ständig daran, erstere zu verbessern und letztere zu nutzen.
Erstelle eine Liste, die beide Aspekte widerspiegelt und nutze sie zu deinem Vorteil. Wenn es dir schwerfällt, sie zu erkennen, kannst du eine Vertrauensperson um Hilfe bitten.
5. Sei einfühlsam, ehrlich und proaktiv
Sich in andere hineinzuversetzen und ihnen gegenüber ehrlich zu sein, hilft, Missverständnisse zu vermeiden, das Vertrauen zu anderen zu stärken und positive Beziehungen aufzubauen.
Am Arbeitsplatz sind gute Beziehungen ein Grundpfeiler für die Produktivität, da sie es uns ermöglichen, die Unterstützung des Teams zu erhalten und offener für konstruktive Kritik zu sein.
6. Lerne, deine Emotionen zu kanalisieren
Oft hinterlassen Stress und Konflikte bei der Arbeit eine emotionale Last, die schwer zu bewältigen ist. Wenn wir jedoch produktiver sein wollen, müssen wir lernen, unsere Emotionen auf eine positive Art und Weise zu kanalisieren. Es ist kein Geheimnis, dass fehlgeleitete Emotionen, insbesondere negative, unser Energieniveau und unsere Leistung negativ beeinflussen.
7. Setze dir realistische Ziele
Wenn du deine Produktivität steigern willst, ist es wichtig, dass du dich nicht mit unerreichbaren Zielen überfordern lässt, denn das erhöht nur die Frustration und das Gefühl des Scheiterns.
Deshalb ist es ideal, dass du dir zu Beginn kleine Ziele setzt. Auf diese Weise steigerst du deine Motivation und dein Selbstvertrauen, um größere Ziele anzustreben.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Marta Matts, Jacob Sutton, Oleg Oprisco
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