Kognitive Freundlichkeit als psychologische Verpflichtung

Bist du bereit, keine Vorurteile mehr zu fällen und deine Freundlichkeit in Taten umzusetzen?
Kognitive Freundlichkeit als psychologische Verpflichtung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 12. Januar 2023

Du könntest dein Leben ändern, indem du kognitive Freundlichkeit praktizierst und respektvoller, freundlicher und höflicher bist. Viele denken, dass sie dafür keine Zeit haben, denn ihr Leben ist von Sorgen, Angst, Müdigkeit und Eile geprägt.

Wir sprechen heute über ein neues Konzept, das die grundlegende Wertschätzung der individuellen und kollektiven kognitiven Fähigkeiten voraussetzt: die kognitive Freundlichkeit.

Die Fortschritte im Verständnis der menschlichen Kognition zeigen uns, dass Gedanken und Reflexion Zeit, Willen und Energie erfordern. Dies bedeutet, dass wir oft rein automatisch handeln, weil wir Vorurteile haben oder bestimmten Impulsen folgen.

Wir sind sozusagen kognitiv geizig; wir versuchen, die von uns gefällten Urteile so schnell wie möglich abzuschließen, um den Energieaufwand zu begrenzen. Das wirkt sich auf unsere Beziehungen aus. Es führt zum Beispiel dazu, dass wir immer weniger Nähe und Einfühlungsvermögen für andere aufbringen können.

Es ist immer leichter zu urteilen als zu fragen, und wir lassen uns tagtäglich von Vorurteilen und Stereotypen leiten. All dies schafft allmählich das Bild einer weniger sensiblen, kalten und sogar egoistischen Gesellschaft. Die beste Antwort auf dieses Szenario wäre zweifellos, sich in kognitiver Freundlichkeit zu üben. Schauen wir uns genauer an, was das bedeutet.

„Gleichgültigkeit und Vernachlässigung richten oft viel mehr Schaden an als reine Abneigung.“

JK Rowling

Kognitive Freundlichkeit als psychologische Verpflichtung

Was ist kognitive Freundlichkeit?

Das Studium der Freundlichkeit will verstehen, warum das Gehirn uns dazu bringen kann, uns unfreundlich gegenüber Mitmenschen zu verhalten. Der Begriff der kognitiven Freundlichkeit ist relativ neu. Die amerikanische Psychologin Karen Yu zum Beispiel hat sie in mehreren TED-Vorträgen verwendet. Sie fragt, warum wir den Verstand nicht nutzen, ein freundlicheres Wesen zu sein, wenn er doch  unsere beste individuelle Ressource ist. In einer zunehmend komplexen Welt brauchen wir diese Dimension, um eine hoffnungsvollere Gegenwart und Zukunft zu gestalten.

Wir nähren weiterhin falsche Mythen über Freundlichkeit

Es gibt noch immer eine Reihe von Ideen, die die Bedeutung der Freundlichkeit herabsetzen.

  • Eine viel verbreitete Meinung ist, dass Freundlichkeit verletzlich macht. Das ist eine völlig verzerrte Argumentation, denn gerade diese Eigenschaft ermöglicht es uns, authentischer mit anderen in Kontakt zu treten.
  • Des Weiteren hört man noch immer oft, dass Freundlichkeit schwach macht, oder dass nett sein bedeutet, auch naiv zu sein.
  • “Gut zu sein ist Zeitverschwendung, da andere dich einfach ausnutzen.” Dies ist ein weiteres Missverständnis. Tatsächlich zeigen eine Studie der Tohoku Gakuin University in Japan sowie andere Untersuchungen, dass gütige und altruistische Menschen glücklicher und zufriedener wahrgenommen werden.
  • Viel verbreitet ist auch die Idee, von anderen am Arbeitsplatz ausgenutzt zu werden, wenn du sanft und freundlich bist. Doch altruistisches Verhalten ist alles andere als eine Schwäche!

Die Wahrheit ist, dass es allen besser gehen würde, wenn jeder kognitive Freundlichkeit praktizieren würde.

Kognitive Freundlichkeit fördert das Zusammenleben und die Gehirngesundheit

Kognitive Freundlichkeit geht über den emotionalen Aspekt hinaus: Sie integriert Gedanken, Argumentation und Verhalten. Eine Forschungsarbeit, die von den Universitäten von Boston, Rio de Janeiro und Valencia durchgeführt wurde, kam zu der Schlussfolgerung, dass Freundlichkeit Fürsorge, Aufmerksamkeit und Verständnis anderen gegenüber bedeutet. Dafür sind jedoch “kognitive Anstrengungen” erforderlich. Es geht darum, Automatismen auszuschalten und ohne Vorurteile zu handeln. Die Grundlagen dafür sind die Reflexion und die Wahrnehmung der Realität. Nur so können wir sensibler auf die Bedürfnisse anderer Menschen reagieren.

Kognitive Freundlichkeit fördert das Zusammenleben und die Gehirngesundheit 

Wie man kognitive Freundlichkeit praktiziert

Es ist nicht einfach, kognitive Freundlichkeit zu praktizieren, da du zuerst Vorurteile und negative Denkmuster deaktivieren und Ideen neu formulieren musst. Höre auf, über andere zu urteilen. Nichts ist so schädlich, wie falsche Schlussfolgerungen zu ziehen und andere nicht verstehen zu können. 

Kognitive Freundlichkeit ist nicht nur ein Gefühl, sie fordert dich zur Handlung heraus. Du musst Entscheidungen treffen und diese ausführen. Es reicht nicht aus, einen besorgten Kollegen zu sehen. Du solltest sofort fragen, ob du etwas tun kannst, um ihm zu helfen.

Kognitive Freundlichkeit erfordert emotionale Intelligenz, Achtsamkeit, Reflexion, Entscheidungsfreudigkeit und wertesensibles Verhalten. Dies mag sehr kompliziert klingen, doch die Ergebnisse sind wunderbar. Mit deiner kognitiven Freundlichkeit kannst du die Welt verändern!


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