Die allostatische Last: Überbeanspruchung und Abnutzung durch Stress

Dein Körper zahlt einen Preis dafür, dass er sich an ständige Stresssituationen anpassen muss. Dieser kumulative Effekt kann dich im Laufe der Jahre anfälliger für bestimmte körperliche und psychische Gesundheitsprobleme machen. Was können wir dagegen tun?
Die allostatische Last: Überbeanspruchung und Abnutzung durch Stress
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 27. September 2022

Schätzungsweise sind 50 bis 60 % der physischen und psychischen Krankheiten auf Stress zurückzuführen. Die Ursache für diese erschreckenden Zahlen ist chronischer physiologischer oder emotioanler Stress, der unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen führt. In diesem Zusammenhang sprechen wir heute über die allostatische Last – ein Begriff, der 1993 von McEwen und Stellar geprägt wurde, um den Überbeanspruchungs- und Abnutzungsffekt zu bezeichnen, der durch chronische Stressexposition entstehen kann.

Der Begriff allostatische Last bezieht sich auf die aufsummierten Auswirkungen, die Stress auf unseren Organismus hat. Der Körper registriert jedes negative Ereignis, jeden Kummer und jedes Leid. Und diese Tatsache kann ernste Folgen haben, da dadurch unter anderem das Immunsystem und der Hormonhaushalt beeinträchtigt werden.

Kumulativer oder chronischer Stress verändert zahlreiche Stoffwechsel-, Immun- und Herz-Kreislauf-Prozesse. Da wir seit ein paar Jahren mit unzähligen Herausforderungen zu kämpfen haben, ist es wichtig, sich dieser psychologischen Realität bewusst zu werden. Die einzige Möglichkeit, ihre Auswirkungen zu vermeiden und unsere Gesundheit zu schützen, ist der richtige Umgang mit Widrigkeiten: Wir müssen Resilienz entwickeln und Strategien für ein besseres Stressmanagement erlernen.

Ein konstant hoher Cortisol- und Katecholaminspiegel im Körper kann mit der Zeit zu gesundheitlichen Problemen führen.

Die allostatische Last einer gestressten Frau
Obwohl Stress eine subjektive Realität ist, hat er reale Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Gesundheit.

Die allostatische Last: Definition und Merkmale

Wir können die allostatische Last als den fortschreitenden Verschleiß des Körpers definieren, wenn wir wiederholten Stresssituationen ausgesetzt sind. Dieser Begriff wurde 1993 von den Psychologen Bruce McEwen und Eliot Stellar geprägt. Ihre Forschungen und Veröffentlichungen zum Thema Stress und Krankheiten sind in der Psychologie bereits seit Langem bekannt. Der von diesen Wissenschaftlern geprägte Begriff hat jedoch in den letzten Jahren durch zunehmende Stressbelastungen an Bedeutung gewonnen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erst vor wenigen Monaten einen Bericht veröffentlicht, in dem hervorgehoben wird, dass Ängste und Depressionen um 25 % zugenommen haben. Die Pandemie und die sozialen Krisen haben uns in einen Zustand ständiger Unruhe, Angst und Sorge versetzt.

Das führt oft zu chronischem Stress und einem Gefühl der körperlichen und emotionalen Erschöpfung, das nie ganz verschwindet. Diese Substrate von Müdigkeit, geistiger Vernebelung und Entmutigung wirken als Auslöser für psychische Störungen und Gesundheitsprobleme. Lebensereignisse interagieren mit unseren physiologischen Systemen. Je nachdem, wie wir mit ihnen umgehen, ist die allostatische Last größer oder kleiner.

Menschen können nur kurze, gelegentliche Stressphasen ertragen. Es gibt jedoch Zeiten, in denen dieser Zustand und die damit einhergehenden Ängste eine Konstante in unserem Leben sind. Das hat ernsthafte Auswirkungen auf unsere Gesundheit.

Die allostatische Last und die hormonelle Reaktion

Das Modell der allostatischen Last besagt, dass chronische Stresssituationen immer ihren Tribut fordern. Jede beunruhigende oder herausfordernde Situation aktiviert die Sympathikus-Nebennierenrinden-Achse und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Dies führt zur Freisetzung von Katecholaminen wie Adrenalin und Noradrenalin sowie von Glukokortikoiden wie Cortisol.

Diese physiologische Reaktion unterstützt uns grundsätzlich bei der Handhabung von Stress. Problematisch wird es jedoch, wenn die Ausschüttung all dieser Hormone zu einer Konstante wird. Hohe Katecholamin- und Cortisolwerte wirken sich zum Beispiel negativ auf das Herz, das Immunsystem und den Stoffwechsel aus.

Chronischer Stress untergräbt unsere Widerstandskraft

Die allostatische Last zerstört unsere Widerstandskraft, weswegen uns eine Erholung von Widrigkeiten dann schwerfällt. Chronischer Stress verändert unter anderem die Anatomie des Hippocampus, was zu einem schlechteren Umgang mit Emotionen und Gedächtnis und einem höheren Risiko für Depressionen führt.

Manche Menschen sind genetisch bedingt anfälliger für Stressreaktionen, deshalb ist bei ihnen die allostatische Last höher.

Frau versucht, allostatische Last durch Meditation zu lindern
Praktiken wie Achtsamkeit, Atemtechniken oder Yoga helfen, die allostatische Last zu verringern.

Was tun, um die allostatische Last zu reduzieren?

Gibt es eine gültige Strategie, um die allostatische Last zu verringern und so unsere körperliche und geistige Gesundheit zu schützen? Es gibt nicht nur eine, sondern viele Möglichkeiten für ein besseres Stressmanagement, damit negativen Folgen verhindern werden können. Besonders wichtig ist, Widerstandsfähigkeit zu entwickeln und das Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen. Folgende Tipps können dir dabei helfen:

Meditation und Atemtechniken

Achtsamkeit, Yoga, tiefe Atmung und Meditation sind sehr hilfreiche Praktiken, um Ausgleich zu schaffen. Du musst allerdings konsequent trainieren, um von den vielen Vorteilen zu profitieren.

Körperliche Aktivität

Bei Bewegung produziert der Organismus Endorphine und baut Stress ab. Gehe daher täglich spazieren, joggen, Rad fahren, tanzen oder schwimmen, um deine allostatische Last zu verringern.

Soziale und emotionale Selbstfürsorge

Praktizierst du eine gesunde Selbstfürsorge? Suche dir Freizeitbeschäftigungen, die dir zusammen mit deiner Familie oder mit deinen Freunden Spaß bereiten. Außerdem solltest du dir Zeit für dich nehmen und auf ausreichend Erholung achten. Damit förderst du deine physische und psychische Gesundheit.

Gute Ernährung

Eine gesunde Ernährung versorgt den Organismus mit wichtigen Nährstoffen, welche grundlegend sind, um die allostatische Last zu reduzieren. Vollkornprodukte, Omega-3-Fettsäuren und Probiotika sollten im Ernährungsplan daher nicht fehlen.

Du solltest deiner Gesundheit zuliebe unbedingt versuchen, Stress zu reduzieren und lernen, richtig damit umzugehen. 


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