Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist oft eine Träne

Jeder Mensch hat seine eigene Zeit, seinen eigenen Rhythmus, um Gefühle zu verarbeiten und in der Stille wie eine Pflanze zu keimen. Es gibt Zeiten, in denen der Boden unter uns einbricht. Wir werden uns über unsere Verletzlichkeit bewusst und müssen sie akzeptieren.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist oft eine Träne
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist oft eine Träne. Du merkst, dass du deine Grenze erreicht hast, dass du es nicht mehr aushältst. Du fühlst dich besiegt. Wie oft hören wir, dass es wieder aufwärts geht, sobald du den Tiefpunkt erreicht hast? Doch was passiert, wenn du schon lange in den Tiefen deiner Tränen leidest?

Es gibt keine Eile. Jeder Mensch hat seine eigene Zeit, seinen eigenen Rhythmus, um Gefühle zu verarbeiten und in der Stille wie eine Pflanze zu keimen. Es gibt Zeiten, in denen der Boden unter uns einbricht. Wir werden uns über unsere Verletzlichkeit bewusst und müssen sie akzeptieren. Wir müssen unsere Prioritäten klären und Schmerzen verarbeiten, um den Abgrund zu überwinden.

Der Psychotherapeut Albert Ellis erinnert uns an eine wesentliche Tatsache: Das Leben ist schwierig, nicht nur wegen der Herausforderungen und Widrigkeiten, die wir immer wieder überwinden müssen. Wir müssen oft auch gegen uns selbst kämpfen, gegen den angeborenen Wunsch, in all unseren Handlungen die Perfektion zu erreichen.

Scheitern, Fallen, Stolpern, Verlieren und der Umgang mit einer so komplexen und ungewissen Realität ist normal. Aber es fällt uns immer noch schwer, es zu akzeptieren. Wir wurden dazu erzogen, alles zu bewältigen, doch was tun, wenn das Leben uns überwältigt?

“Jede Träne lehrt die Sterblichen eine Wahrheit”.

Plato

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist oft eine Träne

Eine Träne bringt das Fass zum Überlaufen

“Was tun, wenn ich einfach nicht mehr kann?” Das ist eine Frage, die sich viele Menschen fast täglich stellen. Das Komplexe daran ist, dass wir in einer leistungsorientierten Gesellschaft leben: Effizienz, Unmittelbarkeit und Perfektion werden großgeschrieben.

Wer nicht in dieses Bild passt, wird als faul, schwach oder unverantwortlich abgestempelt. Die betroffene Person entwickelt schließlich ein negatives Selbstbild, da sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Eine Träne lässt deshalb manchmal das Fass überlaufen. Zurück bleiben Leere, Enttäuschung, Erschöpfung und Angst.

Nicht mehr weitermachen zu können, ist nicht das Ende der Welt, es ist ein Weckruf. Wenn das Leben schmerzt und Tränen fordert, gibt es nur eine Möglichkeit: innehalten und die eigenen Gefühle erforschen, auch wenn es wehtut…

Wenn du an deine Grenzen stößt

Und du, wie viel kannst du ertragen? Vielleicht zu viel. Vielleicht hat dir die Gesellschaft eingeredet, dass du stark bist und mit jeder Situation zurechtkommst.  Du warst davon vielleicht tatsächlich überzeugt. Du glaubtest, dass Mutige jede Situation bewältigen können und immer eine Lösung finden.

Doch schließlich bringt eine Träne das Fass zum Überlaufen. Du hältst es nicht mehr aus. So lange hast du viel mehr gegeben, als du hattest. Du hast deine Bedürfnisse vernachlässigt, bis dich dein Kummer an deine Grenzen bringt.

Du hast dein Limit erreicht und hast keine andere Wahl, als es zu akzeptieren. Jetzt ist es an der Zeit, dich um dich selbst zu kümmern.

Ein Träne… und noch eine… tief im Abgrund

Körperliche und geistige Erschöpfung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und der Drang zu weinen. Du hast den Tiefpunkt erreicht. Dein Geist und dein Körper sind schwer wie ein Felsen, der im Abgrund weilt. Eine Träne löst sich… und du kannst nicht mehr aufhören zu weinen.

Schließlich sind keine Tränen mehr da. Jetzt gibt es nur noch eine Möglichkeit: Du musst dich auf dich selbst konzentrieren! Es ist an der Zeit, deine ramponierte Rüstung abzulegen, das falsche Heldentum, mit dem du versucht hast, alle zu retten… nur nicht dich selbst. Du musst dich jetzt selbst heilen, doch dies ist ein langsamer, mühsamer Prozess mit vielen Höhen und Tiefen.

Du musst dir darüber bewusst werden, dass du kein schwerer Stein im Flussbett bist, sondern ein Samenkorn, das früher oder später keimen wird und schließlich erblüht. Dieser Prozess braucht Zeit. Du musst tief ein deine Gefühle eintauchen und sie an die Oberfläche bringen.

eine Träne lässt Blumen wachsen

Du wirst wieder aufblühen, Schritt für Schritt

Deine Tränen nähren dein emotionales Wachstum und deine Hoffnung. Du musst Schmerzen zurücklassen und neuen Dingen in deinem Leben Platz machen. 

Müdigkeit wird dich länger auf deinem Weg begleiten. Sie kennzeichnet viele Stimmungsstörungen, wie Depressionen. Dies geht unter anderem aus einer Studie von Dr. Steven D. Targum hervor, einem Berater in der Abteilung für Psychiatrie am Massachusetts General Hospital.

Habe Geduld, suche Unterstützung und lass dir Zeit. Nahestehende Menschen können dir in deinen dunklen Momenten helfen und dich auf dem Weg aus dem Abgrund begleiten. Diese Erfahrung ist nicht das Ende deiner Reise, sondern stellt einen neuen Start dar, der dich wachsen lässt.

Du wirst wieder aufblühen und deine Wurzeln werden dann stärker und tiefer sein. Sie sind bereit, in die Richtung zu wachsen, in die du gehen willst.


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