Warum Musik zu Tränen rührt und die Seele nährt

Vielleicht hast du dich irgendwann einmal traurig gefühlt, mit dem Wunsch, ein paar Tränen fließen zu lassen, und um sie „herauszulassen“, hast du ein Lied von deiner „Weinen-Playlist“ gespielt. Musik ist ein sehr mächtiges Hilfsmittel, mit dem wir unsere Gefühle selbst regulieren können, warum?
Warum Musik zu Tränen rührt und die Seele nährt
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 12. November 2023

Musik begleitet uns ein Leben lang:  Sie macht uns glücklich und beruhigt uns, begleitet uns in traurigen Stunden, motiviert und macht Spaß. Sie lässt uns niemals unberührt, denn Musik dringt tief in unsere Seele ein. Seit der Barockzeit ist bekannt, dass Dur-Tonarten und schnelle Tempi Freude auslösen. Moll-Tonarten und langsame Melodien hingegen erzeugen Traurigkeit, während dissonante Töne Beklemmung und Angst verursachen. Es gibt auch Lieder, die uns zu Tränen rühren. Ist dir das auch schon passiert? 

Die emotionale Wirkung von Musik ist komplex: Verschiedene Tonarten, Rhythmen, Harmonien und Melodien lösen unterschiedliche Gefühle aus, wobei auch der soziale, kulturelle und künstlerische Kontext eine bedeutende Rolle spielt.

Warum Musik zu Tränen rührt und die Seele nährt
Wenn du ein fröhliches Lied in einer zutiefst traurigen und schweren Zeit in deinem Leben hörst, ist es wahrscheinlich, dass du es in Zukunft mit einer traurigen Stimmung assoziierst, wenn du dieses Lied wieder vernimmst.

Die Psychologie der Musik

Das Buch Psychology and Music des schwedisch-amerikanischen Psychologen Carl Seashore aus dem Jahr 1938 ist inzwischen ein Klassiker. Darin erwähnt der Autor, dass Musik in der Lage ist, Emotionen aus der Vergangenheit hervorzurufen und gleichzeitig neue emotionale Erfahrungen zu provozieren.

Spiegelneuronen

Die Spiegelneuronen in unserem Gehirn bewirken, dass wir bei der Beobachtung einer Handlung aktiv werden: Wir reagieren simultan und spontan in derselben Weise wie unser Gegenüber. Wenn dich jemand anlächelt, hast du das Bedürfnis zurückzulächeln, ohne lange darüber nachzudenken. Spiegelneuronen beeinflussen unser Verhalten im Positiven wie im Negativen. Das bedeutet, dass auch Traurigkeit und Angst ansteckend sind.

Beim Hören von Musik nehmen wir die Gefühlsregung des Musikers wahr und lassen uns mitreißen: Fröhliche Musik löst Hochgefühle aus, ein ernstes Klaviersolo kann dich jedoch zu Tränen rühren. Es fällt uns oft schwer, negativ gewertete Emotionen wie Traurigkeit oder Angst zuzulassen, doch Musik ermöglicht uns die Verarbeitung dieser Gefühle: Wenn du dich traurig fühlst, wählst du deshalb oft auch traurige Musik, da du dich damit identifizierst.

Warum Musik zu Tränen rührt

Der Begriff Neuroästhetik wurde von Semir Zeki geprägt, um eine Disziplin zu beschreiben, die neurobiologische Grundlagen ästhetischer Empfindungen erforscht. Verschiedene Studien in diesem Bereich haben gezeigt, dass der Hippocampus eine Schlüsselstruktur für musikalische Emotionen ist. Die Aktivität dieser Gehirnstruktur variiert bei schöner, konsonanter Musik im Vergleich zu nicht gefälligen, dissonanten Kompositionen.

Das Gehirn reagiert auf angenehme Musik mit der vermehrten Aussendung von Thetawellen, die uns in einen entspannten Zustand versetzen. Alphawellen entspannen ebenfalls und verbessern gleichzeitig die Konzentrationsfähigkeiten und Motivation. Sie entstehen unter anderem beim Hören von Lieblingsmusik.

Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die Musik, eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt.

Schopenhauer

Frau hört Musik, die zu Tränen rührt
Musik ist die universelle Sprache der Seele.

Unangenehme musikalische Emotionen aktivieren bestimmte Bereiche des Gehirns, insbesondere die rechte frontopolare und paralimbische Region. Außerdem ist das limbische System der Dirigent der Emotionen: Wenn du ein Lied hörst und Angst, Freude, Wut oder Traurigkeit empfindest, hilft dir das, deine Emotionen zu erleben und zu verarbeiten.

Die rechte Hemisphäre konzentriert sich auf Melodie, Rhythmus und den Ton, während die linke Hemisphäre für die Bedeutung zuständig ist, die wir einem Musikstück geben. Positive Emotionen werden eher in der linken Hemisphäre, negative eher in der rechten verarbeitet. 

Wir dürfen den Zusammenhang zwischen Musik und Neokortex nicht vergessen. Dieser evolutionär betrachtet jüngste Teil der Großhirnrinde ermöglicht höhere kognitive Fähigkeiten wie das Denken oder die Sprache. Die Wirkung von Musik auf dieses Gehirnareal ist enorm. Auf dieser Grundlage wurde unter anderem die Musiktherapie entwickelt, die bei Krankheiten wie ADHS, Demenz, Parkinson oder Epilepsie vorteilhaft ist.

Das Universum der Möglichkeiten, die uns die Musik eröffnet, ist praktisch unendlich. Abschließend zitieren wir Nietzsche: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Cabrera, I. M. (2013). Influencia de la música en las emociones: una breve revisión. Realitas: revista de Ciencias Sociales, Humanas y Artes1(2), 34-38.
  • Díaz, J. L. (2010). Música, lenguaje y emoción: una aproximación cerebral. Salud mental, 33(6), 543-551.
  • Fustinoni, O. (2016). La música: química, emoción y cerebro. Química Viva, 15(1), 4-6.
  • Martínez, P., (s.f.). PROCESAMIENTO DE LA MÚSICA EN LOS HEMISFERIOS CEREBRALES: UN ESTUDIO PRELIMINAR. Intersecciones PSI. Revista Digital de Psicología. Universidad de Buenos Aires. http://intersecciones.psi.uba.ar/index.php?option=com_content&view=article&id=535:procesamiento-de-la-musica-en-los-hemisferios-cerebrales-un-estudio-preliminar&catid=10:vigencia&Itemid=1

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.