Prometheus: Fortschritt und Transhumanismus

Prometheus gilt als Uhreber der menschlichen Zivilisation und Gott des Fortschritts. Er dient uns heute als Grundlage, um über Transhumanismus nachzudenken.
Prometheus: Fortschritt und Transhumanismus
Matias Rizzuto

Geschrieben und geprüft von dem Philosophen Matias Rizzuto.

Letzte Aktualisierung: 13. Februar 2023

Prometheus gilt als Urheber der menschlichen Zivilisation. Er wagte es, den Göttern das Feuer zu stehlen, um es den Menschen zu schenken und ist deshalb als Gott des Fortschritts bekannt. Heute nehmen wir diesen Mythos als Ausgangsbasis, um über Transhumanismus nachzudenken.

Die antiken griechischen Mythen helfen uns in ihrer Einfachheit, die Komplexität unserer Zeit zu verstehen: Es handelt sich um wertvolle Denkanstöße zu aktuellen Themen.

Prometheus
Prometheus wird dafür bestraft, dass er den Menschen das Feuer bringt.

Prometheus: der Gott des Fortschritts

Der Mythos von Prometheus spielt auf ein ursprüngliches Element der menschlichen Geschichte an: die Entwicklung der Technologie, die in der Beherrschung des Feuers dargestellt wird. Die Nutzung des Feuers war der wichtigste Meilenstein in der Vorgeschichte, sie ermöglichte die Entwicklung der Zivilisation. Feuer war unter anderem nötig, um Keramik zu fertigen oder Waffen und Werkzeug zu schmieden. Und es diente auch, um durch Rituale die Verbindung zwischen Menschen und Göttern zu feiern.

Prometheus stellt den symbolischen Rahmen der gesamten kulturellen Schöpfung dar. Sein Name setzt sich aus der Vorsilbe “pro” (vorher) und der Wurzel des Verbs “mantháno” zusammen, das mit “lernen” oder “kennenlernen” übersetzt wird. Mit anderen Worten: Prometheus ist derjenige, der etwas vor den anderen erfährt, ein vorausschauender Gott, der den Ereignissen immer einen Schritt voraus ist. Im Gegensatz dazu ist sein komplementärer Zwilling, Epimetheus, derjenige, der immer zu spät kommt, der erst nach dem Handeln denkt und der durch Ungeschicklichkeit und fehlende Logik repräsentiert wird.

Es gibt verschiedene Interpretationen des Mythos von Prometheus. Manche betrachten ihn als Zerstörer der natürlichen Ordnung, andere als einen heroischen Gott, der den Menschen Macht verleiht und sie von den Unbilden der Natur befreit.

Die pessimistische Sicht des Fortschritts

Hesiod war einer der ersten Dichter, der die Geschichte von Prometheus schriftlich festhielt. Er heroisiert Prometheus in seiner Version keinesfalls, sondern betont vielmehr die Übertretung, die er gegen die Götter begeht. Zeus bestraft Prometheus und die gesamte Menschheit mit einer endlosen Vielfalt an Übeln. Für Hesiod stört Prometheus die kosmische Ordnung und schafft ein Ungleichgewicht, welches die Übel der Welt erklärt. Fortschritt wird als gleichbedeutend mit menschlicher Dekadenz betrachtet.

Es handelt sich um eine konservative Version, die versucht, die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie lehnt jede Herausforderung der Autorität ab. Fortschrittsfeindliche Ansichten beruhen im Allgemeinen auf dem Argument, dass es in der Vergangenheit eine kosmische Ordnung gab, die sich mit dem Fortschritt der Zivilisation verschlechterte.

Es gibt jedoch auch eine modernere Interpretation, die es wert ist, in Betracht gezogen zu werden: Der ungezügelte Fortschritt der industriellen Tätigkeit stört das natürliche Gleichgewicht der Umwelt und bringt der Menschheit Unglück. Die ökologischen Katastrophen des letzten Jahrhunderts zeigen, dass das naive Vertrauen in den Fortschritt nicht unbedingt bedeutet, dass er uns Wohlbefinden garantiert.

Die optimistische Vision des Fortschritts

Andere Autoren, wie Aischylos, betrachteten Prometheus als Wohltäter der Menschheit. Er brachte den Menschen nicht nur das Feuer, sondern auch verschiedene andere Vorteile. Prometheus erscheint als Gründer der Zivilisation, der die Technik aller Künste, den Häuserbau, das Wissen über die Landwirtschaft und sogar das Schreiben und die Mathematik förderte.

Auch Platon interpretiert den Mythos auf diese Weise. Epimetheus verteilte unter allen Lebewesen überlebenswichtige Eigenschaften. Als die Menschen an der Reihe waren, stellte er fest, dass sie nackt, barfuß und schutzlos waren. Deshalb wagte es Prometheus, das Feuer und die Weisheit zu stehlen, um den wehrlosen und vergessenen Kreaturen zu helfen. Neue Techniken sollten sie mit Schuhen, Kleidung und Nahrung versorgen.

In dieser Version wurde Prometheus nicht für seine Übeltat bestraft. Zeus wurde sich jedoch bewusst, dass Menschen zwar mit Technik ausgestattet waren, jedoch die Kunst der Politik nicht beherrschten und sich gegenseitig bekämpften. Er schickte ihnen deshalb Hermes, um moralischen Verstand und Gerechtigkeit zu verteilen und ein friedliches Leben zu ermöglichen.

Prometheus und der Transhumanismus

Der Transhumanismus beschreibt eine philosophische Denkrichtung, die beabsichtigt, den Menschen durch biotechnologische und genetische Veränderungen zu verbessern. Es geht darum, übermenschliche und unsterbliche Wesen zu erreichen. Paradoxerweise bezeichnet der Transhumanismus das Streben nach einem Übermenschen als Ziel unserer Spezies. Der Biophysiker und Transhumanist Gregory Stock verwendet die Figur des Prometheus, um zu erklären, dass der Akt, den Göttern das Feuer zu stehlen, zum “Menschsein” gehört. Für ihn sind biotechnologische Veränderungen zur Verbesserung unseres natürlichen Zustands unvermeidlich und wünschenswert.

In diesem Sinne wird Prometheus als ein transgressiver Held dargestellt, der uns von den natürlichen Grenzen befreit. Es ist jedoch fraglich, ob technische Verbesserungen für unsere Erfüllung und unser Überleben ausreichend/notwendig sind. Können uns technischer Fortschritt, die Ausrottung von Krankheiten, die Verlängerung der Lebenserwartung und die Überwindung aller natürlichen Hindernisse glücklich machen?

Prometheus und Transhumanismus
Der Transhumanismus schlägt vor, das menschliche Leben durch Technologie zu perfektionieren.

Reicht Fortschritt allein aus?

Sicherlich maximieren Verbesserungen der Lebensqualität den Profit. Aber diese Verbesserungen scheinen vergeblich zu sein, ohne eine soziale Ordnung, die Wohlstand und Frieden unter den Menschen garantiert. Das Erreichen eines moralischen Sinns, der gleiche Rechte legitimiert, wie Platon im Mythos des Prometheus zeigen konnte, wird nicht allein durch technischen Fortschritt erreicht.

Die Zuversicht, dass Fortschritt zwangsläufig zur Verbesserung der Menschheit führt, ist naiv. Es gibt eine große Vielfalt von Faktoren, die unser Wohlbefinden definieren. Transhumanistische Positionen, die sich blind auf die biotechnologische Entwicklung verlassen, verlieren die soziale Dimension des Menschen aus den Augen.

Wie Platon zu Recht betonte, brauchen wir einen bürgerlichen und moralischen Sinn, um unser Handeln zu lenken, Frieden zu erreichen und uns davor zu bewahren, mit unseren Mitmenschen zu streiten.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Esquilo; Tragedias, Editorial Gredos, Madrid, 1993.
  • García Pérez, D.; “Prometeo: tradición y progreso” en Noua tellus, 24·2, 2006.
  • Hauskeller, M.; “Prometheus unbound: Transhumanist arguments from (human) nature” en Ethical Perspectives, marzo 2009. DOI: 10.2143/EP.16.1.0000000
  • Hesiodo; Obras y fragmentos, Editorial Gredos, Madrid, 1978.
  • Platón; “Protágoras” en Diálogos I, Gredos, 1985.
  • Stock, G.; Redesigning humans, our inevitable genetic future, Houghton Mifflin company,Boston, 2002.

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.