Neuronales Pruning: Was ist das und warum ist es wichtig?

Das neuronale Pruning ist ein Mechanismus, der überflüssige Synapsen eliminiert, damit das Gehirn optimaler funktionieren kann. Diesen Prozess besser zu verstehen, könnte uns den Schlüssel zur Bekämpfung verschiedener Krankheiten liefern.
Neuronales Pruning: Was ist das und warum ist es wichtig?
Ebiezer López

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Ebiezer López.

Letzte Aktualisierung: 12. Januar 2023

Das Nervensystem besteht aus Millionen von Neuronen, die sich zu komplexen Netzwerken verbinden und verschiedene Funktionen erfüllen. Allerdings sind nicht alle Zellen, die sich entwickeln, tatsächlich nützlich. Die Synapseneliminierung spielt deshalb eine wichtige Rolle und ermöglicht in Kombination mit der Synaptogenese (Bildung neuer Synapsen) die Grundlage der NeuroplastizitätNeuronales Pruning ist eine spezifische Form der selektiven Synapseneliminierung. Erfahre heute Interessantes über dieses faszinierende Thema.

Der natürliche Prozess der Synapseneliminierung findet in den verschiedenen  Lebensabschnitten statt. Wir wissen, dass Lernprozesse für die Optimierung der Gehirnaktivität wesentlich sind, doch auch das Pruning ist grundlegend. Beide Prozesse spielen jedoch auch bei verschiedenen psychischen Krankheiten eine Rolle.

Was ist neuronales Pruning?

Neuronen sind Grundelemente des Nervensystems, die mit chemischen und elektrischen Signalen Informationen aufnehmen, verarbeiten und auch weitergeben. Sie ermöglichen beispielsweise die Aufnahme von akustischen Reizen durch das Gehör, die dann an das Gehirn weitergeleitet und verarbeitet werden.

Der Embryo entwickelt im Mutterbauch eine große Anzahl an Nervenzellen, ein Prozess, der sich bis zum Alter von ungefähr zwei Jahren fortsetzt. Kleinkinder haben deutlich mehr Neuronen als Erwachsene, denn sie befinden sich in einer intensiven Entwicklungsphase. Die synaptischen Verbindungen im Gehirn ermöglichen neue Lernprozesse und je mehr Neuronen vorhanden sind, desto mehr Verbindungen und Muster können gebildet werden.

Allerdings sind nicht alle Neuronen notwendig. Viele werden durch Pruning aussortiert, ein Mechanismus, der Axone und Dendriten, die nicht benötigt werden, eliminiert. Der Zellkörper bleibt bei dieser selektiven Eliminierung jedoch vorhanden. Dieser “Feinschliff” bezweckt, die Gehirnfunktionen zu optimieren.

neuronales Pruning

Wie funktioniert neuronales Pruning?

Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes beginnt der regulatorische Prozess der Synapseneliminierung, um unnötige Verbindungen zu beseitigen. In der Jugend wiederholt sich dieser Prozess, der bis ins Erwachsenenalter aktiv bleibt. Die genaue Funktionsweise des Pruning ist allerdings noch nicht ausreichend erforscht.

Fractalkine, komplementäre Proteine und Mikrogliazellen

Sakai (2020) hat einen Artikel veröffentlicht, in dem er verschiedene Hypothesen über neuronales Pruning aufzeigt. Eine davon erwähnt Fraktalkin, ein Molekül, das dem Gehirn signalisiert, Mikrogliazellen zu aktivieren. Mikrogliazellen sind Teil unserer Abwehrkräfte und dafür verantwortlich, Krankheitserreger zu eliminieren.

In einem Experiment mit Mäusen hat Fractalkin die Kommunikation zwischen Neuronen und Mikrogliazellen gestört. Die Forscher stellten fest, dass diese Mäuse unreife synaptische Verbindungen hatten, die es sonst nicht gäbe.

Komplementäre Proteine haben dagegen die Funktion, potenziell krankmachende Zellen zur Beseitigung zu signalisieren. Forscher vermuten deshalb, dass diese Moleküle zusammen mit Fractalkin unteraktive Schaltkreise zur Zerstörung markieren.

Warum ist neuronales Pruning in der Entwicklung wichtig?

Die bisher gesammelten Beweise legen nahe, dass die Überproduktion von Neuronen ein evolutionärer Mechanismus sein könnte. Mehr synaptische Verbindungen verbessern das Lernen auf verschiedene Weise. Häufig sprechen wir deshalb bei Kindern von ihrer Fähigkeit, alles “wie Schwämme” aufzunehmen und sehr schnell zu lernen.

Zu viele Verbindungen können aber auch die Übertragung des Nervenimpulses verlangsamen. Infolgedessen könnten die Reaktionszeiten langsamer sein und das wäre fatal, wenn wir uns in einer gefährlichen Situation befinden. Außerdem würden sie dem Organismus mehr Energie abverlangen, und das ist für die Anpassung nicht sinnvoll.

Neuronales Pruning ist deshalb nötig, um überflüssige synaptische Verbindungen zu eliminieren und so jene zu verstärken und zu optimieren, die wir tatsächlich benötigen. Die Synapseneliminierung begünstigt also das Lernen und ermöglicht uns eine bessere Anpassung an die Umwelt. 

neuronales Pruning

Synapseneliminierung und psychische Erkrankungen

Es gibt Grund zu der Annahme, dass die Eliminierung von Axonen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung bestimmter Krankheiten spielen könnte. Sellgren et al. (2019) veröffentlichten eine Arbeit über synaptisches Pruning bei Patienten mit Schizophrenie. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine übermäßige Synapseneliminierung das Krankheitsbild auslösen kann.

Andere Arbeiten weisen auf die mögliche Rolle der Synapseneliminierung bei Alzheimer hin. Da dieser Mechanismus jedoch noch nicht ausreichend erforscht ist, können darüber noch keine spezifischen Aussagen gemacht werden.

Abschließend lässt sich sagen, dass neuronales Pruning durch verschiedene Faktoren wie Alter und genetische Defekte verändert werden kann. Wenn wir diese Variablen identifizieren könnten, wären wir vielleicht in der Lage, die Symptome bestimmter Pathologien zu regulieren, die mit diesem Mechanismus in Verbindung stehen.


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  • Sakai, J. (2020). Core Concept: How synaptic pruning shapes neural wiring during development and, possibly, in disease. Proceedings of the National Academy of Sciences, 117(28), 16096-16099.
  • Sellgren, C. M., Gracias, J., Watmuff, B., Biag, J. D., Thanos, J. M., Whittredge, P. B., … & Perlis, R. H. (2019). Increased synapse elimination by microglia in schizophrenia patient-derived models of synaptic pruning. Nature neuroscience, 22(3), 374-385.
  • Sootha, B. (2021). Deleting Neurons: A closer look at Synaptic Pruning. ScienceOpen Posters.

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