Kognitive Immunität: Wie du dich gegen schädliche Ideen wehren kannst

Die kognitive Immunität ist ein Abwehrmechanismen, der uns vor negativen, schädlichen und falschen Gedanken schützt.
Kognitive Immunität: Wie du dich gegen schädliche Ideen wehren kannst
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. April 2023

Die meisten von uns nutzen verschiedene Strategien, um ihr Immunsystem zu schützen. Wir achten auf unsere Ernährung, achten auf eine gesunde Nachtruhe, treiben Sport und vermeiden ungesunde Angewohnheiten wie Rauchen oder Alkohol. Aber wie schaut es mit unserer “kognitiven Immunität” aus?

Auch unser Geist benötigt Abwehrmechanismen, um sich vor negativen, schädlichen und falschen Gedanken zu schützen. Dieses Konzept tauchte bereits in den 1950er-Jahren auf und wurde von Persönlichkeiten wie Andy Norman, dem Direktor der Humanistischen Initiative an der Carnegie Mellon University, populär gemacht.

Heute ist es wichtiger denn je, Kindern Strategien beizubringen, um sich gegen Manipulationen in sozialen Netzwerken zu wehren. Experten weisen darauf hin, dass kritisches Denken nicht ausreicht. Eine kognitive Immunität ist nötig, um auf “Viren” reagieren zu können, die in Medien verbreitet werden.

Viele junge Menschen bauen ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl über soziale Netzwerke auf, was die psychische Gesundheit gefährden kann.

Kognitive Immunität: Wie du dich gegen schädliche Ideen wehren kannst
Unser Geist benötigt Abwehrmechanismen, um sich vor negativen, schädlichen und falschen Gedanken zu schützen

Was ist kognitive Immunität?

Die Belastung durch negative und schädliche Informationen hat noch nie ein so gefährliches Ausmaß erreicht. Die Manipulation durch die Medien ist heute raffinierter und komplexer und dazu kommt noch ein weiterer Punkt: Wir waren noch nie so verletzlich wie heute. Der Grund dafür? Viele.

Unsere Aufmerksamkeit wird von unseren Geräten und ihren ständigen Benachrichtigungen gekapert und monopolisiert. Informationen fließen fast im Sekundentakt und wir wollen nichts verpassen. Ein Verstand, der nicht mehr in der Lage ist, aufmerksam zu sein und zwischen nützlichen und unnützen, wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden, verwendet keine Filter. Alles scheint wahr zu sein.

Außerdem werden die Medien immer geschickter darin, unsere kognitiven Voreingenommenheiten unter Kontrolle zu bringen. Wir werden durch emotionale Appelle getäuscht und mit schädlichen Ideen und Konzepten “infiziert”. Wie können wir diese Prozesse, die uns kaum bewusst sind, stoppen?

Es gibt ein Werkzeug: Die kognitive Immunität ist der Mechanismus, der es uns ermöglicht, schädliche Informationen herauszufiltern. Wir sollten diese Fähigkeit täglich stärken, so wie wir uns um unsere Gesundheit kümmern.

Selbstreflexion ist ein metakognitiver Mechanismus, den wir trainieren sollten, um unser kritisches Denken und unsere kognitive Immunität zu stärken.

Die Biologie der Desinformation: Meme, Filter und Medienviren

Neben anderen Philosophen hat Alfred Tauber das Konzept der kognitiven Immunität analysiert. Seine Arbeit erinnert uns zum Beispiel daran, dass diese Idee seit fast fünf Jahrzehnten in der wissenschaftlichen und akademischen Literatur zu finden ist, auch wenn das Konzept vielleicht jüngeren Datums ist. Das “immune Selbst” ist jenes Konzept, das an die richtige Wahrnehmung und Erkennung dessen appelliert, was von außen kommt und ihm schadet.

Wenn diese Theorie heute an Relevanz gewonnen hat, liegt das an dem digitalen Szenario, das uns umgibt. Die sogenannte Biologie der Desinformation wird von Jahr zu Jahr ausgefeilter und unaufhaltsamer. Manche Medien wirken wie Viren, die uns bestimmte Ideen einimpfen wollen. Dazu nutzen sie die Macht von Memes, Algorithmen und künstlicher Intelligenz.

Sie berühren unsere Emotionen, appellieren an unsere Gefühle und unbewussten Mechanismen, um uns zu entrüsten, aufzuregen oder zu faszinieren. Fast ohne es zu merken, integrieren wir Ideen, Einstellungen und Gedanken, die falsch sind oder nicht wirklich unseren Interessen entsprechen. Beispiele dafür sind die Vorstellungen von Schönheit und Körperform, die von Jugendlichen übernommen werden.

Mentale Parasiten sind schädliche Ideen, die in unseren Geist eingeschleust werden, um uns zu manipulieren und ein völlig falsches Bild von unserer Realität zu schaffen.

Wie kann man kognitive Immunität entwickeln?

In seinem Buch Mental Immunity¹ präsentiert Dr. Andy Norman verschiedene Werkzeuge, um kognitive Immunität zu erreichen. Das Ziel ist, sich gegen die “Parasiten” in den sozialen Netzwerken zu wappnen, die unsere geistige Gesundheit und unsere Wahrnehmung dessen, was uns umgibt, beeinträchtigen. Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass Bildschirmgeräte zur Manipulation eingesetzt werden und lernen, sie zu unserem Vorteil zu nutzen.

1. Desinformation erkennen

Nicht alles, was wir lesen, ist wahr, nützlich oder hilfreich. Deshalb ist es wichtig, jene Inhalte zu meiden, die schädlichen Einfluss nehmen. Es geht nicht darum, jeder Veröffentlichung oder Information zu misstrauen, sondern vielmehr darum, einen kritischen, neugierigen und unparteiischen Filter anzuwenden, um das Gelesene zu kontrastieren.

2. Aufmerksamkeit und ein wacher Geist

Ein wacher Geist lässt sich nicht so schnell manipulieren. Er ist fokussiert und in Aufmerksamkeit geschult. Doch genau diese Fähigkeit geht zunehmend verloren. Stress, Multitasking, ständige Benachrichtigungen und die Unfähigkeit, dem, was uns umgibt, Aufmerksamkeit zu schenken, sind Faktoren, die unsere kognitive Immunität schwächen. Trainiere deine Aufmerksamkeit und schule deinen inneren Blick. 

3. Selbstreflexion

Selbstreflexion, so erklärt Frontiers in Psychology, ist die Rettungsleine, die uns von den Gewissheiten und Vorurteilen befreit, die uns blind für Manipulationen machen. Sie ist auch der Mechanismus, der starres Denken ausschaltet, um zu hinterfragen, was man für selbstverständlich hält oder von der Umwelt erhält. Es ist eine metakognitive Fähigkeit, die wir verbessern sollten.

Kognitive Immunität: Wir müssen die Nutzung von Bildschirmgeräten kontrollieren.
Wir sollten unseren Kindern Strategien beibringen, um ihre kognitive Immunität zu fördern.

Fazit

Kognitive Immunität ist ein Konzept, das wir alle in die Praxis umsetzen sollten. Sie schützt uns vor Manipulation und fördert unser psychologisches Wohlbefinden. Kindern diese Fähigkeit beizubringen, ist ein unbezahlbares Geschenk. Für Digital Natives ist es besonders wichtig, über Schutzmechanismen zu verfügen.

▶ Literaturempfehlung

  1. Mental Immunity: Infectious Ideas, Mind-Parasites, and the Search for a Better Way to Think, Andy Norman, Harper Wave 2021

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Kowal, C., DeGiorgio, L. A., Nakaoka, T., Hetherington, H., Huerta, P. T., Diamond, B., & Volpe, B. T. (2004). Cognition and immunity; antibody impairs memory. Immunity21(2), 179–188. https://doi.org/10.1016/j.immuni.2004.07.011
  • Dishon, N., Oldmeadow, J. A., Critchley, C., & Kaufman, J. (2017). The Effect of Trait Self-Awareness, Self-Reflection, and Perceptions of Choice Meaningfulness on Indicators of Social Identity within a Decision-Making Context. Frontiers in psychology8, 2034. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.02034
  • Norman, Andy. (2021). Mental Immunity. New York: Harper Wave.
  • Tauber, AI. Immunology’s theories of cognition. Hist Philos Life Sci. 2013;35(2):239-64. PMID: 24466634.

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