Wahrnehmungsverarbeitungsstörung: Was ist das?

Eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung kann bei Autismus vorhanden sein, aber sie kann auch als eigenständige Erkrankung auftreten.
Wahrnehmungsverarbeitungsstörung: Was ist das?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. Dezember 2022

Zu einer Wahrnehmungsverarbeitungsstörung kommt es häufig bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oder ADHS. Betroffene haben Schwierigkeiten, die über die Sinne aufgenommenen Reize zu verarbeiten, die Sinnesorgane sind jedoch nicht beeinträchtigt. Sie nehmen Gerüche, Geräusche oder andere Empfindungen intensiv, ungeordnet oder schmerzhaft wahr.

Manchmal kann bereits die Berührung eines Kleidungsstückes oder eines Bleistifts Schmerzen verursachen. Lärm macht Betroffene nervös, in Umgebungen mit vielen Menschen fühlen sie sich bedroht, unruhig und gestresst. Es handelt sich um eine komplexe und stark beeinträchtigende Störung.

Frau hat Wahrnehmungsverarbeitungsstörung


Wahrnehmungsverarbeitungsstörung: Symptome

Viele Menschen fühlen sich überfordert und sogar blockiert, wenn sie in ein Einkaufszentrum gehen. Die Lichter, die Menschenmassen, die Geräusche und die Gerüche sind stressig und überwältigend. Manche Menschen haben sogar große Probleme bei der Wahl von Kleidung: Manche Stoffe sind sehr unangenehm und kratzen.

Es ist nicht überraschend, dass es einen kleinen Teil der Bevölkerung mit einer nicht diagnostizierten sensorischen Integrationsstörung gibt. Dieser neurologisch bedingte Zustand tritt auf, wenn die Sinnesreize aus der Umwelt nicht richtig integriert werden. Dabei treten in der Regel folgende Symptome auf:

Symptome der Hyperreaktivität

Die Hyperreaktivität ist mit Unbehagen, Stress und Schmerzen verbunden, wenn man bestimmte Reize berührt, riecht oder sieht. Diese Situationen sind für  Betroffene sehr beunruhigend und werden von der Umwelt mit Unverständnis wahrgenommen.

  • Betroffene meiden Menschenansammlungen oder Gruppen mit mehr als drei oder vier Personen.
  • Sie fühlen sich oft schwindlig.
  • Außerdem meiden sie Körperkontakt, da sie ihn als störend empfinden.
  • Bestimmte Geräusche oder Lichter lösen Herzrasen und große Angst aus.
  • Sie entwickeln eine Aversion gegen bestimmte Lebensmittel.

Symptome der Hyporesponsivität

Die Störung der Sinnesverarbeitung führt auch zu deutlichen Schwierigkeiten bei der Reaktion auf bestimmte Situationen:

  • Betroffene tun sich morgens schwer, munter zu werden.
  • Sie reagieren auffallend langsam auf Reize: Worte, Gefahren usw. Das führt oft zu dem Verdacht, dass die Person unter Hördefiziten leidet, was sich letztlich aber nicht bewahrheitet.
  • Kinder benötigen zum Beispiel sehr lange, um ihren Schließmuskel zu kontrollieren und trocken zu werden.

Motorische Probleme

Die Wahrnehmungsverarbeitungsstörung führt zu motorischen Einschränkungen: Im Kleinkindalter fällt es Betroffenen schwer, ausreichende feinmotorische Fähigkeiten zu entwickeln. Sie haben Koordinationsprobleme, motorische Langsamkeit und ernsthafte Einschränkungen, die es ihnen nicht ermöglichen, ihre Selbstständigkeit zu entwickeln.

Andere Symptome der Wahrnehmungsverarbeitungsstörung

  • Hohe Impulsivität und Unruhe
  • Neigung, an Gegenständen zu saugen
  • Neigung zu Unfällen im Haus

Das Ausmaß der Wahrnehmungsverarbeitungsstörung ist bei jeder Person unterschiedlich. Es gibt Kinder, die in ihrem Alltag Kompetenzen entwickeln, und andere, die fälschlicherweise als Kinder mit Autismus-Spektrum-Syndrom diagnostiziert werden.

Wahrnehmungsverarbeitungsstörung: Ursachen

Studien wie die des Zentrums für Kindesentwicklung in Ciudad Real (CDICR), Spanien, deuten darauf hin, dass es sich um eine Erkrankung mit ungewissem Ursprung handelt. Diese Tatsache sorgt für große Frustration, sowohl bei den Eltern als auch bei den Experten selbst. Es ist bekannt, dass die Häufigkeit in der Kinderpopulation zwischen 5 und 8 % liegt.

Andererseits weisen eine Forschungsarbeit der Universität von Colorado sowie andere Studien auf eine Hypothese hin, die von einem großen Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft vertreten wird: Der Ursprung könnte genetisch und neurologisch sein. Tatsächlich wurden Veränderungen im zerebralen Striatum, in der weißen Substanz und im auditorischen Kortex festgestellt.

Kind mit Wahrnehmungsverarbeitungsstörung

Unterschiede zwischen Autismus und Wahrnehmungsverarbeitungsstörung

Mehr als 90 % der Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) weisen sensorische Veränderungen auf. Viele von ihnen leiden sowohl an Hyperreaktivität als auch an Hyporreaktivität – grundlegende Anzeichen für eine entsprechende Diagnose nach dem DSM-5. Ein Teil dieser Kinder zeigt nur Symptome von Wahrnehmungsstörungen und keine anderen Merkmale.

Viele dieser Kinder bleiben in der Schwebe, und was noch schlimmer ist: Sie leiden unter Vernachlässigung. Das kommt daher, dass die Wahrnehmungsverarbeitungsstörung nicht so bekannt ist und oft übersehen wird. Daher ist es entscheidend, die diagnostische Grundlage und die Merkmale, die sie von ASS oder Hyperaktivität unterscheiden, zu unterscheiden.

Basierend auf einer Studie (2014) der Universität von Kalifornien, die in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht wurde, sind folgende Unterschiede festzuhalten:

  • Kinder mit Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen zeigen keine Probleme in der Primärsprache oder Defizite in der sozialen Interaktion.
  • Kinder mit sensorischen Beeinträchtigungen zeigen in allen Fällen erhebliche motorische Probleme. Viele von ihnen können nicht schreiben, Fahrrad fahren, allein auf die Toilette gehen oder sich selbst anziehen.
  • Sie neigen dazu, das Gleichgewicht zu verlieren, leiden oft an Schwindel und erleben Unfälle. 
  • Diese Kinder sind sehr unorganisiert.
  • Außerdem fällt es ihnen schwer, Tätigkeiten auszuführen, weil sie plötzlich mehrere Reize (visuelle, auditive, körperliche…) wahrnehmen, die sie nicht verstehen oder verarbeiten können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir in erster Linie das Bewusstsein für diese Störung schärfen und geeignete therapeutische Strategien entwickeln müssen, um die richtige Entwicklung und Integration der betroffenen Personen zu fördern. Es handelt sich um eine neurologische Störung, die mehr wissenschaftliche Unterstützung benötigt.


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