Kindererziehung ohne Schreie: Erziehe verantwortungsvoll und mit Liebe

Kindererziehung ohne Schreie: Erziehe verantwortungsvoll und mit Liebe
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. Mai 2023

Schreie solltest du als Elternteil oder Pädagoge bestenfalls vermeiden. Schreie sind weder lehrreich noch gesund für das Gehirn eines Kindes – Kindererziehung ohne Schreie ist die bessere Alternative. Denn, weit davon entfernt etwas zu bewirken, führen Schreie lediglich zu folgenden emotionalen Reaktionen: Angst und/oder Wut. Darum sollten wir lernen, Kinder mit Empathie und Verantwortung großzuziehen und ihnen auf angemessene Art und Weise Grenzen aufzuzeigen. Mit dem Herzen.

Eltern und Lehrer sind oft versucht, ihre Stimmen zu erheben, um störendes und herausforderndes Verhalten zu unterbinden – Wutanfälle, die unsere Geduld testen. Wir können es nicht leugnen, oft ist es so, dass sich Müdigkeit mit Stress vermischt und wir die Grenzen unserer Geduld erreichen. Nachgeben, sich dem Schreien hingeben, ist etwas, das viele Menschen in solch einer Situation tun.

Schreie sind kein absolutes Tabu. Tatsächlich existiert die Meinung, dass Schreien genauso wie Schläge funktionieren und nützlich seien. Eine genaue Analyse ist notwendig, denn diejenigen, die Kinder erziehen, indem sie schreien, betrachten das ihre als angemessenes Verhalten und es erscheint ihnen normal. Vielleicht wurden sie auch so erzogen. Nun, da sie Erwachsene sind, ist es ihnen nicht möglich, andere Werkzeuge zu nutzen, die bestimmt nützlichere und respektvollere Alternativen sind.

Kinder ohne Schreie zu erziehen ist nicht nur möglich, es ist unserer Meinung nach auch notwendig. Disziplinieren, korrigieren, anleiten und lehren, ohne dem Schreien zu verfallen, hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit deines Kindes.

Ein Beispiel für Kinder zu sein ist ein effektiver Weg, um dich um die Emotionen und das Selbstwertgefühl beider zu kümmern. Dein Verhalten zeigt ihnen dann, dass es andere Wege gibt, um zu kommunizieren. Wege, die nicht wehtun und auf denen wir lernen, unsere wahren Bedürfnisse zu verstehen und uns so miteinander zu verbinden.

Kind hält sich die Ohren zu und hört gar nicht, was seine Eltern sagen - Kindererziehung ohne Schreie ist die bessere Alternative.

Der Einfluss von Schreien auf das Gehirn eines Kindes

Etwas, das wir als Eltern und Pädagogen bei mehr als einer Gelegenheit erfahren haben, ist, dass uns manchmal Ressourcen, Strategien und Alternativen fehlen. Wir wissen, dass Schreie nicht helfen und dass wir nicht das erwartete Ergebnis erzielen werden. Was wir erhalten, sind Angst und Wut. Darum müssen wir angemessenere Erziehungsmethoden erlernen, um Kinder auf positive Weise zu disziplinieren und entsprechende Situationen mit Bedacht zu bewältigen.

Dabei sollten wir nicht außer Acht lassen, welchen Einfluss Schreie auf das menschliche Gehirn und die neurologische Entwicklung eines Kindes haben. Die Handlung des Schreiens erfüllt eine sehr spezielle Funktion für uns als  Spezies, und für viele andere auch: vor Gefahren oder Risiken zu warnen. Auf Schreie hin wird unser Alarmsystem aktiviert und Kortisol freigesetzt, das Stresshormon, dass uns in den Kampf-oder-Flucht-Modus versetzt.

Ein Kind, welches in einer Umgebung lebt, in der Schreien als erzieherische Methode gebraucht wird, wird deshalb bestimmte neurologische Veränderungen erfahren. Der Hippocampus, der Teil des Gehirns, der mit Emotionen und dem Gedächtnis in Verbindung steht, bleibt kleiner als gewöhnlich. Dem Corpus callosum, der Ort, an dem die beiden Hemisphären des Gehirns zusammenkommen, wird weniger Blut zugeführt, wodurch die emotionale Balance des Kindes sowie seine Aufmerksamkeitsspanne und andere kognitive Prozesse beeinflusst werden.

Zu schreien ist eine Form von Missbrauch, eine unsichtbare Waffe, die nicht gesehen oder berührt werden kann, die aber zerstörerisch für das Gehirn eines Kindes ist. Die exzessive und kontinuierliche Freisetzung von Kortisol versetzt das Kind in einen konstanten Alarmzustand, den niemand verdient und den niemand folgenlos ertragen kann.

Kind wird kritisiert und verdeckt sein Gesicht

Kindererziehung ohne Schreie

Paul ist 12 und nicht sehr gut in der Schule. Paul ist in drei Fächern durchgefallen: Mathe, Deutsch und Englisch. Das sind zumindest zwei weniger als letztes Jahr. Seine Eltern haben nun einen Tutor gefunden, bei dem er jetzt Nachhilfestunden Fächern bekommt. Er steht jeden Tag um 7:00 Uhr auf und verlässt das Haus eine Stunde später, um den ganzen Tag mit Schule und Nachhilfe zu verbringen.

Wenn er mit seinen Noten nach Hause kommt, kann sich sein Vater meist nicht zurückhalten und schreit ihn an. Er macht Paul Vorwürfe wegen seiner Faulheit und dem Geld, das er „umsonst“ investiert habe. Immer wieder sagt er: „Du wirst es nie zu etwas bringen.“  Nach der Rüge schaut Paul sich im Spiegel an und sagt sich, dass seine Bemühungen wertlos seien, dass er die Schule schmeißen und sein Zuhause so schnell wie möglich verlassen wolle. Bloß weit weg von allem und jedem, besonders von seinen Eltern.

 

Mit Sicherheit ist diese Situation nicht ungewöhnlich und nur ein kleines Beispiel dafür, wozu Schreie und unangebrachte Äußerungen führen können. Wir sollten mehr im Detail betrachten, was ein solches Verhalten anrichten kann, falls es andauernd ist.

  • Der Verstand verarbeitet Informationen, die mit gehobener Stimme übermittelt werden, nicht korrekt. Das, was wir schreiend sagen, verfehlt seinen Zweck, denn es erreicht den Empfänger nicht.
  • Jeder Schrei provoziert Emotionen, und für gewöhnlich sind diese Wut und das Gefühl, fliehen zu müssen. Weit davon entfernt, eine Situation zu lösen, verkomplizieren wir sie mit Schreien umso mehr.
  • Kinder und Jugendliche interpretieren Schreie als eine Art des Hasses, weshalb sie sich abgelehnt und ungeliebt fühlen, wenn ihre Eltern sie auf diese Art behandeln.
Kind denkt über seine Familie nach

Wir kann ich meine Kinder erziehen, ohne zu schreien?

Wir bereits erwähnt, gibt es verschiedene Alternativen zum Schreien. Es gibt Strategien, die uns helfen können, einen reflektierten Dialog aufzubauen, der eine positivere Grundlage für eine gesunde Beziehung zu unseren Kindern ist. Im Folgenden einige grundlegende Methoden:

  • Als erstes müssen wir verstehen, dass Schreie bedeuten, die Kontrolle zu verlieren. So einfach ist das. Wenn wir das Gefühl haben, schreien zu wollen, müssen wir tief durchatmen und kurz reflektieren. Wenn unser erster Impuls ist, einen Dreijährigen wegen seines Wutanfalls anzuschreien, müssen wir innehalten und verstehen, dass wir alles verlieren, wenn wir unsere Stimme heben.
  • Für jedes Verhalten gibt es einen Grund. Das Kind zu verstehen und mit ihm zu fühlen ist notwendig, um Boden zu gewinnen. Dafür brauchst du zwei Dinge: Geduld und Vertrautheit. Einem Kind, welches in einem Wutanfall explodiert, muss von uns beigebracht werden, wie es seine komplexen Emotionen kanalisieren kann.
  • Der Jugendliche, der es gewohnt ist, dass ihm seine Eltern ständig sagen, was er tun soll, sollte danach gefragt werden, was er denkt. Was fühlt er? Was beschäftigt ihn? Jemand, der ihm von Zeit zu Zeit zuhört, kann in dieser schwierigen Phase Balsam für seine Seele sein – und das gilt auch in jedem anderen Alter.
Vater spielt mit Sohn

Um zum Abschluss zu kommen: Kindererziehung ohne Schreie ist vor allem eine persönliche Entscheidung, die den Willen und die tägliche Anstrengung der ganzen Familie voraussetzt. Es sollte außerdem gesagt werden, dass es keinen magischen Trick gibt, der in allen Situationen mit allen Kindern funktioniert.

Jedoch gibt es einige Dinge, die in den meisten Situationen hilfreich sind: Qualitativ hochwertige Zeit miteinander verbringen, verständliche Anweisungen geben, uns selbst in eine Rolle der bedingungslosen Unterstützung begeben oder Kinder dazu ermutigen, Verantwortung entsprechend ihres Alters zu übernehmen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.