Intelligente Menschen haben größere Neuronen

In einer Studie konnte festgestellt werden, dass intelligente Menschen größere Nervenzellen aufweisen. Dies ermöglicht es ihnen, Informationen schneller zu übertragen.
Intelligente Menschen haben größere Neuronen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Gehirnvolumen und Intelligenz? Noch gibt es dafür keine Beweise, doch Wissenschaftler haben festgestellt, dass schlaue Menschen größere Neuronen aufweisen. Dies ermöglicht es ihnen, Informationen schneller zu übertragen und rascher Ideen zu generieren.

Diese Forschungsergebnisse sind irritierend, denn der Zusammenhang zwischen größeren Nervenzellen und besserer intellektueller Leistung scheint reduktionistisch oder vereinfachend zu sein. Intelligenz ist ein sehr komplexer Prozess, sodass es widersprüchlich erscheint, wenn wir uns jetzt auf die Größe konzentrieren müssen. 

Doch Wissenschaftler des Human Brain Project haben festgestellt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Größe der Gehirnzellen und der kognitiven Leistungsfähigkeit von Menschen gibt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, unter anderem auch die Erweiterung der menschlichen Intelligenz im Labor. Sicherlich ein interessanter Aspekt, wobei wir natürlich die ethischen Implikationen nicht vergessen dürfen.

Intelligente Menschen haben größere Neuronen

Intelligente Menschen haben größere Neuronen

Die Studie unter der Leitung von Dr. Natalia Goriounova von der Freien Universität Amsterdam zeigte erstmals, dass die Größe der Gehirnzellen in direktem Zusammenhang mit dem Intelligenzniveau eines Menschen steht. Je größer die Dichte und Konnektivität, desto bedeutender das intellektuelle Potenzial.

Wir wussten bereits, dass das Gehirn etwa 100 Milliarden Nervenzellen umfasst und dass jede dieser Zellen anhand von chemischen Reaktionen und elektrischen Signalen Informationen sammelt, verarbeitet und sendet. Wir kannten ihre Mechanik, aber wir hatten keine soliden Daten, die das Volumen der Gehirnzellen mit der kognitiven Leistung in Verbindung brachten.

Wir hatten zum Beispiel die Daten der Analyse des Gehirns von Albert Einstein, das der Pathologe Thomas Harvey  nach seiner Autopsie im Jahr 1955 gestohlen hatte. Die Untersuchung ergab unter anderem, dass der präfrontale Kortex, der für räumliche Wahrnehmung und mathematisches Denken zuständig ist, stärker entwickelt war als bei anderen Menschen.

Es zeigte sich auch, dass die Gliazellen des Vaters der Relativitätstheorie überdurchschnittlich groß waren. In gewisser Weise hatten wir also schon einige Hinweise, die diese Ergebnisse vorwegnahmen…

Größere Neuronen im frontalen Kortex und Temporallappen

Die Studien der Universität Amsterdam zeigten nicht nur, dass die Nervenzellen intelligenter Menschen größer sind. Die Wissenschaftler konnten auch feststellen, dass in den Bereichen, in denen sich die meisten Gehirnzellen befinden (präfrontaler Kortex und Temporallappen), eine größere Vernetzung vorliegt.

Das heißt, diese Nervenzellen weisen nicht nur ein größeres Volumen auf, sondern auch eine höhere Konnektivität mit einer größeren Anzahl an umliegenden Neuronen. Es sind also auch mehr Synapsen möglich, die einen verbesserten Informationsfluss gewährleisten. Wie das Gehirn von Einstein beweist, ist die Dichte und Größe des frontalen Kortex und des Temporallappens bei schlauen Menschen größer.

Warum haben schlaue Menschen größere Neuronen?

Diese Frage liegt auf der Hand: Haben Menschen mit größeren Nervenzellen bestimmte Gewohnheiten, die das größere Volumen fördern? Kann Training diese Ergebnisse erzielen?

Das Human Brain Project weist darauf hin, dass diese Besonderheit auf genetische Faktoren und Prozesse zurückzuführen ist, die noch nicht vollständig geklärt sind. Die Forscher der Freien Universität Amsterdam analysierten Nervenzellen auf sehr präzise Art im aktiven (also lebenden) Zustand, was ebenfalls sehr interessante Ergebnisse ermöglichte.

Dazu wurde eine Gruppe von Menschen untersucht, die aufgrund eines Tumors oder epileptischer Komplikationen operiert werden mussten. Vor der Operation wurden sie einem Intelligenztest unterzogen, um diejenigen mit höheren intellektuellen Fähigkeiten zu identifizieren. Während der Operation wurden dann kleine Proben aus ihrem präfrontalen Kortex und den Temporallappen entnommen.

Bei dieser Studie waren nicht nur größere Neuronen zu erkennen, sondern auch ein deutlich höheres Aktionspotenzial (elektrische Spannungsänderung bei der Erregung der Nervenzellen). Als nächstes Ziel setzte sich das Forschungsteam, die Gründe zu verstehen, warum intelligentere Menschen größere Neuronen haben. Die Forschungsergebnisse wurden jedoch noch nicht veröffentlicht und es stehen derzeit noch keine wirklich schlüssigen Daten zur Verfügung.

Intelligente Menschen haben größere Neuronen

Welche Auswirkungen könnte diese Entdeckung zukünftig haben?

Werden wir intelligent geboren oder werden wir dank Stimulation und Umgebung zu genialen Wesen? Das ist die ewige Frage, die sich die Wissenschaft über Jahrzehnte hinweg gestellt hat. Heute wissen wir, dass es zwei Arten von Intelligenz gibt: die fluide und die kristalline.

Fluide Denkprozesse sind weitgehend unabhängig von unseren Erfahrungen und werden als genetisch betrachtet. Kristalline Intelligenz beruht hingegen auf die Fähigkeit, gelerntes Wissen und Erfahrungen anzuwenden. Es gibt allerdings keine klaren Grenzen und beide Intelligenzen ergänzen sich.

Doch welche Bedeutung hat es, dass schlaue Menschen größere Neuronen und ein dichteres neuronales Netzwerk haben? Michele Giugliano, Mitautor der erwähnten Studie und Professor an der Universität von Antwerpen, antwortet auf diese Frage prophetisch: Vielleicht werden wir in naher Zukunft in der Lage sein, größere Gehirnzellen mit embryonalen und pluripotenten Stammzellen zu erzeugen. Vielleicht wird es damit möglich sein, Gehirnsubstanz wiederherzustellen, um kognitive Defizite durch Verletzungen oder Demenz zu behandeln. Wir warten bereits gespannt auf weitere Forschungsergebnisse.


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  • Goriounova NA, Heyer DB, Wilbers R, Verhoog MB, Giugliano M, Verbist C, Obermayer J, Kerkhofs A, Smeding H, Verberne M, Idema S, Baayen JC, Pieneman AW, de Kock CP, Klein M, Mansvelder HD. Large and fast human pyramidal neurons associate with intelligence. Elife. 2018 Dec 18;7:e41714. doi: 10.7554/eLife.41714. PMID: 30561325; PMCID: PMC6363383.

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