Elterliches Gaslighting hat schwerwiegende Folgen

Gaslighting ist eine Form der psychischen Misshandlung, die nicht nur in Paarbeziehungen, sondern auch in Familien weitverbreitet ist.
Elterliches Gaslighting hat schwerwiegende Folgen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 03. November 2022

“Wenn Mama schlechte Laune hat, ist es deine Schuld. Du benimmst dich immer daneben”, “Du bist ein Weichling, du hast keine Schmerzen”, “Du machst dir keine Sorgen, das sind Papas Probleme, nicht deine”… Dies sind nur ein paar Beispiele dafür, wie manche Eltern die Identität und Gefühle ihrer Kinder außer Kraft setzen können. Elterliches Gaslighting ist leider ein weitverbreitetes Phänomen. 

Nicht nur in Beziehungen kommt diese Praxis vor, auch innerhalb von Familien handelt es sich um eine stille Realität, die wir täglich beobachten können. Manche Eltern verwenden  ausgeklügelte Manipulationstechniken und schüren damit Ängste und Unsicherheiten, an denen ihre Kinder oft noch im Erwachsenenalter leiden. Es handelt sich um eine offensichtliche Form der psychologischen Misshandlung mit schwerwiegenden Folgen.

Opfer von elterlichem Gaslighting benötigen viele Jahre, um sich dieser Art von Missbrauch bewusst zu werden. Mangelndes Selbstwertgefühl und emotionale Verletzlichkeit sind oft die Folgen einer dysfunktionalen Familie, die sich wie eine Sekte verhält, die die Persönlichkeit ihrer Kinder mit einem Veto belegt und auslöscht.

Es gibt verschiedene Arten von “Gaslighting”, wenn dieses Verhalten jedoch von den Eltern ausgeht, hat es eine chronische Wirkung auf die Identitätsentwicklung und das psycho-emotionale Wohlbefinden des Kindes.

Elterliches Gaslighting hat schwerwiegende Folgen
Es gibt Formen des Missbrauchs, die über Schläge oder Beleidigungen hinausgehen. Verachtung oder emotionale Überlegenheit sind ebenfalls eine Form der Misshandlung.

Elterliches Gaslighting erkennen

Elterliches Gaslighting wird als eine Praxis definiert, bei der eine oder beide Bezugspersonen eines Kindes eine ganz bestimmte Form des emotionalen Missbrauchs betreiben. Sie bringen das Kind dazu, an seinen Gefühlen, an seinem Wesen und sogar an seinen Bedürfnissen zu zweifeln. Erwachsene hinterfragen und manipulieren alles, was ihre Kinder sind, um Macht über sie zu gewinnen.

Der Begriff Gaslighting scheint eine neue Modeerscheinung zu sein, doch in Wahrheit handelt es sich um ein gut erforschtes Phänomen, das unter anderem von der American Psychological Association (APA) definiert wird. Es gibt umfangreiche Forschungsliteratur, die sich mit dieser Manipulationstechnik befasst.

Arbeiten wie die von Dr. Domina Petric erklären zum Beispiel, dass Gaslighter die sogenannte “Knot of Mind Theory” anwenden. In diesen Fällen behindert der Missbraucher das psychologische und emotionale Funktionieren seines Opfers. Er boykottiert sein Opfer bis zu dem Punkt, an dem es an sich selbst zweifelt, wodurch Identität, Wert, Stärken und sogar Bedürfnisse verwischt werden.

Wie kannst du elterliches Gaslighting erkennen?

Hinter dem Gaslighting steht eine dysfunktionale Familie, die von einem oder zwei narzisstischen Elternteilen regiert wird.

1. Deine Eltern entwerten oder erniedrigen dich

Gaslighter entkräften ihre Opfer, um sie zu kontrollieren. Wenn Eltern diese Strategie verfolgen, hat dies tiefgehende Auswirkungen. Die Vorstellung der Kinder, dass ihre Gefühle und Gedanken falsch, unlogisch und unwichtig sind, bleibt bis ins Erwachsenenalter vorhanden.

Folgende Aussagen sind für elterliches Gaslighting charakteristisch:

  • “Du übertreibst.”
  • “Deine Gefühle sind Unsinn.”
  • “Ständig reagierst du sensibel und du bist naiv.”
  • “Du hast keine Ahnung und bist im Leben verloren.”

2. Deine Eltern definieren deine Identität und deine Gefühle

Elterliches Gaslighting drückt sich auch dadurch aus, dass die Eltern für ihre Kinder sprechen und ihnen die Möglichkeit rauben, sich selbst auszudrücken. Die Kinder werden dadurch zu bloßen Marionetten und dies geschieht auch vor anderen. 

Folgende Aussagen beschreiben diese Situation:

  • “Du bist verantwortungsbewusst und bleibst deshalb zu Hause.”
  • “Natürlich bist du immer brav und gehorsam.”
  • “Du liebst Mathe, deshalb liest du keine Comics und verschwendest keine Zeit mit Zeichnungen.”
  • “Es ist nur Müdigkeit, du gehst jetzt schlafen, morgen ist alles wieder gut.”
  • “Du bist nicht traurig. Du machst jetzt die Hausaufgaben und vergisst den Unsinn.”
  • “Wir haben dich nicht verärgert, aber du bist ein ständiger Nörgler.”

3. Instabilität und Widerspruch als ständiges Element

Die Eltern erzeugen durch Verwirrung, Lügen und Frustration ein dysfunktionales und instabiles Umfeld. Ihr Verhalten ist widersprüchlich: An einem Tag gelten gewisse Regeln, am nächsten andere. Heute darf das Kind in den Park, am nächsten Tag erhält es ein Verbot.

Die Inkonsequenz schafft ein chaotisches Substrat, in dem Kinder nicht wissen, woran sie sich festhalten sollen. Sie leben in ständiger Ungewissheit und wissen nicht, ob sie gelobt, zurechtgewiesen oder bestraft werden.

Betroffene müssen sich bewusst werden, dass viele Probleme im Erwachsenenalter auf das elterliche Gaslighting zurückzuführen sind.

Mann in der Therapie: elterliches Gaslighting hat schwerwiegende Folgen
Elterliches Gaslighting führt oft zu einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Elterliches Gaslighting: Was tun?

Der erste Schritt ist, sich darüber bewusst zu werden, dass die Eltern in der Kindheit die beschriebenen Strategien verwendeten, um Kontrolle zu erlangen. Häufig geht die Manipulation auch im Erwachsenenalter weiter. Es gibt jedoch Wege, um dieser Situation zu entkommen.

  • Gaslighting-Opfer weisen meistens verschiedene psychologische Probleme auf, oft liegt eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Betroffene entwickeln ein geringes Selbstwertgefühl und eine instabile Identität.
  • Sie müssen erkennen, dass es sich um eine Form der psychologischen Misshandlung handelt.
  • Der einzige Weg, um die Verletzungen zu heilen und die Kontrolle über das Leben zu erlangen, ist eine Psychotherapie.
  • Zudem ist eine gesunde Distanz zum Gaslighter nötig. Das ist nicht einfach, wenn es sich um die Eltern handelt. Du musst dich auf ihre geschickten Strategien vorbereiten und lernen, Grenzen zu setzen. Es kann nötig sein, den direkten Kontakt abzubrechen, sie seltener zu sehen, nur telefonischen Kontakt zu pflegen oder dauerhaft auf Distanz zu gehen.

Vergiss nicht, dass auch Freunde, Partner oder andere Vertrauenspersonen wichtig sind und dich unterstützen können.


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  • Petric, Domina. (2018). Gaslighting and the knot theory of mind. 10.13140/RG.2.2.30838.86082.
  • Sweet PL. The Sociology of Gaslighting. American Sociological Review. 2019;84(5):851-875. doi:10.1177/0003122419874843
  • Yalom, I. (2012). Love’s Executioner & Other Takes of Psychotherapy. New York, NY: Basic Books

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