Das Koro-Syndrom: Die intensive Angst vor einer Genitalretraktion

Das Koro-Syndrom: Die intensive Angst vor einer Genitalretraktion
Raquel Aldana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Raquel Aldana.

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Das Koro-Syndrom beschreibt die Angst, dass bestimmte erogene Zonen schrumpfen und im Bauchraum verschwinden könnten. Männer mit Koro-Syndrom befürchten, dass ihr Penis kleiner würde oder sogar ganz verschwände, während Frauen, die unter diesem Syndrom leiden, sich um ihre großen Schamlippen, Brustwarzen und Brüste sorgen. Meistens begleiten Gedanken über den eigenen Tod diese Episoden intensiver Angst. Diese Tatsache ermöglicht es uns, zwischen dem Koro-Syndrom und einer körperdysmorphen Störung zu differenzieren.

Diejenigen, die an einer körperdysmorphen Störung leiden, die früher als Dysmorphophobie bezeichnet wurde, sind sehr besorgt über einen oder mehrere wahrgenommene körperliche Mängel bzw. Veränderungen. Das lässt sie glauben, dass sie hässlich, unattraktiv, abnormal oder deformiert aussähen. Auf der anderen Seite konzentrieren sich Menschen, die an einem Koro-Syndrom leiden, auf ihre Todesangst. Sie glauben, dass sie aufgrund ihrer „Deformitäten“ sterben würden, und konzentrieren sich nicht wirklich darauf, wie „hässlich“ ihr Körper oder seine Teile sind.

Zum Glück dauern die Episoden intensiver Angst normalerweise nicht sehr lange an. Darüber hinaus neigen Betroffene dazu, angemessen auf psychologische Therapien zu reagieren. Dennoch stellt es eine enorme Belastung dar und es blieb lange Zeit unklar, woher es überhaupt kommt.

Ein Mann mit Koro-Syndrom steckt den Kopf in den Sand.

Der Ursprung des Koro-Syndroms

Dieses Syndrom ist kulturgebunden und manifestiert sich normalerweise in Gruppen. Es wird vorwiegend in Asien beschrieben, insbesondere in Singapur. Obwohl es seinen Ursprung und seine höchste Inzidenz auf dem größten Kontinent hat, gibt es aber weltweit Fälle des Koro-Syndroms.

Es wird geschätzt, dass das Koro-Syndrom eine starke kulturelle Komponente hat. Aus diesem Grund ist es im Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen im Abschnitt der kulturgebundenen Syndrome gelistet.

Dabei müssen wir zwischen Dhat-Syndrom und Koro-Syndrom unterscheiden. Das Dhat-Syndrom liefert eine kulturelle Erklärung für eine bestimmte Gruppe von Symptomen, die angeblich mit dem Samenverlust einhergehen. Zu diesen Symptomen zählen Angstzustände, eine depressive Stimmung, Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust, Impotenz und andere somatische Beschwerden. Die wesentlichen Merkmale sind Angst und Unbehagen in Bezug auf den Samenverlust, ohne dass eine physiologische Dysfunktion vorläge. In aller Regel sind Männer betroffen; weibliche Patienten zeigen aber ähnliche Symptome und Beschwerden.

Das Dhat-Syndrom wird normalerweise als „weißer Ausfluss, der beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen spürbar ist“ beschrieben. Die Ideen zu dieser Substanz stehen im Zusammenhang mit dem Begriff des Dhatu (Samen), der in der hinduistischen Medizin als eine der sieben wesentlichen Körperflüssigkeiten beschrieben wird.

Dabei ist das Dhat-Syndrom gar nicht so selten: Verschiedene Studien zeigen, dass ein Großteil der indischen Männer, die psychiatrische Zentren wegen sexueller Problemen aufsuchen, dies aufgrund eines Dhat-Syndroms tun.

Männer mit Koro-Syndrom fühlen sich, als würde ein Stück von ihnen fehlen.

Die Menschen verwenden die Beschreibung des Dhat-Syndroms als kulturellen Leitfaden für die lokale klinische Praxis. Dies wurde notwendig, da mehrere Studien gezeigt habe, dass es eine Reihe von kulturellen Überzeugungen gibt, die gesundheitliche und sexuelle Probleme mit dem Samenverlust in Verbindung bringen. Die Prävalenz dieses Syndroms ist deshalb bei jungen Männern der unteren gesellschaftlichen Schichten höher. Es zeigt sich jedoch auch bei Männern mittleren Alters.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Existenz irriger sexueller Überzeugungen zu psychischen Pathologien führen kann. Daher sollten wir auch über den Einfluss nachdenken, den Kultur und Gesellschaft auf andere psychische Probleme wie Angst oder Depression haben könnten.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.