Wilhelm Stekel und seine Perspektive der Psychoanalyse

Wilhelm Stekel hatte eine seltsame Beziehung zu Sigmund Freud und der Psychoanalyse. Erfahre heute Interessantes über diesen österreichischen Arzt.
Wilhelm Stekel und seine Perspektive der Psychoanalyse
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Wilhelm Stekel ist nicht der bekannteste Psychoanalyst, auch wenn dieser österreichische Arzt in den Anfängen der Psychoanalyse eine bedeutende Rolle spielte. Er erblickte 1868 in der rumänischen Stadt Bojan das Licht der Welt. Seine orthodox jüdische Familie widmete sich erfolgreich dem Handel.

Stekel studierte Medizin in Wien und eröffnete dann eine Praxis als Hausarzt. Allerdings hatte er ein besonderes Interesse an geistigen Phänomenen, insbesondere im Zusammenhang mit der Sexualität. In diesem Zusammenhang veröffentlichte er 1895 einen Aufsatz Über Coitus im Kindesalter. Diese Arbeit erregte die Aufmerksamkeit von Sigmund Freud, der die angeborene Intuition und Intelligenz dieses Arztes schätzte.

Stekel war außerdem ein produktiver und lebhafter Schriftsteller.

Das Kennzeichen des unreifen Menschen ist, daß er für eine Sache nobel sterben will, während der reife Mensch bescheiden für eine Sache leben möchte.
Wilhelm Stekel

Wilhelm Stekel und Freud

Wilhelm Stekel wollte von Freud psychoanalytisch therapiert werden. Der berühmte Psychoanalyst behandelte ihn 8 Wochen lang wegen Impotenz. In 48 Sitzungen konnte er seine Symptome nicht überwinden, doch Freud stabilisierte ihn und linderte seine Qualen.

Stekel hatte auch einen pathologischen Zwang zur Masturbation. Tatsächlich schrieb er ein Werk namens Auto-erotism: a psychiatric study of masturbation and neurosis, das erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Das Thema Sexualität weckte seine Neugierde ganz besonders. Deshalb ließ er sich auch von Anfang an für die Psychoanalyse begeistern und wurde nicht nur Freuds Patient, sondern auch sein Schüler.

Wilhelm Stekel nahm die freudschen Thesen mit extremem Sektierertum an. In seiner Autobiografie steht über Freud geschrieben: “Er war mein Christus, ich sein Apostel.” Als der Vater der Psychoanalyse Die Traumdeutung veröffentlichte, schrieb Stekel eine leidenschaftliche Rezension. Er war einer der wenigen, die die Bedeutung dieses Werkes erkannten. In der Folge brachte auch Freud ihm seine Wertschätzung entgegen.

Sigmund Freud, der früher mit Wilhelm Stekel zusammenarbeitete

Eine angespannte Beziehung

Ab 1902 war Wilhelm Stekel bei allen wichtigen Ereignissen der damaligen Psychoanalyse verteten. 1908 veröffentlichte er ein neues Werk mit dem Titel Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung, mit einem Vorwort von Sigmund Freud selbst, der ihn immer “Kollege” nannte.

Stekels Wesensart und seine Handlungen stellten Freud jedoch auf die Probe. Seine Taktlosigkeit und seine “Unanständigkeit” verärgerten ihn. Stekel sprach über seine eigenen Symptome und über Masturbation ohne den geringsten Hinweis auf Selbstzensur. Freud teilte diese Denkweise nicht. Außerdem erzählte Stekel in den Sitzungen der Psychoanalytischen Gesellschaft erfundene Episoden seines Lebens. Da Freud ihn behandelt hatte, wusste er, dass diese Geschichten nicht der Wahrheit entsprachen.

Als Wilhelm Stekel einen Vortrag über das Verhältnis von Namen und Bestimmung schrieb, ging schließlich die Freundschaft auseinander. Stekel sprach darin darüber, wie der Name die Wahl der Arbeit und andere Aspekte im Leben mehrerer Patienten beeinflusst hatte. Freud warf ihm vor, die Namen der betreffenden Patienten veröffentlicht zu haben. Stekel antwortete, dass es keine Rolle spiele, weil alle Fälle frei erfunden seien.

Der Ausschluss Stekels

Nach diesem Vorfall beschloss Freud, Wilhelm Stekel aus seinem Kreis auszuschließen, sowohl beruflich als auch privat. In einem Brief an Carl Jung ging er sogar so weit zu sagen, dass Stekel “ein absolutes Schwein” sei. Freud bat ihn, als Redakteur der Zeitschrift der Psychoanalytischen Gesellschaft zurückzutreten, aber Stekel wollte dies nicht tun. Dann ließ der Vater der Psychoanalyse die meisten seiner Mitarbeiter kündigen und so endete die Beziehung zwischen den beiden für immer.

In seiner Autobiografie behauptete Wilhelm Stekel, dass Sigmund Freud mehrere Konzepte von ihm gestohlen hätte. Er wies darauf hin, dass die Konzepte von Todestrieb und Qualen seine eigene Schöpfung gewesen seien und dass Freud sie kopiert hätte, ohne seine Rolle anzuerkennen.

Im Gegensatz zu anderen Dissidenten der Psychoanalyse versuchte Wilhelm Stekel nicht, eine neue Schule oder Strömung zu gründen. Er blieb den grundlegenden Postulaten der freudschen Psychoanalyse treu, wurde aber gleichzeitig von ihr ausgeschlossen. Seine Werke wurden jedoch in mehrere Sprachen übersetzt und erzielten eine gewisse Wirkung. Er heiratete zweimal, hatte zwei Kinder und nahm sich 1940 das Leben.


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  • Stekel, W. (1961). La voluntad de vivir (No. 04; BF613, S8 1961.).

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