Wie können wir den Tod als Teil des Lebens akzeptieren?

Wie können wir den Tod als Teil des Lebens akzeptieren?

Letzte Aktualisierung: 05. August 2017

Es ist und bleibt paradox, dass es uns so schwerfällt, die sicherste Tatsache des Lebens zu akzeptieren: den Tod. Dass wir alle irgendwann sterben müssen ist Fakt. Niemand kann diesem Schicksal entkommen und trotzdem verbringen wir einen großen Teil unseres Lebens damit, den Tod zu ignorieren. Es gibt sogar Menschen, die jegliche Gedanken an oder Konversation zum Thema Tod vermeiden.

Das war nicht immer so. Im alten Ägypten beispielsweise war das Thema Tod an der Tagesordnung. Pharaonen und hoch angesehene Personen widmeten der Vorbereitung des Todes ebenso viel Zeit wie Sklaven. Es war normal, dass die mächtigen Männer bereits sehr früh ihre Grabstätten sehr prachtvoll gestalten. Sie waren davon überzeugt, dass das Leben nicht mit dem physischen Ableben enden würde.

Schlafe mit dem Gedanken an den Tod ein und erwache mit dem Gedanken daran, dass das Leben kurz ist.

Auch im Römischen Reich gab es eine sehr ähnliche Gewohnheit. Wenn die großen Generale einen militärischen Erfolg erzielt hatten, marschierten sie durch das schönste Tor in die Stadt ein. Dort wurden sie von allen gefeiert. Doch hinter ihnen musste ein Sklave laufen, der stets wiederholte: „Memento mori. Memento mori. Memento mori…“  Das bedeutet in etwa “Erinnere dich daran, dass du sterben wirst.” Sie wollten damit nicht den Moment zerstören, sondern lediglich daran erinnern, dass kein Triumph so groß ist, als dass er über dem Tod stehen könnte.

Der Tod als Wunsch und Ziel

Das Mittelalter war, zumindest in der westlichen Welt, eine Zeit des religiösen Obskurantismus. Damals nahm man an, dass die Welt von Gott erschaffen wurde und dass alles, was auf ihr geschieht, eine göttliche Fügung sei. Der Tod war der Weg hin zur Zusammenkunft mit Gott. Das physische Leben war nur der Beginn dieser endgültigen Existenz.

Eines der bedeutendsten Schriftstücke dieser Zeit zitiert das Gedicht Ich lebe, ohne in mir zu leben  von der Heiligen Teresa von Ávila. Der erste Vers besagt: „Ich lebe, ohne in mir zu leben, und auf diese Weise hoffe ich, dass ich sterbe, weil ich nicht sterbe.“ Dieses Gedicht verdeutlicht die Vorstellung vom Tod als anstrebenswertes Ziel, als Wunsch.

Der Tod war also eine Realität, die man voll und ganz annahm. Man akzeptierte ihn als eine Tatsache, akzeptierte, dass es notwendig war, über ihn zu sprechen und ihn als allgegenwärtiges Thema zu behandeln. Dazu gesellte sich noch eine symbolische Erklärung und darauf sollte sich der Mensch vorbereiten.

Der Tod und die Moderne

Die Moderne brachte eine neue Blüte der Wissenschaft. Leonardo Da Vinci, einer der weisesten Menschen jener Zeit, wagte es, Autopsien durchzuführen. Damit begann das Bild des Heiligenscheins, der auf dem toten Menschen ruhte, zu bröckeln.

So kamen auch andere Ärzte und Wissenschaftler zusammen, die einen Frontalangriff gegen den Tod starteten. Das Thema wurde auf einmal für die Wissenschaft interessant. So bestand das Ziel nun darin, das Leben zu verlängern, denn es wurde fortan als höchstes Gut gesehen. Darüber hinaus fand man heraus, dass das menschliche Wesen ein Säugetier war, dass eine Evolution durchlaufen hatte und nicht an einem Tag erschaffen wurde. Es unterlag, wie alles andere auch, den Gesetzen der Biologie.

Einige Denker glaubten nun nicht mehr an Gott und somit nicht mehr an die Möglichkeit, dass es noch etwas anderes als das physische Leben gäbe. Vertreter verschiedener philosophischer Richtungen drückten dies auch aus, aber damit entstand auch eine enorme Frustration dem Leben gegenüber. Der Nihilismus und die Existenzphilosophie sind zwei dieser Philosophien. Wer sich dieser Denkweisen annahm, vertrat eine Einstellung, die zwischen Desillusion und Kritik debattiert wurde.

Wie wir dem Tod heutzutage gegenüberstehen

Wir sehen uns einer technischen Revolution gegenüber, wie es sie zuvor noch nie gegeben hat. Nach und nach schreiten wir tiefer hinab in die Welt des Vergänglichen, in diese Wegwerfgesellschaft, in der die Lebensdauer von Produkten sehr kurz ist, in der alles nur deshalb ein Ende findet, um wieder von vorn beginnen zu können. Der Gedanke an den Tod löst sich in Rauch auf.

Die Sorgen des Menschen, der auf zwei Füßen steht, beginnt zu verschwinden. Die Zeit des Nachdenkens ist vorbei und wurde durch Arbeit und Termine ersetzt. Es wird nur gerade einmal noch darüber nachgedacht, wie die kommende Stunde organisiert wird. Es scheint, als wäre der Tod zu einer katastrophalen Überraschung geworden, der die Realität überfällt.

Die Ablehnung dem Tod gegenüber ist so stark, dass viele sich sogar dagegen sträuben, Trauer zu fühlen, wenn sie aufkommt. Man versucht, „der Trauer schnell zu entkommen“ und wieder zur Routine, zu seinen alltäglichen Sorgen zurückzukehren. Der Tod wird als fremde und weit entfernte Realität angesehen.

Viele Menschen fragen sich: „Und was nützt es mir, über den Tod nachzudenken und ihn als unvermeidbare Tatsache zu akzeptieren?“  Die Antwort finden wir in Krankheiten wie der Depression, in Angstzuständen oder dieser Intoleranz, die sich in unserem Leben breitmacht, ohne dass wir wissen, wieso. Um zu lernen, das Leben zu leben, kommen wir vielleicht nicht daran vorbei, das Nichts, den Tod zu akzeptieren. Wenn wir uns der Tatsache bewusst werden, dass alles irgendwann endet, tauchen eventuell wirklich wichtige Gründe auf, dem heutigen Tag – vielleicht der letzte, den wir haben – einen Sinn zu geben.

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Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung von Three Sisters, Eris Carslon


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