Wenn man uns sagt: "Ich weiß, wie du dich fühlst"
Dass uns jemand sagt “Ich weiß, wie du dich fühlst”, mag auf den ersten Blick wie eine Geste der Empathie erscheinen. Aus psychologischer Sicht betrachtet, ist dies jedoch nicht immer der Fall. In der Tat können wir uns nicht die emotionale Realität vorstellen, die eine andere Person gerade durchmacht; daher ist es immer besser, zuzuhören und zu kommunizieren, dass wir der Nähe sind und versuchen, Unterstützung zu leisten.
Es mag ironisch erscheinen, doch etwas, das sehr häufig auftritt ist, dass wir selbst nicht einmal wissen, wie wir uns eigentlich fühlen. Wenn uns also jemand, schon fast wie ein Slogan, sagt, dass er genau wisse, was wir durchmachen, entspricht das schlicht nicht den Tatsachen. Nicht alle von uns sind Experten im beratenden Bereich und die wenigsten sind Meister psychologischer Strategien. Dennoch ist es üblich, dass wir diesen Ausdruck hören oder gar selbst gebrauchen.
Wir erleben solche Situationen vor allem mit den Menschen, die uns am nächsten sind. Ebenso ist es üblich, dass Eltern diesen Ausdruck verwenden, wenn sie mit ihren Kindern sprechen. Wenn sie dies tun und sagen “Ich weiß, wie du dich fühlst”, werden die Gefühle des Kindes aber häufig abgewertet. Es ist dann nicht mehr in der Lage, mit seinen eigenen Worten sagen, was in ihm vorgeht.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen ein einzigartiges Universum ist. Einige dieser Universen sind von chaotischen Systemen geprägt, mit kleinen schwarzen Löchern, die keiner von uns auf den ersten Blick sehen kann …
“Du musst dir darüber klar sein, wer du bist, und sagen, was du fühlst; denn diejenigen, die sich darüber aufregen, sind nicht wichtig, und jene, denen es wichtig ist, regen sich nicht auf.”
Fritz Perls
Wenn man uns sagt “Ich weiß, wie du dich fühlst” und man uns doch nicht versteht
Wir Menschen haben mehrere schlechte Angewohnheiten. So neigen wir dazu, Dinge als gegeben zu betrachten, anstatt sie zu hinterfragen. Das liegt daran, dass wir oft solche Phrasen verwenden, anstatt den emotionalen Zustand der anderen Person zu analysieren. Das spart Zeit und bedeutet weniger kognitiven Aufwand.
Wenn uns zum Beispiel einer unserer Arbeitskollegen erzählt, dass er einen schlechten Tag mit seinem Partner gehabt habe, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir mit der Phrase “Ich weißt, wie du dich fühlst” reagieren. Wir glauben, mit diesem Satz Empathie auszudrücken und eine Verbindung zu der anderen Person herzustellen. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass das emotionale Gewebe dieser anderen Person nie das gleiche wie unseres sein wird. Keine innere Realität ist wie eine andere.
Darüber hinaus sind wir in solchen Situationen weit davon entfernt, die Realität des anderen ganz und gar wahrzunehmen; denn was wir eigentlich tun, ist, deren Realität mit der unseren zu validieren. Und dies ist etwas, das niemandem weiter hilft.
Wir Menschen haben eine natürliche Neigung, uns mit anderen zu verbinden, doch wir machen das nicht immer gut
Eine Studie, die an der University of Virginia (Virginia, USA) von den Doktoren Lane Beckes und James A. Coan durchgeführt wurde, zeigte sehr interessante Resultate. Das menschliche Gehirn weist eine Reihe von neuronalen Mustern auf, die ausschließlich der Verbindung mit anderen Menschen dient. Oft nutzen wir diese in einer solchen Intensität, dass wir den gleichen Schmerz wie unser Gegenüber fühlen können.
Doch “zu fühlen, was der andere fühlt” erlaubt uns nicht immer, die Realität des anderen zu verstehen. Eine Mutter kann für ihren Sohn leiden, ohne genau zu wissen, was los ist. Ein Freund kann für den anderen leiden, ohne zu wissen, was der eigentlich durchmacht. Daher ist es besonders wichtig, sich auf korrekte Art und Weise – und insbesondere respektvoll – zu verbinden.
Zu sagen “Ich weiß, wie du dich fühlst” ist keine angebrachte Strategie.
Was ist der beste Weg, sich mit jemandem zu verbinden, der eine schlechte Zeit durchmacht?
Ganz egal, ob es sich um ein Kind, einen Teenager, unseren besten Freund oder um einen Fremden handelt, wir sollten den Satz “Ich weiß, wie du dich fühlst” so weit wie möglich vermeiden. Denn wir sollten schlicht nicht davon ausgehen, dass eine andere Person exakt das gleiche durchmacht wie wir, auch wenn wir uns in einer ähnlichen Situation befinden.
Ein Beispiel. Im Zuge einer von den Ärzten Klaus R. Scherer und Agnes Moors durchgeführten Studie an der Universität Genf (Schweiz) wurde ein etwas eigenartiges Experiment realisiert: 3000 Erwachsenen, die stichprobenartig ausgewählt wurden, wurde dieselbe Frage gestellt: Wie würdest du dich fühlen, wenn du zwei Freunde hören würdest, die schlecht über dich sprechen?
Sehr auffallend war, dass bei den Probanden bis zu 14 verschiedene Arten von Emotionen identifiziert werden konnten. Es gab Menschen, die sich vor allem wütend fühlten. Andere waren beschämt und enttäuscht. Wieder andere fühlten sich schuldig oder einsam und einige sagten sogar, dass es ihnen gleichgültig sei, denn wer hinter ihrem Rücken spreche, sei ganz einfach kein Freund mehr.
Vor diesem Hintergrund schauen wir uns nun an, durch welche Alternativen wir “Ich weiß, wie du dich fühlst” ersetzen können.
Ausdrücke, um “Ich weiß, wie du dich fühlst” zu ersetzen
In erster Linie ist es entscheidend, zu wissen, wen wir vor uns haben. Wir dürfen nie vergessen, dass bestimmte Ausdrücke und Wörter Wände entstehen lassen können.
- Wir sollten folgende Ausdrücke vermeiden: “Das ist nicht so schlimm, ich habe das auch schon durchgemacht”, “Du denkst von allem immer das Schlechteste”, “Du musst deinen Fokus ändern” usw.
- Anstelle von “Ich weiß, wie du dich fühlst” könnten wir sagen: “Erkläre mir, wie du dich fühlst!”
- Wir müssen verstehen, dass es nicht einfach ist, zu beschreiben oder auszudrücken, was tief in unserem Inneren vorgeht. Emotionen sind komplex, chaotisch und sie zu akzeptieren ist etwas, das Zeit braucht. Was die andere Person am nötigsten braucht, ist, sich sicher zu fühlen und auf Unterstützung zählen zu können.
Manchmal ist ein “Ich bin hier bei dir” hilfreicher als alles andere. Schlussendlich geht es immer darum, präsent zu sein und ein angenehmes Klima der Nähe zu kreieren, in dem wir nichts für selbstverständlich halten, in dem wir keine Sanktionen aussprechen oder Urteile fällen, geschweige denn, uns über den anderen stellen.
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- Klaus R., y Scherer, AM (2019) El proceso de la emoción: evaluación de eventos y diferenciación de componentes. Revisión anual de psicología 70: 1