Transgenerationale Traumata: Schweigen macht krank!

Das transgenerationale Trauma bezieht sich auf schmerzhafte Erfahrungen, die ein bestimmtes Mitglied einer Generation erlebt und nicht verarbeitet hat. Es kann dieses dann an die nächste Generation weitergeben.
Transgenerationale Traumata: Schweigen macht krank!
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2023

Zwar wurden transgenerationale Traumata bereits in der Psychoanalyse thematisiert, doch neue neurowissenschaftliche Studien haben neue Ergebnisse erzielt, die bestätigen, dass Traumata, die nicht verarbeitet wurden, an die nächste Generation als Muster weitergegeben werden können.

Dies bedeutet, dass genetische Information unter anderem durch Erfahrungen, Gefühlszustände und Verhaltensweisen wie Stress oder Umweltbelastungen aktiviert werden kann oder nicht. Außerdem hemmen oder fördern Missbrauch, posttraumatischer Stress und ähnliche Erfahrungen die Expression bestimmter genetischer Informationen.

Jeder Mensch wird mit einer phylogenetischen (stammesgeschichtlichen) Prägung geboren, die sein Leben wesentlich beeinflussen kann. Dieser Einfluss kann über Krankheiten hinausgehen. Ein unterdrücktes Trauma eines Vorfahren kann das Verhalten einer Person stark beeinflussen. Diese Person kann unter anderem besonders empfindlich auf Frustration reagieren oder ohne Grund extrem ängstlich sein.

Das Ignorieren des Schmerzes vertieft ihn sogar. Was vor den Augen verborgen wird, nimmt oft an Intensität zu.

Mark Wolynn

transgenerationale Traumata

Transgenerationale Traumata

Eine der Grundlagen der transgenerationalen Übertragung von Traumata bietet die Arbeit von Sigmund Freud. Er skizzierte bereits einige der heutigen Ansätze, entwickelte sie aber nicht weiter.

Nicolas Abraham, Mária Török, Françoise Dolto, Anne Ancellin Shützenberger und Didier Dumas analysierten mehrere Fälle psychischer Störungen bei Kindern. Sie entdeckten, dass bestimmte Ausprägungen ebenfalls bei ihren Eltern und Großeltern vorhanden waren, das bedeutet, dass Kinder möglicherweise die emotionale Last ihrer Vorfahren tragen.

Später kam die Idee der “transgenerationalen Vererbung” auf. Es geht darum, dass unbewusste Inhalte, insbesondere verdrängte Konflikte, von Generation zu Generation weitergegeben werden, solange bis jemand sie schließlich auflöst. Solche Konflikte zeigen sich bei den Nachkommen durch bestimmte Symptome.

Transgenerationale Traumata: Schweigen macht krank!

Wenn ein Familienmitglied ein traumatisches Ereignis nicht richtig verarbeitet, kann es die angestauten Emotionen unbewusst auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Schweigen macht also nicht nur die Person selbst, sondern möglicherweise auch ihre Nachfahren krank. Betroffene empfinden oft Leere oder die Unfähigkeit, sich anzupassen und Frieden zu finden.

Transgenerationale Traumata verursachen Scham, Leid und Verdrängung. Die Betroffenen können aus verschiedenen Gründen nicht darüber sprechen. Sie verdrängen das Trauma, das zum Tabuthema wird, über das niemand sprechen darf. Dieses Schweigen führt in der zweiten Generation ebenfalls zu verdrängten Emotionen. Betroffene fühlen es, wissen es jedoch nicht einzuordnen. Es handelt sich um ein unbewusstes Erbe.

In der dritten Generation wird das Unbenennbare zum Undenkbaren. Die Person weiß, dass es in ihrem Bewusstsein ist. Sie kann jedoch nicht darauf zugreifen. Es gibt also keine Möglichkeit, ihm eine verbale oder symbolische Darstellung zu geben. Was passiert also?

Transgenerationale Traumata und ihre Auswirkungen

Das transgenerationale Trauma wirkt sich auf die zwei nachfolgenden Generationen aus. In der dritten Generation verwandelt sich das Verdrängte in ein “taubes” Leiden. Es führt zu elementarem Unbehagen, bis sich die betroffene Person davon lösen kann.

Die schwere Last treibt sie irgendwann dazu, das Schweigen zu brechen. An diesem Punkt entwickelt sich ein unstimmiger Diskurs. Denn das ist die einzig mögliche Art, sich auf das Undenkbare zu beziehen. Betroffene können nicht darüber sprechen, aber sie wissen, dass es da ist, und fühlen das Gewicht. Den Zusammenhang verstehen sie jedoch nicht. Manchmal äußert sich das Trauma dann als Psychose oder schwere Krankheit.

transgenerationale Traumata

Wiederholung

Das verdrängte Trauma kehrt nicht in seiner ursprünglichen Form zurück, doch es wiederholt sich in Handlungen, für die es keine Worte gibt.

Diese Wiederholung nimmt fünf Formen an:

  • Reine Wiederholung: Die Ereignisse wiederholen sich auf dieselbe Weise. Zum Beispiel war dein Großvater ein Verbrecher und ohne zu wissen warum, begehst du ebenfalls ein Verbrechen.
  • Wiederholung durch Interpretation: Die Person erlebt das ursprüngliche Ereignis aufs Neue. Ein Beispiel dafür wäre, wenn deine Großmutter ein (provoziertes) Schädel-Hirn-Trauma hatte und du an Migräne leidest.
  • Wiederholung durch Identifikation: Die Manifestation eines Zustands wiederholt sich. Zum Beispiel war dein Großvater ein Alkoholiker, dein Vater hatte Leberprobleme und du leidest an Hepatitis.
  • Wiederholung durch Opposition: Hier wird das Gegenteil von dem wiederholt, was passiert ist. Zum Beispiel war deine Großmutter ein Opfer einer Vergewaltigung, also hast du keinen Sex.
  • Wiederholung durch Kompensation: Der Versuch, das Geschehene zu reparieren. Ein Beispiel: Dein Großvater starb unter seltsamen Umständen durch die Hand von Kriminellen und du wirst Gesetzeshüter.

Es gibt nicht genügend Informationen über die transgenerationale Weitergabe von Traumata. So geht es beim aktuellen Wissenstand oft um Spekulationen, da dies noch ein relativ neues und unerforschtes Gebiet ist. Letztendlich kann jeder seine Familiengeschichte erforschen und wertvolle Hinweise finden, die ihm helfen können zu verstehen, warum er sich vielleicht auf eine bestimmte Art und Weise verhält.


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  • NICOLÒ, A. M. (2007). La familia y sus ancestros. Rev. Int. de Psicoanálisis de Pareja y Familia, (1), 3-8.


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