Religion ist ein Rätsel, das unser Verstand erklären kann

Wir leben in einer Welt, die von Religion und Spiritualität geprägt ist. Schauen wir uns die Auswirkungen auf die Gesellschaft an.
Religion ist ein Rätsel, das unser Verstand erklären kann
Roberto Muelas Lobato

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Roberto Muelas Lobato.

Letzte Aktualisierung: 07. Dezember 2023

Religion entstand als eine uralte Notwendigkeit, Unverstandenes zu erklären, und sie ist es bis heute geblieben, ohne Anzeichen dafür, dass sie bald aussterben würde. Wenn wir in die Geschichte schauen, können wir sehen, dass jede Religion in unzähligen Variationen existiert hat. Einige Veränderung erwiesen sich als wegweisend für ihre zukünftige Entwicklung, z. B. die Geburt der monotheistischen Religionen, die sich auf einen einzigen Gott beziehen.

Auch die Götter haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert und viele verschiedene Namen und Formen angenommen. Es gibt Götter, von denen man sich kein Bild machen darf, und andere, die fantastische Formen haben. Diese Formen sind manchmal sogar mit den Körpern von Tieren vergleichbar.

“Empfiehl dich Gott von ganzem Herzen; Er regnet oft Seine Barmherzigkeit nieder, wenn die Hoffnung am trockensten ist.”

Miguel del Cervantes

Auch die Religion hat es geschafft, sich zu institutionalisieren. Die Menschen haben in ihrem Namen soziale Einrichtungen geschaffen, die Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit anbieten oder verbessern sollen. Das Negative daran ist, dass es in ihrem Namen auch viele große Kriege gegeben hat. Die Menschen haben zahlreiche Verbrechen und Ungerechtigkeiten begangen, die sie mit heiligen Texten rechtfertigen – und sie tun es noch.

Erklärungen

Es gibt viele Erklärungen, die die Menschen gegeben haben, um die Geburt und das Fortdauern der Religion im Laufe der Jahrhunderte zu begründen. Eine der interessantesten Erklärungen ist, dass sie dem Zweck diene, Antworten auf Fragen zu geben, die wir allein nicht beantworten können. Aber es gibt auch andere Ansätze.

Zwei geöffnete Hände vor der Sonne

Hier folgen einige Versuche, das Entstehen und Fortdauern von Religionen zu erklären:

  • Der oben erwähnte Ansatz beruht darauf, dass Religion als Erklärung für natürliche Phänomene dienen kann, die sich die Menschheit anders nicht erklären kann. Es gibt einige Phänomene, die für uns schwerer zu erklären sind, wie Regen und Donner und Naturkatastrophen. Dann sind es also die Götter, die die Phänomene verursachten, die die Menschen nicht rational erklären können.
  • Unter dem Einfluss von Drogen. Menschen, die halluzinogene Substanzen einnehmen, haben ungewöhnliche Visionen, die sie schließlich als Botschaften aus dem großen Jenseits interpretieren können. Schamanen und Hexen verwenden Drogen, um den Göttern näherzukommen und mit ihnen zu kommunizieren, bevor sie Entscheidungen treffen. Vielleicht haben sie diese Drogen nicht immer mit der Absicht genommen, Halluzinationen hervorzurufen. So kann man sich erklären, weshalb sie ihre Erlebnisse über göttliche Fügungen interpretierten.
  • Die letzte Erklärung besagt, dass Religion als kognitive Anpassung entstanden sei. Das sind mentale Funktionen, Prozesse und Zustände. Sie ermöglichen das Verstehen, Schlussfolgern, Planen und die Entscheidungsfindung. Dies ist einer der meist akzeptierten Theorien im Bereich der Religionstheorie.

Auf Götter vertrauen wir

Nach einem Buch von Scott Attran versuche Religion, Gene, die für bestimmte Verhaltensweisen, Mimik und Imitation prädisponieren, fortzutragen. Religion ist keine Doktrin oder Institution, ja sie ist nicht einmal ein Glaube. Laut Attran existiere Religion im menschlichen Geiste, wenn es um Neugierde auf das Leben geht, wie Geburt, Alter und Tod, aber auch Liebe.

Um diese Perspektive zu verstehen, muss man sich bewusst machen, dass religiöse Lehren oft gegen die menschliche Intuition verstoßen. Da sind zum Beispiel die Opfergaben, denen manche Religionen einen hohen Stellenwert einräumen. Der einen oder anderen Religion zu folgen, kann sehr kostspielig sein und zuweilen sogar Leben kosten. Wenn wir die positiven und negativen Eigenschaften der Religion abwägen, kommt die Waage vielleicht ins Gleichgewicht. Das bedeutet, dass die Menschen ihre Religion wahrscheinlich nicht nur aufgrund eines damit verbundenen Nutzens wählen.

“Der Mensch findet Gott hinter jeder Tür, die die Wissenschaft öffnen kann.”

Albert Einstein

Paar vor Sonnenuntergang

Stattdessen können wir die Religion als eine nicht-adaptive Konsequenz des adaptiven Strebens der menschlichen Kognition verstehen. Das heißt, Religion ist eine Anpassung auf kognitiver Ebene. Aber an und für sich bedeutet sie keine bessere Anpassung, wenn wir Kosten und Nutzen betrachten. Religion ist, wie andere kulturelle Phänomene auch, das Ergebnis einer Begegnung von kognitiven, verhaltensbezogenen und physischen Faktoren. Sie rührt zudem von den Grenzen in unseren Köpfen her.

Psychologische Fähigkeiten, die Religion schaffen

Religion beruht auf bestimmten psychologischen Fähigkeiten, die uns an die Lebensbedingungen anpassen lassen:

  • Primäre und sekundäre affektive Programme: Die Emotionen, die wir fühlen, und wie wir sie interpretieren, haben einen direkten Einfluss auf unsere Interaktionen mit anderen Menschen. Der Glaube führt dazu, dass wir unserer Gruppe gegenüber andere affektive Reaktionen zeigen als gegenüber anderen Gruppen. Diese Art, Emotionen in Abhängigkeit vom Gegenüber auszudrücken, kommt unserer Entwicklung zugute, denn sie bringt soziale Vorteile für die Gruppe, der wir angehören.
  • Soziale Intelligenz: Das Zusammenleben in der Gruppe ebnet den Weg für verschiedene Handlungen, die zum Schutz der Gruppe dienen. Wenn die Gruppe soziale Intelligenz entwickelt, kann sie deshalb eher überleben.
  • Kognitive Module: Das sind die mentalen Rahmenbedingungen, die unsere Interpretation von Handlungen und Ritualen regeln. Die Menschen verstehen, rechtfertigen und akzeptieren diese Module durch Religion. Irgendwann erscheinen die Rituale anderer Religionen seltsam und unverständlich, weil sich andere Gruppen in eine andere Richtung entwickelt haben.

Als Menschen haben wir die Tendenz, eine Ursache für Handlungen und Geschehen zu suchen, wo es keine gibt. Zum Beispiel beruht unser Glaube an das Übernatürliche auf derselben kognitiven Anpassung wie der unserer Vorfahren an verschiedene Götter. Sie interpretierten das Geräusch einer Brise, die einen Busch schüttelte, als Ankündigung eines Säbelzahntigers. Diese Interpretation war nützlich, weil sie den Menschen half, zu überleben. In diesem Sinne ist der Glaube ans Übernatürliche auch nur ein Nebenprodukt der Evolution, auch wenn wir seinen Sinn bisher nicht erfassen können.

Unter diesem Gesichtspunkt ist Religion das Werkzeug, mit dem unser Verstand alle Ereignisse, derer Ursachen wir uns nicht sicher sind, plausibel interpretiert.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.