Online-Glücksspiel, die stille Sucht

Die Online-Spielsucht entwickelt sich schleichend und im Stillen, doch die Auswirkungen sind für Betroffene und ihr gesamtes Umfeld oft drastisch.
Online-Glücksspiel, die stille Sucht
José Padilla

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen José Padilla.

Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2022

Es beginnt harmlos mit einem Glücksspiel in einem Online-Casino, vielleicht aus Langeweile, weil du in einer Lebenskrise steckst oder weil du dich einsam fühlst. Die Sucht entwickelt sich schleichend, du verspürst immer häufiger den Drang zu spielen, bis du schließlich dein Umfeld und dich selbst vernachlässigst. Das Online-Glücksspiel ist eine stille Sucht, die anfangs oft unerkannt bleibt, jedoch enorme finanzielle, emotionale und familiäre Folgen haben kann.

Nicht alle Online-Spieler entwickeln Suchtverhalten, doch bestimmte Voraussetzungen und Umstände bewirken, dass manche Menschen gefährdeter sind als andere. 

Online-Glücksspiel, die stille Sucht

Das pathologische Glücksspiel

Die Spielsucht äußert sich durch den unkontrollierbaren Drang, sich mit Computerspielen, Glücksspielen oder Gewinnspielen zu unterhalten. Es handelt sich um eine Impulskontrollstörung, die durch biologische, psychologische und soziale Faktoren entsteht.

Die Prävalenz beträgt bei Erwachsenen etwa 1,1 bis 1,6 %, wobei mehr Männer davon betroffen sind. Die Spielsucht beginnt oft in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter und entwickelt sich schleichend. Es können auch andere psychiatrische Probleme vorliegen, unter anderem Stimmungsstörungen (20-55,6 %), Substanzkonsum (35-76,3 %) und andere Impulskontrollstörungen. Betroffene sind auch gefährdeter für Suizidversuche.

Diagnostische Kriterien für pathologisches Glücksspiel

Das DSM-5 besagt, dass eine Person an dieser Störung leidet, wenn sie vier oder mehr der folgenden Kriterien innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten erfüllt:

  • Betroffene investieren immer mehr Geld, da das Spiel sonst an Reiz verliert.
  • Sie experimentieren bei dem Versuch, mit dem Glücksspiel aufzuhören, Reizbarkeit, Unruhe und Nervosität.
  • Betroffene versuchen, sich zu kontrollieren oder einzuschränken, bleiben jedoch erfolglos.
  • Die Gedanken kreisen ständig um das Spiel.
  • Spielsüchtige spielen besonders häufig, wenn sie sich traurig, hilflos, einsam, ängstlich oder deprimiert fühlen. Sie spielen, um ihre Probleme zurückzulassen und Erleichterung zu finden.
  • Viele spielen weiter, um ihre Geldverluste auszugleichen, verlieren jedoch immer noch mehr.
  • Sie belügen sich selbst und andere, um das Ausmaß und die Konsequenzen ihrer Sucht zu verbergen.
  • Spielsüchtige verlieren durch ihre Sucht häufig ihren Job, Beziehungen und Freundschaften.
  • Sie versuchen, sich Geld auszuleihen, das sie jedoch nicht verwenden, um Schulden zu begleichen, sondern um weiterspielen zu können. Sie können sich auch in illegale Angelegenheiten verstricken, um sich Geld zu verschaffen.

Online-Glücksspiel, die stille Sucht

Das Internet ist für Spielsüchtige eine unwiderstehliche Versuchung, der sie versteckt nachkommen können, ohne aufzufallen. Die Suchtgefahr ist hier besonders hoch, einige Gründe dafür sind:

  • Online-Plattformen bieten Diskretion und einen einfachen Zugang.
  • Es ist sehr einfach und bequem, auf solche Plattformen zuzugreifen, denn sie können von zu Hause aus genutzt werden.
  • Beim Online-Glücksspiel gibt es kaum ein Bewusstsein für Geld, da es virtuell ist und mit Kreditkarte bezahlt wird.
  • Da die Verstärkung nur gelegentlich erfolgt, hält das Verhalten länger an und die Sucht wird stärker.

Das Profil war bei Glücksspielen früher das eines Mannes zwischen 30 und 40 Jahren, der Geld gewinnen oder seine Verluste wieder ausgleichen wollte. Inzwischen sind es vorwiegend Menschen zwischen 15 und 35 Jahren, die im Online-Glücksspiel versuchen, ihrer Realität zu entkommen. Bei Frauen beginnt die Spielsucht meist erst ab 35 oder 40, entwickelt sich jedoch schneller (Castilla et al., 2013).

Online-Glücksspiel: die Konsequenzen

Die Online-Spielsucht wirkt sich nicht nur auf die betroffene Person, sondern auch auf die Familie und andere nahestehende Personen negativ aus. Spielsüchtige weisen häufig psychiatrische Probleme auf und verschulden sich hoch. Um ihre Schulden zu bezahlen, lassen sie sich oft auf illegale Geschäfte oder kriminelle Aktivitäten ein. Sie zerstören damit ihre Beziehungen, häufig kommt es auch zu häuslicher Gewalt. Kinder von Spielsüchtigen haben außerdem ein erhöhtes Risiko für Verhaltensstörungen, Depressionen und Drogenmissbrauch.

Frau spielt Online-Glücksspiel

Behandlungsmöglichkeiten

Mehrere Literaturübersichten weisen darauf hin, dass psychologische Interventionen bei dieser Sucht am wirksamsten sind und sowohl kurz- als auch langfristig  deutliche Verbesserungen erzielen können (Cowlishaw et al., 2012; Rash und Petry, 2014). Meistens reicht eine ambulante Therapie, doch es kann auch eine stationäre Behandlung nötig sein. Es bieten sich sowohl Einzel- als auch Gruppentherapien. Zusätzlich sind Selbsthilfegruppen vorteilhaft.

Die kognitive Verhaltenstherapie ist sehr wirksam, da die Patienten ihre kognitiven Verzerrungen erkennen können und lernen, Verhaltensmuster zu verändern. Die Dauer der Therapie hängt von den individuellen Umständen und der Schwere möglicher Begleiterkrankungen ab. Ziele sind unter anderem, die Auslöser zu erkennen, alternative Reize im Leben zu finden, ein gesundes Gefühlsmanagement und einen besseren Umgang mit Geld zu entwickeln.

Um eine erhöhte Prävalenz der Online-Spielsucht zu vermeiden, sind außerdem präventive Maßnahmen dringend nötig.  Hier erhalten Betroffene Hilfe.


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