Liebe und Hass in einer Beziehung

Liebe und Hass teilen sich die gleiche Gehirnregion. Das erklärt, warum du manchmal die Person hasst, die du von ganzem Herzen liebst. Es ist eine emotionale Erfahrung, die ganz normal ist, gleichzeitig jedoch auch erstaunlich.
Liebe und Hass in einer Beziehung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Es gibt Zeiten, in denen du deinen Partner gleichzeitig zu lieben und zu hassen scheinst. Dieser Widerspruch mag dich zum Verzweifeln bringen. Wie können sich so widersprüchliche Gefühle wie Liebe und Hass in einer Beziehung zeitgleich äußern? Wissenschaftliche Erkenntnisse erklären, dass dies ganz normal ist.

Viele kennen dieses Gefühl, doch meist denken wir dabei an all die Augenblicke, in denen wir auf unseren Partner oder unsere Partnerin wütend waren. Ein hitziger Streit, ein Missverständnis oder die Konfrontation der Charaktere können kurzzeitig diese widersprüchlichen Gefühle auslösen.

Allerdings kommt es auch immer wieder vor, Liebe und Hass zu empfinden, ohne dass Ärger oder Missverständnisse im Spiel sind. Oft reicht der Gedanke, dass das Leben als Single weniger kompliziert wäre, oder dass die Beziehung zu viele Opfer fordert. Dies bedeutet nicht, dass du deine Entscheidungen oder deine Situation bereust. Wir analysieren nachfolgend, wie es zu diesem paradoxen Gefühl kommen kann.

“Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, es ist Gleichgültigkeit.”

Elie Wiesel

Liebe und Hass in einer Beziehung

Liebe und Hass in einer Beziehung

Wenn du Liebe und Hass gleichzeitig empfindest, musst du wissen, dass diese emotionale Erfahrung ein ganz normales Phänomen ist. Diese Gefühle können bei allen Menschen, die uns wichtig sind, entstehen. Du liebst deine Eltern und deine Kinder über alles, doch es gibt Zeiten, in denen sie dich in den Wahnsinn treiben. Wir alle kennen diese Situationen.

In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, emotionale Intelligenz zu entwickeln. Du musst lernen, widersprüchliche Gefühle zu akzeptieren, sie sind Teil deines emotionalen Repertoires. Dieses komplexe Geflecht aus gegensätzlichen und chaotischen Empfindungen, Wahrnehmungen und Gefühlen macht uns menschlich.

Nur im Märchen lieben sich die Charaktere konstant bis in die Ewigkeit. Im wirklichen Leben erleben wir Widersprüche, Konflikte, existenzielle Höhen und Tiefen, die gleichzeitig einen Lernprozess darstellen.

Die feine Linie im Gehirn zwischen Liebe und Hass

Eine Studie des University College London machte 2009 eine aufschlussreiche Entdeckung. Als sie die neuronalen Korrelate von Hass untersuchten, entdeckten sie, dass die romantische Liebe dieselben Regionen mit dieser Emotion teilt. Diese Bereiche sind der zerebrale Subcortex, das Putamen und die zerebrale Insula.

Semir Zeki, ein Neurobiologe und Autor der Studie, erklärt, dass wir zwar immer davon ausgehen, dass Hass eine negative Emotion ist, die unterdrückt werden sollte, aber in Wahrheit haben Liebe und Hass einige neurologische Strukturen gemeinsam. Die neurologische Erregung, die sie auslösen, ist sehr intensiv, und weil sie in denselben Gehirnbereichen verarbeitet werden, können wir beide Gefühle für jemanden gleichzeitig empfinden.

Wir sollten uns daran erinnern, dass wir uns manchmal sogar selbst hassen können. Der Mensch ist von diesem ständigen Widerspruch geprägt, der von Zuneigung zu Enttäuschung, von Leidenschaft zu Abneigung reicht, aber das sind in der Regel einmalige, flüchtige Erfahrungen, die die eigene Identität oder das Selbstwertgefühl nicht verändern.

Liebe und Hass zur gleichen Zeit: der Schmerz der kognitiven Dissonanz

Du stellst vielleicht selbst dein psychologisches Gleichgewicht infrage, wenn du Liebe und Hass gleichzeitig spürst. Der Grund dafür ist, dass wir das Bedürfnis haben, dass unsere Gedanken und Überzeugungen kohärent sind.

Wenn du eine gewisse Ablehnung oder Wut gegenüber der von dir geliebten Person empfindest, gerätst du in einen Konflikt. In der Folge entsteht Angst, eine kognitive Dissonanz. Die innere Unausgeglichenheit entsteht durch die widersprüchlichen Gefühle.

Du musst solche Situationen rationalisieren und die widersprüchlichen Gefühle akzeptieren. Eine weitere Tatsache ist, dass ambivalente Gefühle in Beziehungen flüchtig sind. Normalerweise siegt die Liebe. Die Emotion des Hasses geht vorbei, wie Rauch, der durch ein offenes Fenster entweicht…

Liebe und Hass in der Beziehung

Wir sind nicht perfekt

Wenn du gleichzeitig Liebe und Hass empfindest, wirst du dir bewusst, dass dein Partner oder deine Partnerin nicht so perfekt ist, wie du anfangs dachtest. Doch auch du selbst bist nicht perfekt. Wir alle haben unsere eigenen Persönlichkeiten, Macken, Tugenden und Fehler und manchmal kommt es zu Zusammenstößen. Du entdeckst dich auf dem gemeinsamen Weg auch selbst, und hast die Möglichkeit, kleine Ungereimtheiten zu beheben und die wertvolle Harmonie wieder herzustellen.

Letztendlich bedeutet Liebe, in einem emotionalen Riesenrad zu leben, das von Bewunderung zu Zwietracht, von Faszination zu Routine, von Illusion zur Gewohnheit führt. Aber es gibt Aspekte, die immer überwiegen (oder überwiegen sollten): Zuneigung, Verständnis, Fürsorge, Empathie… Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass nichts den Menschen so sehr definiert wie die punktuelle Ambivalenz, der flüchtige Widerspruch…


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    • Brogaard, B. (2017). “The Rise and Fall of the Romantic Ideal,” In R. Grossi & D. West (eds.), The Radicalism of Romantic Love: Critical Perspectives (pp. 47-63). Taylor and Francis.
    • Zeki S. & Romaya J. (2008). “Neural Correlates of Hate”, PLoS ONE 3: e3556

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