Kontextuelle Psychologie: Was ist das und welche Arten von Therapien gibt es?

Die kontextuelle Psychologie versucht nicht, ein Symptom zu heilen oder zu beseitigen, sondern die Lebenssituation der Person in Bezug auf deren Kontext zu verbessern. Finde heraus, wie dieser Ansatz funktioniert.
Kontextuelle Psychologie: Was ist das und welche Arten von Therapien gibt es?
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 03. November 2022

Wenn du eine psychologische Beratung in Anspruch nimmst, ist es wichtig, dass du dir über den Ansatz des Therapeuten beziehungsweise der Therapeutin im Klaren bist. Die Psychologie ist eine heterogene Wissenschaft, die verschiedene Ansätze mit ihren eigenen Konzepten und Techniken umfasst. Obwohl zahlreiche Studien ihre Wirksamkeit belegen, kam die kontextuelle Psychologie in den letzten Jahren relativ selten zum Einsatz. Erfahre heute Spannendes über diese Richtung.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Psychologie von einer philosophischen Grundlage zu einer empirischen und pragmatischen Disziplin entwickelt. In dieser Zeit traten verhaltenstherapeutische und kognitive Therapien in den Vordergrund. Heute gelten die sogenannten Therapien der dritten Generation (oder kontextuelle Therapien) als eine der besten Alternativen, die eine ganzheitlichere Sicht auf die Person einnehmen.

Was ist die kontextuelle Psychologie?

Die kontextuelle Psychologie betrachtet die Person immer im Zusammenhang mit deren Umgebung und Umfeld. Sie berücksichtigt den soziokulturellen und kommunikativen Kontext der Person und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Lebenssituation und die Verbindung zur Umwelt wichtig sind, um Veränderungen zu verstehen und zu erreichen.

Dies steht im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die sich auf das spezifische Symptom und dessen Veränderung konzentrierten. Der Fokus lag hauptsächlich auf der Person, deren Gedanken, Verhaltensweisen und Reaktionen, aber die Bedeutung des globalen Kontextes, in den der Betroffene eingebettet war, wurde nicht hervorgehoben.

kontextuelle Psychologie in der Praxis
Die Grundlage dieser Art von Therapie ist der funktionale Kontextualismus.

Hauptmerkmale der kontextuellen Psychologie

Die kontextuelle Psychologie zeichnet sich durch folgende Elemente aus:

  • Wenn wir ein Problem, ein Unbehagen oder einen Trend analysieren, müssen wir uns die Funktion ansehen, die diese erfüllen. Das heißt: Was sind die Auswirkungen, Folgen oder Ergebnisse, die daraus resultieren?
  • Menschen stellen mentale Assoziationen zwischen verschiedenen Aspekten der Realität her – Assoziationen, die mit zunehmendem Alter immer komplexer werden und die unsere Art, die Welt zu sehen und zu verstehen, begründen. Wenn diese Verbindungen zu starr oder unpraktisch sind, entstehen Schwierigkeiten.
  • Sie fördert das werteorientierte und zielgerichtete Arbeiten, unabhängig von dem Problem oder der Krankheit, die dich plagt.
  • Das Ziel ist nicht, das spezifische Symptom zu lösen, sondern die Lebenssituation der Person und die Beziehung zu deren Umwelt zu verbessern.
  • Die Sprache erhält große Bedeutung, da du damit deine Erfahrungen modulierst.
  • Die Beziehung zwischen Therapeut und Patient spielt eine wichtige Rolle bei der Veränderung.
  • Die Validierung und Legitimierung von Symptomen sowie die Förderung eines besseren Verständnisses der Symptome ist ein zentraler Bestandteil.
  • Die Akzeptanz und die Änderung der Sichtweise auf das Problem werden gefördert, anstatt dieses abzulehnen und zu versuchen, Unannehmlichkeiten um jeden Preis zu vermeiden.

Welche Arten von Therapien kennt die kontextuelle Psychologie?

Die kontextuelle Psychologie versucht nicht, “fehlerhaftes” Verhalten zu heilen oder zu korrigieren. Der Ausgangspunkt ist, dass jede Person kohärent nach ihrem Kontext handelt und von diesem bestimmt wird. Es geht also um einen Perspektivwechsel, der es uns ermöglicht, mit dem, was wir erleben, in Frieden zu sein, anstatt dagegen anzukämpfen.

Innerhalb dieses Ansatzes gibt es verschiedene Therapien, die auch als “Therapien der dritten Generation” bezeichnet werden. Obwohl es viele Varianten gibt, sind die folgenden einige der bekanntesten und relevantesten:

Achtsamkeit

Achtsamkeit ist mehr eine Praxis oder Technik als eine Therapie. Sie kann auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Es geht darum, sich durch verschiedene Übungen auf die Gegenwart zu konzentrieren, um Akzeptanz zu lernen und die Präsenz zu beobachten. Durch regelmäßiges Üben können wir die Art und Weise verändern, wie wir Ereignisse wahrnehmen, Emotionen erleben und reagieren.

Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)

Die Grundlage dieser Therapie ist es, sich den eigenen Gedanken, Emotionen und Empfindungen zu öffnen und diese inneren Elemente zu erleben, ohne zu versuchen, diese zu beseitigen. Indem wir uns einfach mit diesen Elementen verbinden, gelingt es uns, sie neu zu kontextualisieren, und sie hören auf, Unbehagen zu erzeugen.

Andererseits fördert die Therapie das Engagement, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, im Einklang mit den eigenen Werten zu handeln.

Dialektische Verhaltenstherapie

Diese Alternative wurde für den Umgang mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt. Sie basiert auf dem Training sozialer Fähigkeiten, um Beziehungen zu verbessern und die Emotionen richtig zu regulieren.

Kontextuelle Psychologie in der Praxis
Die dialektische Verhaltenstherapie wurde von Marsha Linehan entwickelt.

Funktionalanalytische Psychotherapie

Dieser Ansatz beschäftigt sich mit allem, was im Beratungssetting und in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut passiert. Es ist die Beziehung selbst (und der klinische Kontext), die genutzt wird, um “klinisch relevante Verhaltensweisen” hervorzurufen, d. h. Wahrnehmungen, Emotionen oder Verbalisierungen mit großer Bedeutung, an denen der Patient arbeitet, um Veränderungen zu erreichen.

Kurz gesagt, die kontextuelle Psychologie fördert eine ganzheitliche und integrale Sichtweise der Person in Bezug auf deren Umgebung. Sie analysiert diese und arbeitet kontextbezogen und nicht isoliert. Außerdem hat sich dieser Ansatz bei der Behandlung verschiedener psychischer Störungen als wirksam erwiesen, und seine Bedeutung wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiter zunehmen.


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