Introvertiert und hochsensibel: Welche Unterschiede gibt es?

Um das ganze Potenzial auszuschöpfen, ist es wichtig, nicht gegen die eigene Natur zu rudern, sondern Einklang zu erreichen und die besonderen Fähigkeiten kraftvoll einzusetzen. 
Introvertiert und hochsensibel: Welche Unterschiede gibt es?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022

Die Unterschiede zwischen introvertiert und hochsensibel sind deutlich, auch wenn es Gemeinsamkeiten gibt. Viele Menschen zeichnen sich durch beide Eigenschaften aus, wie unter anderem aus Studien von Elaine Aron hervorgeht. Es handelt sich um einzigartige Persönlichkeitsprofile, die ein besonderes Potenzial aufweisen.

Der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung definierte Introversion und Extraversion und führte sie als wichtigste Faktoren in seine Persönlichkeitspsychologie ein. Die Interpretation dieser beiden Dimensionen ist jedoch häufig noch immer fehlerhaft, denn sie schließen sich gegenseitig nicht aus. Niemand ist in allen Lebensbereichen vollständig extrovertiert oder introvertiert. 

Jonathan Cheek, ein Experte in der Persönlichkeitspsychologie, der 2011 an der Universität Texas eine Studie durchführte, kam zu dem Schluss, dass es innerhalb der Introversion bis zu vier verschiedene Typologien gibt. Wir haben die Tendenz, Begriffe und Etiketten zu schaffen, die nicht immer zutreffend sind.

Die menschliche Persönlichkeit und ihr Verständnis ist ein ebenso komplexes wie spannendes Feld. Die psychologische Wissenschaft versucht seit den 1930er-Jahren, entsprechende Grundlagen zu schaffen. Seit der Veröffentlichung des Werks “Werden der Persönlichkeit” (1936) von Gordon Allport haben wir einen langen Weg zum Verständnis der Persönlichkeit zurückgelegt. Heute beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Unterschiede es zwischen introvertiert und hochsensibel gibt.

“Ich möchte, wie jeder andere auch, glücklich sein. Aber ich muss auf meine Weise glücklich sein.”

Jane Austen

Introvertiert und hochsensibel: Welche Unterschiede gibt es?

Die Unterschiede zwischen introvertiert und hochsensibel

Introvertiertheit und Hochsensibilität treten oft gemeinsam auf, dies muss jedoch nicht der Fall sein. Genauso wenig wie alle Introvertierten schüchtern sind, sind alle hochsensiblen Menschen introvertiert oder umgekehrt. Hochsensible Personen können auch extrovertiert sein.

Dies ist beispielsweise häufig bei Aktivisten, Anwälten oder Sozialarbeitern zu beobachten. Sie setzen sich für andere ein, leiden jedoch häufig an einem Empathie-Burnout. Sie haben das Bedürfnis, mit Menschen in Kontakt zu sein, sind aber nicht in der Lage, den emotionalen Schmerz anderer herauszufiltern.

Wir betrachten anschließend die Unterschiede zwischen introvertiert und hochsensibel etwas genauer.

Was bedeutet introvertiert?

Bücher wie “Still: Die Kraft der Introvertierten” von Susan Cain helfen uns, diesen Persönlichkeitstyp besser zu verstehen. Viele der darin erwähnten Daten sind den Erkenntnissen von Hans Jürgen Eysenck sehr ähnlich. Dieser britische Psychologe war ein Pionier der Persönlichkeitsforschung und ging davon aus, dass Introvertiertheit durch genetische Faktoren zu erklären ist.

Es gibt also biologische Faktoren, der introvertierten Menschen gemeinsam sind. Ein Beispiel dafür ist, dass das Gehirn eines introvertierten Menschen bei sozialer Interaktion nicht unbedingt Dopamin produziert. Ein Gespräch kann deshalb ab einem bestimmten Punkt anstrengend sein. Auch eine Party kann ab einer gewissen Schwelle keinen Spaß mehr bereiten, sondern erdrückend sein. Oft haben introvertierte Personen dann den Wunsch, allein zu sein.

Introvertierte Menschen tun sich zum Teil schwer damit, sich in ihre Umgebung einzufühlen. Sie können keine emotionale Verbindung mit ihren Mitmenschen aufbauen und haben auch kein Interesse daran.

Ein weiterer Unterschied zwischen introvertiert und hochsensibel ist, dass introvertierte Menschen in bis zu vier Typologien eingeteilt werden können:

  • Ängstliche Introvertiertheit (leiden an Stress und Angstproblemen)
  • Soziale Introvertiertheit (vermeidet bestimmte soziale Kontexte aufgrund von persönlicher Unsicherheit)
  • Denkende Introvertiertheit (sehr introspektive, kreative und verträumte Menschen)
  • Zurückhaltend Introvertiertheit (distanzierte, kalte und analytische Profile)

Was bedeutet hochsensibel?

Hochsensibilität kann sowohl bei introvertierten als auch bei extrovertierten Menschen vorhanden sein. Experten weisen darauf hin, dass sie bei rund 20 Prozent der Bevölkerung auftritt. Hochsensible Personen sind an folgenden Eigenschaften zu erkennen:

  • Sie verarbeiten die Realität auf eine andere Art und Weise. Hochsensible Menschen erleben alle Wahrnehmungen mit größerer Intensität.
  • Lichter, Geräusche, Temperatur und viele andere Reize können sehr störend oder sogar schmerzhaft sein.

Studien wie die von Dr. Bianca P. Acevedo vom Department of Psychological and Brain Sciences der Universität von Kalifornien weisen auf Folgendes hin:

  • Hochsensible Menschen haben eine stärkere Aktivierung der Hirnregionen, die für Aufmerksamkeit, Bewusstsein, Empathie und sensorische Informationen zuständig sind.
  • Sie leiden stärker unter Enttäuschungen, unter der Last der Lügen und Täuschungen anderer Menschen.
  • Außerdem verbinden sie sich intensiv mit den emotionalen Realitäten anderer.
Introvertiert und hochsensibel?

Introvertiert oder hochsensibel?

Wenn Betroffene die Unterschiede und Schattierungen dieser beiden Eigenschaften verstehen, können sie sich ihre eigenen Reaktionen und Verhaltensmuster besser erklären. Hochsensible Menschen erleben alles intensiver, was das Leben im Allgemeinen komplizierter macht.

Auch folgende Aspekte sind zu berücksichtigen.

  • Bei Introvertiertheit können Extreme zu ernsthaften Einschränkungen führen. Wir sprechen von ängstlichen Introvertierten, die täglich mit ihren Unsicherheiten und Sozialkontakten Schwierigkeiten erleben.
  • Der andere Aspekt hat mit der hohen Sensibilität zu tun. Oft wirken Narzissten auf diesen Persönlichkeitstyp anziehend. Narzisstische Menschen nutzen ihr Einfühlungsvermögen und ihre Sensibilität zu ihren eigenen Gunsten aus.

Wenn wir mögliche Schwachstellen unserer Persönlichkeit erkennen, können wir daran arbeiten und unser ganzes Potenzial ausschöpfen. Dabei ist es wichtig, nicht gegen die eigene Natur zu rudern, sondern Einklang zu erreichen und die besonderen Fähigkeiten kraftvoll einzusetzen.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Aron, Elaine (2006) El don de la Alta sensibilidad. Obelisco
  • Cain, Susan (2012) El poder de los Introvertidos. RBA
  • Jung, Carl Gustav (2013). Obra completa de Carl Gustav Jung. Volumen 6. Tipos psicológicos. Madrid: Editorial Trotta.

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.