Ghosting: Warum jemand ohne Erklärung verschwindet

Was geht in den Köpfen derjenigen vor, die eine Beziehung beenden, ohne etwas zu sagen? Ist es Narzissmus? Möchten sie eine Konfrontation vermeiden? Die Wahrheit ist, dass es manchmal Gründe gibt, die wir nicht ganz verstehen können. Finde es heraus!
Ghosting: Warum jemand ohne Erklärung verschwindet
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 01. Mai 2023

Ghoster verschwinden einfach aus deinem Leben, wenn sie sich nicht mehr für dich interessieren. Sie antworten nicht mehr, brechen den Kontakt in den sozialen Netzwerken ab und verhalten sich so, als ob sie nie existiert hätten. Personen, die Ghosting praktizieren, verschwinden spurlos – ohne jede Erklärung.

Es handelt sich um eine sehr verbreitete Praxis, die in jeder Art von Beziehung vorkommen kann. Studien, wie die von LeFebvre u. a. (2019) und Timmermans u. a.(2020), zeigen, dass zwischen 60 und 70 % der Erwachsenen bereits eine Erfahrung dieser Art gemacht haben. Experten weisen darauf hin, dass dieses Verhalten in der Regel in kurzfristigen Beziehungen auftritt, in denen es nicht immer eine klare Verpflichtung gibt. Das rechtfertigt aber natürlich nicht die Tat selbst.

Wir stellen uns heute die Frage, was in dem Kopf eines Ghosters vorgeht.

Im Allgemeinen praktizieren eher die Menschen Ghosting, die einen vermeidenden Bindungsstil haben und keine emotionale Nähe mögen.

Frau ist Oper eines Ghosters
Immer mehr Menschen werden Opfer eines Ghosters.

Was kennzeichnet Ghoster?

Die meisten kennen ein Opfer eines Ghosters: Eine Freundin oder ein Freund lernt über eine Dating-App jemanden kennen und beginnt eine Beziehung und ganz plötzlich verschwindet diese Person wieder aus ihrem Leben, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sie taucht unter – ohne jede Erklärung oder Abschied.

Das Phänomen des Ghosting ist eine zweispurige Straße: Viele Opfer werden irgendwann selbst zu Tätern. Sie wissen, dass ihr Verhalten großes Leid verursacht, tun es aber trotzdem. Wieso tun sie das? Was geht in den Köpfen dieser Personen vor?

Vermeidende Bindung

Der Bindungsstil einer erwachsenen Person entwickelt sich bereits in der Kindheit. Menschen mit einer vermeidenden Bindung werden häufiger zu Ghoster. Wir haben es mit Persönlichkeiten zu tun, die schlecht mit emotionaler Vertrautheit umgehen können und denen es nur selten gelingt, tiefe und dauerhafte Beziehungen aufzubauen. Sie ziehen es vor, Verpflichtungen und emotionale Nähe zu meiden, weshalb ihre Beziehungen auch sehr zerbrechlich sind.

Persönlichkeit der dunklen Triade

Ein Ghoster könnte auch ein Persönlichkeitsprofil der dunklen Triade haben. Studien, wie die von Jones und Paulhus (2014), erinnern uns daran, dass diese Menschen Züge von Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie aufweisen. In bestimmten Fällen haben wir es mit Männern und Frauen zu tun, die andere nur instrumentalisieren.

Sie gehen in der Regel eine Freundschaft oder eine Beziehung ein, um Vorteile daraus zu erlangen. Sobald sie kein Interesse mehr haben oder wenn du ihnen nicht mehr nützlich bist, verschwinden sie einfach. Wichtig ist dabei, dass diese Menschen ein sehr geringes Einfühlungsvermögen haben.

Sie bevorzugen Beziehungen von kurzer Dauer

In dieser Gesellschaft, die von Unmittelbarkeit und zerbrechlichen Bindungen dominiert wird, ist es üblich, dass Beziehungen nur von kurzer Dauer sind. Nicht jeder will eine Freundschaft oder eine Paarbeziehung pflegen. Viele suchen nach sofortiger Verstärkung, die Interessen ändern sich schnell und was nicht gefällt, wird verworfen und ersetzt. Ghoster ziehen es oft vor, ihr Leben nicht zu verkomplizieren und bewegen sich daher nur in ihrem Eigeninteresse.

Wenn du dich wie ein Ghoster verhältst, vermeidest du nicht nur Konflikte, Kommunikation und Konfrontationen, sondern auch die Entwicklung deines Selbstbewusstseins. 

Schlechte Kommunikation und das Vermeiden von direkter Konfrontation

Ghoster sind auf psychologischer Ebene unreif, es fehlt ihnen an emotionaler Intelligenz. Sie wissen nicht, wie sie sich durchsetzungsfähig ausdrücken und vermeiden daher Konfrontationen um jeden Preis. Verschwinden ist immer leichter, als jemandem sagen zu müssen, dass man kein Interesse mehr an einer Beziehung hat.

Es fehlt ihnen an Selbstbewusstsein und an der Fähigkeit, über ihr eigenes Handeln nachzudenken. Für sie wird es immer besser sein, aus einem Impuls heraus zu handeln, statt innezuhalten und nachzudenken.

Ghoster
Viele Ghoster gehen davon aus, dass das Opfer weiß, was passiert und versteht, dass sie keine Beziehung mehr möchten.

Ghoster glauben, dass ihre Praktiken normal sind

Die Rolle der neuen Technologien hat Ghosting für so manche zu einer normalen Praxis gemacht. Es ist nicht nur eine schnelle Strategie, um Beziehungen abzubrechen. Es handelt sich auch um eine Form der verdeckten Kommunikation: Wenn ich dir nicht antworte, kannst du davon ausgehen, dass ich dich aus meinem Leben gestrichen habe, weil ich nicht mehr an dir interessiert bin.

Kann Ghosting in bestimmten Situationen zulässig sein?

Oft wird behauptet, dass es Ghoster an ausreichenden sozialen und emotionalen Fähigkeiten fehlt. Wir bezeichnen sie als unreif und empathielos. Doch gibt es auch Situationen, in denen Ghosting zulässig ist?

Die Wahrheit ist: Ja. Es gibt Beziehungen, in denen man Grenzen und Veränderungen von einer bestimmten Person verlangt. Wenn eine Freundschaft oder Partnerschaft missbräuchlich ist und es keine Anzeichen dafür gibt, dass sich das Verhalten bessert, ist das Verschwinden ein akzeptabler Ausweg. Wenn Strategien wie Kommunikation und durchsetzungsfähige Forderungen ausgeschöpft sind, gibt es keinen anderen Ausweg als zu gehen und die Bindung auf diese Art zu lösen.

Nachrichten oder Anrufe zu ignorieren, ist ein Akt der geistigen Gesundheit für all diejenigen, die aus schädlichen Beziehungen herauskommen wollen. In diesem Fall sprechen wir von Survival Ghosting – und daran ist nichts verwerflich.


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    • Jones, D. N., & Paulhus, D. L. (2014). Introducing the short dark triad (SD3) a brief measure of dark personality traits. Assessment, 21, 28-41.
    • LeFebvre, L. E., Allen, M., Rasner, R. D., Garstad, S., Wilms, A., & Parrish, C. (2019). Ghosting in emerging adults’ romantic relationships: The digital dissolution disappearance strategy. Imagination, Cognition and Personality, 39, 125-150.
    • Jonason, P. K., Kaźmierczak, I., Campos, A. C., & Davis, M. D. (2021). Leaving without a word: Ghosting and the Dark Triad traits. Acta Psychologica, Advanced online publication.
    • Freedman, G., Powell, D. N., Le, B., & Williams, K. D. (2019). Ghosting and destiny: Implicit theories of relationships predict beliefs about ghosting. Journal of Social and Personal Relationships, 36, 905-924.
    • Timmermans, E., Hermans, A. M., & Opree, S. J. (2020). Gone with the wind: Exploring mobile daters’ ghosting experiences. Journal of Social and Personal Relationships, Advanced online publication.

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