"Es ist nur zu deinem Besten" - Warum moralisierende Sprache schadet

Hinter Phrasen wie "es ist zu deinem Besten" verbirgt sich oft eine Form der passiv-aggressiven Manipulation.
"Es ist nur zu deinem Besten" - Warum moralisierende Sprache schadet
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 29. Januar 2023

Moralisierende Sprache ist eine Art, anderen zu sagen, was sie zu tun haben. Die typische Bemerkung der Eltern “Es ist nur zu deinem Besten” klingt wahrscheinlich vielen noch in den Ohren. Dahinter verbergen sich keine schlechten Absichten, ganz im Gegenteil: Die Eltern versuchen, ihr Kind davon zu überzeugen, dass sie das Richtige für es tun, ganz nach dem Motto: “Mama weiß, was das Beste für dich ist.” Wir alle kennen diese Situationen.

Auch im Erwachsenenalter begegnen wir Menschen, die glauben, dass “Es ist nur zu deinem Besten” tatsächlich überzeugend klingt. Sie versuchen damit, uns zu manipulieren oder verbergen dahinter ihre Lügen. Niemand mag diese entwertenden Phrasen, die davon ausgehen, dass wir nicht selbst denken oder entscheiden können. Die Manipulation spricht viele Sprachen.

Menschen, die moralisierend sprechen, sehen sich selbst als Träger der universellen Wahrheit.

Frau beschwert sich über moralisierende Sprache
Viele Menschen versuchen, unser Verhalten durch moralisierende Sprache zu konditionieren.

“Es ist zu deinem Besten”: Was verbirgt sich hinter diesem Ausdruck?

Wie hast du dich als Kind gefühlt, wenn du “es ist zu deinem Besten” hörtest? Oft entsteht dadurch ein Gefühl des Unbehagens, denn der Satz drückt aus, dass jemand Autorität über dich hat und dir moralisierende Ratschläge gibt. Auch wenn es Kinder stören kann, glauben sie ihren Eltern, die in der Regel tatsächlich das Beste wollen. Aber Erwachsene? Vielleicht kannst du den Rat akzeptieren, wenn er von einem engen Freund kommt, es gibt immer Ausnahmen. Doch in vielen Fällen richtet die moralisierende Sprache Schaden an. 

Wir können sie immer wieder in missbräuchlichen Beziehungen beobachten. Es gibt Paare, die solche sprachlichen Mittel einsetzen, um die andere Person zu beherrschen. Sie kann sich auch in narzisstischen Familien manifestieren, die versuchen, ihre Kinder zu kontrollieren.

Es gibt Menschen, welche die moralisierende Sprache einsetzen, um andere zu kontrollieren.

Die Moralisierungslücke: eine raffinierte Strategie

Steven Pinker ist ein renommierter Experimentalpsychologe, Kognitionswissenschaftler und Linguist an der Universität Harvard. Eines seiner interessantesten Bücher ist Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit. In diesem Werk spricht er über die Geschichte der Gewalt und darüber, wie diese Dimension im Laufe der Jahrzehnte abzunehmen scheint.

Trotzdem nutzen wir weiterhin indirekte Ressourcen, die ebenso gewalttätig sind. Steven Pinker spricht von einer Moralisierungslücke, wenn Menschen sich bemühen, ihr gutes Gesicht zu zeigen, obwohl sie in Wahrheit Schaden anrichten. Ein Beispiel ist, wenn Eltern ihre Kinder “zu ihrem eigenen Besten” überbehüten, Initiativen bestrafen und den Prozess der Autonomie behindern. Dieses moralisierende, aber schädliche Verhalten zeigt sich auch bei denen, die ihren Partner wiederholt betrügen und es vorziehen, ihm “zu seinem Besten” nichts zu sagen, damit er nicht leidet.

Manipulativ-moralisierende Kommunikation

Es gibt viele Möglichkeiten, Kontrolle und Herrschaft über andere auszuüben. Die häufigste Art, andere zu manipulieren, ist die moralisierende Sprache. Das ist ein Weg, der anderen Person zu zeigen, dass sie die Wahrheit nicht kennt.

Sich eine überlegene Position anzumaßen, entwertet die andere Person und gibt ihr zu erkennen, dass sie selbst keine guten Entscheidungen treffen kann. “Hör auf mich und kündige, es ist zu deinem Besten”, “Glaub mir, es ist besser, wenn du diese Freundschaft zurücklässt” oder “Ich tue das zu deinem Besten, damit du dir keine Sorgen machst und siehst, wie sehr ich dich liebe” sind einige Beispiele.

Die manipulativ-moralisierende Kommunikation versucht, die Autonomie und Reaktionsfähigkeit zu hemmen. Es ist eine passiv-aggressive Strategie, bei der jemand versucht, Schutzengel zu sein, um die Kontrolle über unser Leben zu übernehmen.

Frau nutzt moralisierende Sprache
Manche Freunde versuchen, uns zu manipulieren, indem sie uns glauben machen, dass sie bestimmte Dinge zu unserem eigenen Wohl tun.

Was können wir in solchen Situationen tun?

Wenn jemand die Phrase “es ist zu deinem Besten” fallen lässt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er zu seinem eigenen Besten handelt. Das Problem ist, dass diese Art der Kommunikation eher in sehr engen Beziehungen vorkommt: in Paarbeziehungen, in der Familie oder in Freundschaften. Forschungen der Universität von Granada (Spanien) zeigen auf, dass Frauen diesen Ausdruck öfter hören. Es gibt eine sexistische Konnotation, die zu Ausdruck bringt, dass Frauen geschützt werden müssen oder keine Entscheidungen treffen können.

Was tun in solchen Situationen? Bringe die Person, die “zu deinem Besten handelt”, dazu, über ihren Ratschlag nachzudenken. Frage sie, warum der Vorschlag in deinem Interesse liegt. Du kannst so Fehler in der Logik finden, mit der diese Person handelt, und ihre wahren Absichten erkennen.

Nur du selbst bist für deine Handlungen und Entscheidungen verantwortlich. Im Erwachsenenalter solltest du dich nicht bevormunden lassen und keine moralisierende Sprache akzeptieren. Distanziere dich am besten von Menschen, die versuchen, dich zu beherrschen und zu manipulieren.

Literaturempfehlung


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  • Moya, Miguel & Glick, Peter & Expósito, Francisca & de Lemus, Soledad & Hart, Joshua. (2007). It’s for Your Own Good: Benevolent Sexism and Women’s Reactions to Protectively Justified Restrictions. Personality & social psychology bulletin. 33. 1421-34. 10.1177/0146167207304790.
  • Steven Pinker, The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined, vol. 75, (New York: Viking, 2011), p. 490.
  • Jason B. Whiting and Jaclyn D. Cravens, “Escalating, Accusing, and Rationalizing: A Model of Distortion and Interaction in Couple Conflict,” Journal of Couple & Relationship Therapy (2015): 1-26.

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