Der Dritte Ort (Third Place): Die Bedeutung von Gemeinschaftsräumen in der Gesellschaft

Dritte Orte ermöglichen uns bereichernde Gespräche und Erfahrungen. Sie geben uns das Gefühl der Zugehörigkeit und verbinden uns mit anderen Menschen. Erfahre mehr darüber!
Der Dritte Ort (Third Place): Die Bedeutung von Gemeinschaftsräumen in der Gesellschaft
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 08. April 2023

Die meisten Menschen verbringen am Arbeitsplatz und zu Hause die meiste Zeit. Es gibt jedoch noch einen anderen, grundlegenden Raum, der uns gemeinsame Erfahrungen und ein angenehmes Zugehörigkeitsgefühl vermittelt: Der Dritte Ort (engl. Third Place oder auch Great Good Place) ist ein relevanter Treffpunkt, der im Alltag Ausgleich zwischen dem Zuhause und dem Arbeitsplatz ermöglicht. Das kann ein Café, ein Biergarten, ein Friseur oder eine Bibliothek sein.

Der Soziologe Ray Oldenburg beschrieb diese Idee in seinem Buch The Great Good Place¹: Es handelt sich um Orte, an denen das öffentliche Leben stattfindet. Wir sind uns meistens nicht darüber bewusst, wie wichtig diese Räume sind und wie viele Funktionen sie erfüllen. Wir laden dich heute ein, mit uns darüber nachzudenken, damit die in Zukunft die Dritten Orte bewusst aufsuchen und genießen kannst.

Der Dritte Ort: Räume, in denen das Gemeinschaftsleben stattfindet

Oldenburg definiert in seinem Buch drei Haupträume, in denen sich das tägliche Leben abspielt:

  • das Zuhause, wo das Familienleben stattfindet und wir uns an die von uns festgelegten Normen halten;
  • der Arbeitsplatz, an dem wir uns beruflich entwickeln und an die Unternehmensregeln halten und
  • der Dritte Ort, über den wir anschließend ausführlicher sprechen.

Am Dritten Ort findet das Gemeinschaftsleben statt: Wir kommen hier zusammen, um soziale Beziehungen zu pflegen und uns mit unseren Mitmenschen auszutauschen. Trotz finanzieller, kultureller oder sozialer Diskrepanzen sind diese Räume heilsam und fördern die Resilienz. Cafés, Bibliotheken, Friseursalons, Parks oder andere Dritte Orte haben alle folgende Gemeinsamkeiten:

  • Sie werden in erster Linie von Menschen frequentiert, die sich an diesen Orten regelmäßig treffen. Man begegnet hier also immer wieder bekannten Gesichtern und kann Erfahrungen austauschen.
  • Der Dritte Ort dient der sozialen Interaktion: Hier werden Beziehungen gefestigt, es entstehen jedoch auch immer wieder nee Bekanntschaften.
  • Dieser unterhaltsame Ort hilft uns, Stress abzubauen und uns zu entspannen. Hier gibt es keine Feindseligkeit und kein Konkurrenzdenken, dafür jedoch Spaß und bereichernde gemeinsame Momente.
  • Der Dritte Ort ist neutral und nicht hierarchisch. Soziale Unterschiede spielen hier keine Rolle und es gibt auch keine Autorität. Jeder kommt freiwillig, niemand wird verpflichtet.
Der Dritte Ort: Leute in der Bar schauen gemeinsam ein Fußballspiel an
Dritte Orte sind perfekt, um der täglichen Routine zu entkommen und sich mit anderen zu unterhalten.

Der Dritte Ort in unserer Gesellschaft

Der Dritte Ort ist in vielerlei Hinsicht entscheidend: Wir lernen, Demokratie zu praktizieren, denn hier gelten gemeinsame Regeln, an die wir uns halten müssen. An jedem Ort gibt es spezifische gesellschaftliche Normen: In Geschäften müssen wir warten, bis wir an der Reihe sind, im Kino oder in der Bibliothek müssen wir still sein. Toleranz, Vielfalt und eine respektvolle Koexistenz sind wichtige Voraussetzungen.

Diese Regeln zu akzeptieren und einzuhalten ist Teil eines Gesellschaftsvertrags, der auch eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt und dafür sorgt, dass Gesellschaften funktionieren. Wenn wir uns nicht daran halten, verlieren wir Vorteile, die für unser Wohlergehen entscheidend sind, unter anderem menschliche Beziehungen, soziale Unterstützung oder das Gefühl der Zugehörigkeit

Teil einer Gemeinschaft zu sein, das Gefühl, dazuzugehören und wichtig zu sein, schützt unsere körperliche und psychische Gesundheit. Unsere Mitmenschen bereichern unser Leben und geben ihm einen Sinn. Wenn wir keine sozialen Kontakte pflegen, ist das Risiko von Isolation, Depression oder Suchtverhalten höher.

Friseursalon als der Dritte Ort
An Dritten Orten finden wir vertraute Gesichter, lernen jedoch auch immer wieder neue Menschen kennen.

Das Gemeinschaftsleben zurückgewinnen

Wir messen diesen Dritten Orten nicht immer ausreichend Bedeutung bei, solange wir wissen, dass wir sie jederzeit aufsuchen können. Während der Einschränkungen in der Pandemie ist allerdings vielen bewusst geworden, wie wichtig diese Räume und die sozialen Kontakte, die wir darin pflegen, sind.

In manchen Ländern, wie beispielsweise Spanien, sind diese Räume wichtiger als in anderen. In Japan bleibt zwischen Arbeit und Familie kaum Zeit, Dritte Orte zu genießen. Sie sind jedoch für die Work-Life-Balance grundlegend. Wir sollten die zunehmende Tendenz des Individualismus infrage stellen und uns vermehrt diesen Gemeinschaftsräumen zuwenden, die uns soziale und emotionale Stabilität, Lebensfreude und bereichernde Momente bieten. Kein Bildschirmgerät kann die Zeit mit Familie, Freunden oder ein lehrreiches Gespräch mit unbekannten Menschen ersetzen. Kein digitales Netzwerk kommt an eine wahre Begegnung heran, die unsere Lebensqualität und unsere emotionale Gesundheit verbessert.

☛ Literaturempfehlung

  1. The Great Good Place: Cafes, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons and Other Hangouts at the Heart of a Community, Ray Oldenburg, Da Capo Press 1999

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  • Organisation for Economic Co-operation and Development. (s. f.). Better Life Index. OECD.  https://www.oecdbetterlifeindex.org/topics/work-life-balance/
  • Oldenburg, R. (1999). The great good place: Cafes, coffee shops, bookstores, bars, hair salons, and other hangouts at the heart of a community. Da Capo Press.
  • Oldenburg, R. (Ed.). (2001). Celebrating the third place: Inspiring stories about the great good places at the heart of our communities. Da Capo Press.
  • Rosenbaum, M. S. (2006). Exploring the Social Supportive Role of Third Places in Consumers’ Lives. Journal of Service Research9(1), 59–72. https://doi.org/10.1177/1094670506289530

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