Die Stärke schwacher Beziehungen

Beziehungen zu Menschen, die dir nicht sehr nahe stehen, sind enorm wichtig. Erfahre heute, warum du auch diese Kontakte pflegen solltest.
Die Stärke schwacher Beziehungen
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 20. Februar 2023

Soziale Beziehungen sind unsere Stütze, sie geben uns Zuneigung, Sicherheit, Nähe und fördern unsere psychische und physische Gesundheit. Du denkst vermutlich an deinen Partner, deine Familie oder enge Freunde. Doch auch Menschen, die dir nicht so nahe stehen, können dir in deinem Leben große Chancen eröffnen. Entdecke heute die Stärke schwacher Beziehungen und warum sie so wichtig sind. 

Manche Menschen sind von Natur aus extrovertiert, offen und kommunikativ. Sie haben Spaß daran, mit möglichst vielen Personen zu kommunizieren und einen großen Bekanntenkreis. Andererseits gibt es auch jene, die tiefe und bedeutungsvolle Beziehungen mit einer starken emotionalen Bindung schätzen und bevorzugen. Beide Optionen sind gleich wertvoll und verständlich, die erste könnte jedoch einen Vorteil haben. Erfahre anschließend warum.

Die Stärke schwacher Beziehungen: Zwei Freundinnen im Gespräch
Schwache Beziehungen zeichnen sich durch seltene Kontakte und eine geringe emotionale Beteiligung aus.

Was sind schwache Beziehungen?

Der Soziologe Mark Granovetter¹ entwickelte 1973 die Theorie der schwachen Beziehungen. Mit diesem Modell versuchte der Autor zu erklären, wie Interaktionen auf der Mikroebene (zwischen Individuen) mit Mustern auf der Makroebene (in Gesellschaften) zusammenhängen. Dabei verweist er auf schwache Bindungen als wichtigstes Vehikel für diesen Zusammenhang. Doch was genau sind schwache Bindungen?

Persönliche Beziehungen unterscheiden sich stark, wobei unter anderem folgende Kriterien relevant sind:

  • Die Zeit, die wir mit den Personen verbringen. 
  • Die emotionale Intensität, das heißt die persönliche Beteiligung und das Engagement.
  • Das Vertrauen und die Nähe zu der Person.
  • Gegenseitige Leistungen, das bedeutet Unterstützung, Hilfe usw.

Schwache Beziehungen führen wir mit Personen, die wir nicht so oft sehen und zu denen wir keine emotionale starke Bindung haben. Die emotionale Beteiligung ist minimal. In diese Kategorie fallen Bekannte, Nachbarn, Kollegen oder Freunde, die uns nicht sehr nahestehen.

Die Stärke schwacher Beziehungen motiviert uns

Man würde erwarten, dass nahestehende Menschen, am meisten Unterstützung und Möglichkeiten bieten, denn schließlich ist ihre Bereitschaft und ihr Engagement sehr stark. Die Theorie der schwachen Beziehungen erinnert uns jedoch an Folgendes: Je stärker die Bindung zwischen zwei Menschen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich ihre Freundschaftsnetze überschneiden oder überlappen.

Die Menschen, die dir am nächsten stehen, pflegen wahrscheinlich auch eine enge Beziehung zueinander. Nicht nur, weil sie zum selben Freundeskreis oder zur selben Familie gehören, sie haben sich vielleicht durch dich kennengelernt und eine Beziehung aufgebaut. So entsteht ein gemeinsamer Raum, in den wenig neue Perspektiven eindringen. 

Bei schwachen Bindungen passiert das jedoch nicht. Es ist unwahrscheinlicher, dass sie sich kennenlernen und eine Beziehung zueinander aufbauen. Sie können dich jedoch mit anderen Realitäten und unterschiedlichen Ansichten in Kontakt bringen. Erfahre anschließend, welche Vorteile das hat.

Sie erweitern unseren Blickwinkel

Die Stärke schwacher Beziehungen liegt darin, dass uns diese Menschen neue Informationen und Erfahrungen vermitteln, die unsere Perspektive erweitern. Sie hindern uns daran, Vorurteile zu entwickeln, da sie uns andere Sichtweisen und Ideen näherbringen. Das ist sehr bereichernd und macht uns zu einfühlsameren, toleranteren Menschen.

Sie bieten uns Mobilität und Chancen

Diese schwachen Beziehungen sind entscheidend für individuelle Chancen, egal ob wir einen Job suchen, Investoren für unser Unternehmen brauchen oder versuchen, eine Wohnung zu verkaufen. Denn diejenigen, die uns weniger nahe stehen, überbringen Informationen an andere Personen, die sich außerhalb unseres Kreises befinden.

Ein Nachbar kann ein Unternehmen empfehlen, das Leute einstellt und von dem du nichts wusstest; ein Kollege kann dich mit einem Investor in seinem Kreis in Kontakt bringen, und ein entfernter Freund kann jemanden kennen, der deine Wohnung mieten möchte. Wärst du nur in deinem Vertrauenskreis geblieben, hättest du diese Möglichkeiten nicht.

Integration in die Gemeinschaft

Über die materielle Ebene hinaus fördert der Aufbau schwacher Beziehungen auch das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit. Als soziale Wesen ist es wichtig, in eine Gemeinschaft integriert zu sein und sich mit anderen verbunden zu fühlen.

Der Austausch mit Nachbarn und Bekannten fördert das Zugehörigkeitsgefühl und gibt Motivation für die Zusammenarbeit. Das hat viele Vorteile, dadurch wird sogar das Suchtrisiko verringert.

Sie fördern den sozialen Zusammenhalt

Schließlich sind es die schwachen Bindungen, die uns als Gesellschaft zusammenhalten. Ohne sie wären wir isolierte Gruppen. Eine Person, die den Arbeitsplatz wechselt, ist beispielsweise ein Bindeglied, das Ideen und Wissen überträgt und so Fortschritt ermöglicht. Wir alle vermitteln Wissen und Ideen zwischen verschiedenen Gruppen und leisten damit einen Beitrag zur Gesellschaft.

Zwei Personen sprechen über die Stärke schwacher Bindungen
Schwache Bindungen fördern den sozialen Zusammenhalt und die Integration der Gemeinschaft.

Nutze die Stärke schwacher Bindungen

Du weißt jetzt, wie wichtig schwache Bindungen sind: Pflege sie, um von den Vorteilen zu profitieren! Sie sind auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene wichtig, öffnen Türen und geben dir neue Chancen.

Literaturempfehlung

  1. Die Konzeption der Stärke schwacher zwischenmenschlicher Bindungen: Entwickelt von Mark S. Granovetter “The Strenght of Weak Ties”, Tobias Molsberger, Grin 2011

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