Die Wissenschaft über Farben und emotionale Muster

Warum finden wir die Farbe Rot immer so auffällig und aufregend? Wissenschaftler erklären, dass Farben die Kraft haben, ganz bestimmte Emotionen in uns zu wecken. Erfahre heute mehr über dieses faszinierende Thema.
Die Wissenschaft über Farben und emotionale Muster
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Welche Gefühle löst die Farbe Blau in dir aus? Welche Empfindungen erwecken gelbe Wände in einem Raum? Seit Jahren erforscht die Wissenschaft über Farben und emotionale Muster. Trotzdem stehen wir noch immer vor einer Herausforderung, wenn wir versuchen, folgende Frage zu beantworten: Wie interpretiert unser Bewusstsein Farben?

Innenarchitekten und Dekorateure wissen, dass Blautöne Ruhe vermitteln und dass gelbe Wände Positivität und Dynamik fördern. Zu intensives Gelb erzeugt jedoch Angst. 

Farbe ist ein Kommunikationsmittel, das emotionale und sogar physiologische Prozesse auslösen kann. Dies ist faszinierend, denn Farben sind nichts anderes als eine visuelle Wahrnehmung. Sie entstehen, da unser Gehirn die verschiedenen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums interpretiert, die auf die Photorezeptoren der Netzhaut treffen.

Was passiert im Gehirn, wenn das Auge Farben wahrnimmt? Wie bilden sich dadurch emotionale Muster?

“Jeder Mensch hat seine eigene Farbe, einen Farbton, dessen Licht kaum an den Konturen des Körpers vorbeigeht. Eine Art Heiligenschein. Wie Figuren, die man im Gegenlicht sieht.”

Haruki Murakami

Die Wissenschaft über Farben und emotionale Muster

Farben und emotionale Muster

Wie Goethe sagte, gibt es Farben, die durch ihre Anmut anziehen und andere, die wütend zurückgewiesen werden. Es gibt etwas in unserem psychobiologischen “Gepäck”, das uns auf die eine oder andere Weise auf bestimmte Farbnuancen reagieren lässt. Angesichts der Relevanz dieses Themas in den Bereichen Werbung, Kunst und Wohlbefinden gehen wir näher darauf ein.

Dr. Andrew J. Elliot und Dr. Markus Maier von der University of Rochester (USA) weisen in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2015 darauf hin, dass die meisten der bis vor ein paar Jahren durchgeführten Forschungen wenig wissenschaftlich fundiert waren. Die gesamte Literatur über Farben und ihre psychologischen Auswirkungen befindet sich noch im Anfangsstadium. So weisen die Autoren selbst darauf hin, dass die Wirkung, die Farbe auf uns hat, auf sozialem Lernen und auch auf biologischen Aspekten beruht.

Dieser letzte Aspekt ist derjenige, der das meiste Interesse und die meisten Kontroversen hervorruft. Sind wir vielleicht “programmiert”, auf eine Farbe anders zu reagieren als auf eine andere? Aus welchem Grund? Auf diese Fragen gibt es noch keine einheitliche Antwort. Wir wissen jedoch, dass Farben mit emotionalen Mustern verbunden sind.

Zapfen: die lichtempfindlichen Zellen unserer Netzhaut

Die lichtempfindlichen Zellen in der Netzhaut nennen sich Zapfen. Alle Wirbeltiere haben sie. Allerdings wurde bereits in den 1960er-Jahren entdeckt, dass es drei Arten dieser Zellen gibt. Jede von ihnen ist darauf spezialisiert, eine Reihe von Empfindungen auszulösen, wenn sie mit den Farben Rot, Grün und Blau in Berührung kommt.

Mit anderen Worten: Es gibt lichtempfindliche Zellen, die nur auf drei Arten von Primärfarben mit einzigartigen Empfindungen reagieren. Eine dieser Zellen, die sogenannte “L-Typ”-Zelle, wird zum Beispiel durch die von Rot erzeugte Lichtwelle aktiviert.

Das Gehirn assoziiert die Farbe Rot mit wichtigen Ereignissen, zum Beispiel mit der Farbe von Wunden und Blut. Der Mensch musste schon immer auf solche Reize reagieren.

Grün und Blau sind dagegen mit der Natur verbunden. Sie stehen mit Szenarien im Zusammenhang, die uns schon immer nah und vertraut waren. Das erklärt, warum diese Farbtöne so grundlegend sind und uns entsprechend reagieren lassen.

Erfahrungen und durch Farben ausgelöste emotionale Muster

Frühere Erfahrungen und die Kultur wirken sich ebenfalls auf die Farbwahrnehmung aus. In vielen Ländern wird die Farbe Weiß zum Beispiel mit Reinheit und Unschuld assoziiert. In bestimmten Regionen des Ostens, unter anderem in China oder Japan, wird diese Farbe jedoch bei Beerdigungsriten oder in der Trauerzeit verwendet.

Die Art und Weise, wie die Gesellschaft uns eine bestimmte Farbe sehen lässt, ist in unserem Gefühlsregister ebenso verankert wie bestimmte Erfahrungen. Vielleicht gefällt dir Blau nicht, da dich diese Farbe an deine Schuluniform oder an ein Krankenhauszimmer erinnert. 

Farben sind mit emotionalen Mustern verbunden, die das Gehirn entsprechend unserer Erfahrungen und soziokulturellen Einflüsse organisiert. Mit anderen Worten: Wir werden nicht nur durch den psychobiologischen Aspekt bestimmt.

Farben und emotionale Muster

Farbe und Bewusstsein

Es gibt eine unbestreitbare Tatsache: Farben und die Empfindungen, die sie auslösen, könnten ohne unser Bewusstsein nicht existieren. Die Art und Weise, wie wir die Realität wahrnehmen, sie erkennen und interpretieren, ist immer Teil dieser schwer zu verstehenden Einheit, der William James so viel Arbeit gewidmet hat.

Das Bewusstsein hat nichts mit Ethik oder Moral zu tun. Es ist ein Prozess, durch den wir bewusst unsere eigene Realität der Dinge, der Welt und unserer Beziehung zu allem um uns herum konstruieren. Farben und emotionale Muster stehen in enger Verbindung, denn sie vermitteln diese innere Architektur.

Licht und die verschiedenen Schattierungen existieren erst, wenn unser Bewusstsein mit ihnen in Kontakt kommt, um sie zu erkennen und zu interpretieren. Im Grunde genommen sind wir das Ergebnis unserer Evolution, ein komplexes neuronales Netzwerk, das auf der Grundlage unserer gesammelten Erfahrungen als Spezies auf jeden Reiz reagiert.

Wir sind aber auch das, was wir denken und interpretieren, und Farben sind die vertraute Dimension, die uns ständig umgibt und unsere Gefühle beeinflusst.


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