Die wahre Geschichte von John Nash, einem gequälten Genie
John Nash ist uns vor allem deshalb ein Begriff, weil ihm im Jahr 1994 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. Und natürlich auch, weil er im Film A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn porträtiert wurde, wobei dieser Film auf der von Sylvia Nasar verfassten Biografie John Nash’ basiert. In Film und Buch wird die außerordentliche Lebensgeschichte eines Menschen wie du und ich erzählt, die Geschichte eines Mannes, der mehr war als ein mathematisches Genie.
John Forbes Nash wurde am 13. Juni 1928 in einem kleinen Dorf in Virginia, USA, geboren. Schon als Kind zeigte er einen introvertierten Charakter und schien nicht über allzu stark entwickelte soziale Fähigkeiten zu verfügen. Deshalb hat er seine Kindheit und Jugend eher als Einzelgänger verbracht. Während seine Klassenkameraden miteinander spielten, zogen ihn viel mehr die Bücher an. Seine Mutter versucht nicht, ihren Sohn ” gesellschaftstauglich” zu machen und ihn zu einem Verhalten zu zwingen, das nicht seinem Naturell entsprach – sie hielt ihn dazu an, seinen Interessen zu folgen und sich zu bilden.
Was seine schulische Ausbildung betrifft, so lässt sich über John Nash Ähnliches sagen wie über Albert Einstein und einer Reihe anderer Genies: Schulnoten spiegeln nicht zwangsläufig den wahren Intellekt eines Menschen wider. Im Falle John Nash’ war die soziale Unfähigkeit des späteren Genies gar so groß, dass sie allein seine Lehrer dazu verleitete, an seiner Intelligenz zu zweifeln. Mehrmals war von einer leichten geistigen Behinderung die Rede. Aber während sich seine Lehrer damit zufrieden gaben, dass man aufgrund dieser Behinderung “wohl nichts machen könne”, führte John Nash in seinem Zimmer wissenschaftliche Experimente durch.
“Es wird stets die Idee vermittelt, dass Personen, die geistig erkrankt sind, leiden würden. Dabei ist Verrücktheit doch auch ein Ausweg: Wenn die Umstände schlecht sind, kann sich der Verrückte bessere vorstellen.”
John Nash
John Nash, das merkwürdige Kind
Als Jugendlicher fokussierte John Nash sein Interesse zunehmend auf Mathematik und Chemie. Es wird erzählt, dass er an der Herstellung explosiver Gemische beteiligt gewesen sei, die aus Versehen in die Luft gegangen wären und zu einem Todesfall in der Schule geführt hätten. Ob das nun stimmt oder nicht, seiner Karriere hat es nicht geschadet: Im Jahr 1945 erhielt John Nash ein Stipendium für ein Studium am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh (Pennsylvania, USA). Eigentlich wollte er Chemietechnik studieren, aber der Direktor des mathematischen Instituts, John Synge, überzeugte ihn davon, sich statt den Elementen den Zahlen zu widmen. 1948 schloss er sein Studium ab und erhielt als frischgebackener Mathematiker ein Stipendium für ein Postgraduiertenstudium an der Princeton University (New Jersey, USA).
Etwa ein Jahr später, im Rahmen der Arbeit an seiner Dissertation, verfasste er jenen Artikel, für den er nahezu 50 Jahre später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden sollte. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete Nicht-kooperative Spiele. Nach Abschluss derselben wurde dafür die RAND Corporation tätig, einer Institution, die wissenschaftliche Studien anstellte, die für den kalten Krieg nützlich waren. Zwei weitere Jahre später nahm er seine Tätigkeit als Professor am Massachusetts Institute of Technology (Massachusetts, USA) auf.
Der Schatten der Schizophrenie
Bis zu diesem Punkt ähnelt die von uns erzählte Geschichte der, die auch im Film erzählt wird. Aber wir möchten auch die Schattenseiten von John Nash’ Leben nicht unbetrachtet lassen, obwohl man diese in Hollywood wohl für weniger wichtig hielt. John Nash hatte mit Eleanor Stier einen unehelichen Sohn – ein Skandal, den man in seiner Familie kaum verkraftete. Kurze Zeit darauf verstarb sein Vater. Und also das nicht genug wäre, wurde er 1954 im Rahmen einer Kampagne gegen Homosexuelle verhaftet und verlor deshalb seinen Job.
Im Jahr 1957 heiratete er Alicia Larde, eine seiner Schülerinnen, die aus El Salvador stammte. Mit ihr hatte er ein weiteres Kind, aber das Paar ließ sich scheiden, bevor dieses das Licht der Welt erblickte. John Nash war schizophren und Alicia Larde wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Daraufhin begab sich John Nash auf eine lange Reise durch ganz Europa, suchte in verschiedenen Ländern politisches Asyl.
Später gab er an, dass er niemals visuelle Halluzinationen, wohl aber auditive Halluzinationen hatte. Er glaubte, ein Auserwählter zu sein, eine zentrale Figur in der Religion. Gleichzeitig war er überzeugt davon, dass die Sowjetunion und der Vatikan ein Komplott gegen ihn schmiedeten.
“Ich hörte so etwas wie ein Telefonklingeln. Leute, die meinen Vorstellungen kritisch gegenüberstanden, riefen mich in meinem Kopf an.”
John Nash
John Nash – ein Beispiel dafür, dass Schizophrenie heilbar ist
John Nash erlangte die Vernunft in einem Ereignis wieder, das viele schlicht für ein Wunder hielten. Er war mindestens achtmal in verschiedenen Zentren für geistige Gesundheit stationär behandelt worden, hat unterschiedlichste Medikamente zum Teil in hoher Dosis erhalten und sich aggressiven Therapien wie der durch Elektroschocks unterzogen.
Seiner eigenen Aussage zufolge hat er eines Tages die Entscheidung getroffen, den Stimmen, die er hörte, keine Beachtung zu schenken. Dieses mathematische Genie hat sich über die Anweisung seiner Ärzte hinweggesetzt und die im verschriebenen Medikamente abgesetzt. In einem Interview mit Xavi Ayén beschrieb er seine Überzeugung, dass eine medikamentöse Behandlung zuweilen mehr Schaden anrichtet als Vorteile bringt, dass das Absetzen derselben aber auch gefährlich ist nur mit größter Vorsicht getan werden sollte.
Wir möchten an dieser Stelle keine allgemeingültigen Empfehlungen aussprechen und unsere Leser sicher nicht dazu motivieren, entgegen aller ärztlichen Ratschläge eine Pharmakotherapie zu unterbrechen. Es soll aber gesagt werden, dass John Nash seine Behandlung unterbrach und wenige Jahre später von seiner Schizophrenie genesen konnte. Alicia Larde, seine Ex-Frau, mit der einige Zeit nach der Trennung wieder eine Beziehung einging, versichert hingegen, dass Wunder mit der Heilung ihres Partners absolut gar nichts zu tun gehabt hätten. “Der Schlüssel zum Erfolg lag allein darin, ein ruhiges Leben zu führen”, meinte sie zum Thema.
Im Jahr 1996 nannte ihn Felice Lieh Mak, Präsidentin der World Psychiatric Association, “ein Symbol der Hoffnung, Entdecker eines Universums, das keine Grenzen hat, des Universums, dass der menschliche Geist ist”. Das Aufregendste an der ganzen Geschichte ist die Erkenntnis, dass Schizophrenie für Betroffene nicht das Ende ihres Lebens bedeuten muss. Die Geschichte von John Nash ist eine Geschichte der Hoffnung, ein helles Licht für alle, die auf effektivere Therapien angewiesen sind.