Die Geschichte hinter Beethovens "Ode an die Freude"

Als Beethoven die 9. Sinfonie, die "Ode an die Freude", am 7. Mai 1824 uraufführte, war er bereits schwerhörig. Das ist die Geschichte hinter der berühmten Hymne.
Die Geschichte hinter Beethovens "Ode an die Freude"
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Obwohl fast zwei Jahrhunderte vergangen sind, ist Beethovens “Ode an die Freude” noch immer ein Symbol für Hoffnung, Frieden und Gemeinschaft. Dieses musikalische Meisterwerk erfüllt uns fast augenblicklich mit positiven Emotionen und stimmt uns optimistisch. Für seinen Schöpfer war es dagegen eine Hymne an die Wut und die Erlösung, denn er komponierte sein Werk in einer Zeit, in der es für ihn buchstäblich keine Klänge mehr gab und er sich niedergeschlagen fühlte. Die “Ode an die Freude” versinnbildlicht daher die Anstrengung um das künstlerische Überleben.

Beethoven gelang es, ein ewiges Werk zu schaffen, war sich am Tag der Premiere jedoch selbst nicht bewusst, wie sehr das Publikum jubelte und begeistert applaudierte – denn er war zu diesem Zeitpunkt bereits taub. Einer der Musiker musste ihn auf die Reaktion des Publikums aufmerksam machen. Schließlich hielt er inne und bedankte sich für die Begeisterung. Doch noch war das Werk nicht fertig …

Die “Ode an die Freude” ist ein Gedicht von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1785, dessen Originaltitel “An die Freude” lautet. Beethoven baute darauf sein musikalisches Meisterwerk auf.

Die Geschichte hinter Beethovens "Ode an die Freude"
Die Ode an die Freude wurde 1972 die Hymne des Europarats. Im Jahr 1985 wurde sie zur offiziellen Hymne der Europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union.

So entstand die “Ode an die Freude”

Als er noch ein Teenager war, geriet Ludwig van Beethoven in den Bann des transzendentalen Idealismus und der Grundlagen der Aufklärung. Es war sogar üblich, ihn bei den Vorlesungen von Immanuel Kant an der Universität Bonn zu sehen. Hier entdeckte er auch die Poesie von Schiller, die ihn sofort faszinierte.

Er war gerade mal 15 Jahre alt, als ihn die “Ode an die Freude” fesselte, ein Gedicht, das die Essenz der damaligen Bewegung in Europa repräsentierte. Schiller wollte die Werte betonen, die den Geist der Aufklärung bestimmten: Freiheit, Gerechtigkeit und menschliches Glück. Das Wohlergehen und das Glück der Bürgerinnen und Bürger sollten im Mittelpunkt der Politik stehen, denn nur dann wären Frieden und soziale Harmonie möglich.

Dieses Gedicht war nach Ansicht seines Autors ein Kuss für die ganze Welt. Beethoven wünschte sich schon damals, die Lippen zu sein, die diesem Gedicht eine Stimme gaben, die Musik, die diese edlen Absichten universell vermittelte …

Freude, schöner Götterfunken,
 Tochter aus Elysium,
 Wir betreten feuertrunken
 Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
 Was der Mode Schwert geteilt;
 Bettler werden Fürstenbrüder,
 Wo dein sanfter Flügel weilt.
[…]
Auszug aus “An die Freude” von Friedrich Schiller

Dunkelheit über Europa und über Beethoven

Doch der Traum der Aufklärung und ihr Glücksversprechen blieben kaum mehr als eine Fata Morgana. Nur ein paar Jahrzehnte später fiel Frankreich in die Schreckensherrschaft, woraufhin mehr als zehntausend Köpfe rollten. Als Friedrich Schiller starb, hielt er sein Gedicht “An die Freude” sogar für einen völligen Fehlschlag, eine absurde Entelechie, für die er sich unter den gegebenen Umständen schämte.

Die idealistische Fantasie kollidierte mit der rauen Wirklichkeit. Nicht einmal die Kunst, die Schrift oder die Poesie hatten die Macht, den Geist der Männer zu verändern, die so sehr auf Gewalt aus waren. Die revolutionären Zeiten in Europa waren so düster, dass selbst die Musik des jungen Beethoven nicht mehr frisch und leicht, sondern eher unruhig war.

Beethoven war knapp über 30, als er das sogenannte “Heiligenstädter Testament” schrieb, in dem er seinen Brüdern seine Verzweiflung erklärte. Er ertaubte schon in jungen Jahren, was für ihn als Musiker so verheerend war, dass er sogar daran dachte, sich das Leben zu nehmen.

Beethoven hatte immer das Gefühl, dass er die Musikwelt mit etwas Revolutionärem und Einzigartigem beglücken musste. Von diesem Moment an – und angesichts des fortschreitenden und irreparablen Hörverlusts – widmete er sich wie besessen und fieberhaft dem Komponieren. Schillers “An die Freude” hallte dabei in seinem Kopf wider.

Die Sinfonie Nr. 9 ist Beethovens letzte vollendete Sinfonie und unterscheidet sich deutlich von den acht vorangegangenen.

Die Geschichte hinter Beethovens "Ode an die Freude"
Beethovens “Ode an die Freude” weckt Hoffnung und positive Gefühle.

“Ode an die Freude” und der Wunsch, die Menschheit (und sich selbst) zu erleuchten

Die 9. Sinfonie oder “Ode an die Freude” war das letzte Werk Beethovens. Der Komponist kämpfte in dieser Zeit mit Isolation, Krankheit, einem durch mehrere verlorene Lieben gebrochenen Herzen, Depressionen und Selbstmordgedanken. Die Schöpfung und seine Besessenheit, ein Musikstück aus Schillers Gedicht zu schaffen, wurden zu seinem Dreh- und Angelpunkt. Und es war schließlich die Musik, die ihm erlaubte, aus der Dunkelheit aufzutauchen.

Beethoven sehnte sich danach, mit seiner “Ode an die Freude” die Menschheit zu erleuchten und die Werte der Hoffnung, der Freiheit und des Friedens unter allen Völkern wieder aufleben zu lassen. Seine Musik sollte den Himmel und die Herzen aller Menschen erreichen. Außerdem diente diese Sinfonie dem Meister selbst als inneres Leuchtfeuer.

Es wird erzählt, dass er so sehr in seine Komposition vertieft war, dass er das Zeitgefühl verlor. Er begann, kaum bekleidet und in seine Gedanken versunken umherzulaufen. Die Behörden sperrten ihn schließlich ins Gefängnis, weil sie ihn für einen geistesgestörten Vagabunden hielten.

Der Bürgermeister selbst holte ihn mit einer Entschuldigung aus dem Gefängnis und brachte ihn in einer Kutsche heim. Als er zu Hause ankam, sprudelten die Ideen aus ihm heraus. Seine Inspiration war plötzlich so unersättlich, elektrisch und glühend, dass er es endlich schaffte, das Werk zu beenden. Und nicht nur das: Er schaffte es auch aus seiner eigenen Dunkelheit heraus und mit seiner unvergesslichen “Ode an die Freude” die Welt mit Hoffnung zu erleuchten.

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  • Bonds, Mark Evan, “Symphony: II. The 19th century”, The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Second Edition (London: Macmillan, 2001), 29 vols
  • Patricia Morrisroe “The Behind-the-Scenes Assist That Made Beethoven’s Ninth Happen ” New York Times December 8, 2020
  • Wegner, Sascha (2018). Symphonien aus dem Geiste der Vokalmusik : Zur Finalgestaltung in der Symphonik im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Stuttgart: J. B. Metzler.

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