Die Erkenntnistheorie von Aristoteles

Für Aristoteles war Wissen nur durch die Sinneswahrnehmung möglich. Um zur Wahrheit zu gelangen, muss der Verstand jedoch die Sinnesinformationen synthetisieren.
Die Erkenntnistheorie von Aristoteles
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 09. Juli 2022

Die Erkenntnistheorie von Aristoteles geht davon aus, dass der Verstand die Sinnesreize synthetisieren muss, um uns ein allgemeines Bild der Wirklichkeit zu vermitteln und die Wahrheit zu finden.

Aristoteles zählt zu den wichtigsten Philosophen aller Zeiten. Er kam 384 v. Chr. auf der Halbinsel Chalkidiki zur Welt und starb 322 v. Chr. auf Euböa. Seine Werke prägten viele spätere philosophische Theorien. Auch heute noch werden seine Schriften mit großem Interesse studiert. Sie decken ein breites Spektrum an Disziplinen ab, darunter Logik, Metaphysik, Philosophie des Geistes, Ethik, politische Theorie, Ästhetik und Erkenntnistheorie.

Die Erkenntnistheorie von Aristoteles

Wie bei Platon finden wir in den Studien von Aristoteles eine nicht sehr ausgefeilte Erkenntnistheorie, die jedoch verschiedene Aspekte des Wissens explizit analysiert. Daraus können wir einige grundlegende Merkmale der aristotelischen Erkenntnistheorie ableiten, die wir im Folgenden zusammenfassen.

Die Erkenntnistheorie von Aristoteles
Aristoteles unterteilt das Wissen in drei Bereiche: theoretisches Wissen, praktisches Wissen und produktives Wissen.

Die Stufen der Erkenntnistheorie

In seinen Werken beschreibt Aristoteles verschiedene Stufen der Erkenntnis: Die grundlegendste Stufe ist die Sinneswahrnehmung, die flüchtiges Wissen ermöglicht. Auch Tiere machen diese Erfahrungen. Bei höheren Tieren, einschließlich des Menschen, kommen das sensible Gedächtnis und die Vorstellungskraft mit ins Spiel, die es ermöglichen, eine beständigere Art von Wissen aufzubauen.

Die höchste Stufe der Erkenntnis ist durch die Aktivität des Verstandes möglich, die uns in die Lage versetzt, die Ursachen zu erkennen. Wir erlangen dieses Wissen durch die Beantwortung von Warum-Fragen, die wir durch Erfahrungen analysieren können. Das begründete Wissen wird durch die Analyse von Beobachtungen und Schlussfolgerungen erlangt. Nur wenn die Antworten der Wahrheit entsprechen, können sie die Existenz der Dinge erklären.

Drei Arten von Wissen

Die Erkenntnistheorie von Aristoteles liefert eine hierarchische Kategorisierung des Wissens in drei Ebenen:

  • Produktives Wissen (die grundlegendsten Erkenntnisse): Es handelt sich um technisches Wissen, dessen Ziel die Herstellung von nützlichen Gegenständen ist. Ein Beispiel dafür sind Fachkenntnisse des Tischlerhandwerks.
  • Praktisches Wissen: Dieses ist dem vorherigen übergeordnet und bezieht sich auf die Fähigkeit, das Verhalten in der Öffentlichkeit und im Privatleben rational zu ordnen. Diese Art von Wissen ist ethisch-politischer Natur: Der Sinn ist tugendhaftes, gutes Handeln.
  • Kontemplatives oder theoretisches Wissen: Es stellt die höchste Form des Wissens dar, die zur Weisheit führt. Dieses Wissen bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Dinge selbst sind.

Die Sinne als Ausgangspunkt

Wir haben gesehen, dass die Erkenntnistheorie von Aristoteles Empfindungen und Erfahrungen als einzige Quellen der Erkenntnis betrachtet, weil sie uns mit der konkreten Realität in Kontakt bringen. Wahres Wissen über die Ursachen und Prinzipien der Dinge an sich erlangt man jedoch, wenn der Verstand auf unsere Empfindungen und unsere Erfahrung einwirkt.

Materie und Form in der Erkenntnistheorie
Wahres Wissen entsteht, wenn der Verstand auf Empfindungen und Erfahrungen einwirkt.

Die Welt besteht aus Materie und Form, wobei der Mensch beispielsweise die Materie und seine Form die Seele ist. Wahres Wissen bedeutet, über die Form des erkannten Objekts Rechenschaft abzulegen. Aber wie wir bereits gesehen haben, ist die Form in der Substanz zu finden. Um die Form zu erfassen, ist es also absolut notwendig, die Substanz zuvor mit den Sinnen zu erfassen. Daher kann der Verstand nicht direkt mit der Form in Kontakt treten.

Wenn der Mensch geboren wird, hat er keinen geistigen Inhalt, also hat der Verstand kein Material, mit dem er arbeiten kann. Mit anderen Worten: Der Verstand erwirbt seine Wissensobjekte, wenn das Subjekt die Substanzen durch Erfahrung erfasst.

Begriffsbildung

Bei wahrem Wissen geht es in der Erkenntnistheorie von Aristoteles um die Form. Sie ist die Essenz, die das Objekt definiert. Die Form macht also eine Sache zu dem, was sie ist, und nicht etwas anderes. Um bei dem Beispiel “Mensch” zu bleiben: Die Seele ist das, was den Menschen als solchen ausmacht.

Formen sind universelle Konzepte, die die Gesamtheit der Individuen einer bestimmten Gruppe umfassen. Zum Beispiel besteht die Substanz “Hund” aus dem Körper (der individuell und charakteristisch für jedes Wesen ist) und seiner Form (die ihn zu einem Hund und nicht zu etwas anderem macht). In diesem Fall ist das Wesen des Hundes das, was alle Hunde gemeinsam haben und was die Schaffung eines universellen Begriffs für diese Substanz ermöglicht.

Die Sinne können nur das Individuelle erfassen: die sinnlichen Formen konkreter Substanzen, während der Verstand dafür zuständig ist, das Universelle oder seine Form durch die Abstraktion von Objekten zu erfassen. Aristoteles schlägt also einen induktiven Prozess vor, der vom Besonderen zum Allgemeinen führt.

Das Vermächtnis von Aristoteles

Die Erkenntnistheorie von Aristoteles ist die Grundlage einer der wichtigsten philosophischen Strömungen: des Empirismus. Er gilt sogar als der erste Empiriker der Geschichte. Der griechische Universalgelehrte hat viele andere Denkschulen beeinflusst und auch unser modernes Denken. Ein Beispiel ist das Christentum des Mittelalters, dessen Lehre viele seiner Ideen enthält. Aristoteles gilt deshalb als einer der wichtigsten Vordenker der Geschichte.


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