Die Beziehung zwischen Narzissten und gefälligen Menschen
Manche setzen sich über deine Rechte hinweg und versuchen nur, aus dir Profit zu schlagen. Andere stellen ihre Bedürfnisse zurück und streben danach, dich zu befriedigen, dir das zu geben, was du in einem bestimmten Moment brauchst. Die Beziehung zwischen Narzissten und gefälligen Menschen ist merkwürdig, einzigartig und entscheidend, doch meist sind wir uns darüber nicht bewusst.
Wenn es eine echte Expertin in diesem Thema gibt, dann ist es Dr. Marie-France Hirigoyen. Die französische Psychiaterin, die sich auf Mobbing spezialisiert hat, bietet in ihrem mittlerweile legendären Buch “Die toxische Macht der Narzissten: und wie wir uns dagegen wehren” aus dem Jahr 1983 einen Einblick in die Materie. Damals warnte sie uns, dass die narzisstische Persönlichkeit viele unserer gesellschaftlichen Szenarien beherrscht: Politik, Wirtschaft, Finanzen…
Neben dem Narzissten gibt es aber auch immer den gefälligen Menschen. Beide sind sehr gegensätzlich, doch wenn sie aufeinanderstoßen, nähren sie sich gegenseitig, wobei der gutgesinnte Mensch in der Regel zum Opfer wird. Diese Beziehung ist zerstörerisch, verläuft jedoch meist unbemerkt. Es handelt sich um einen Aspekt, den wir genauer betrachten müssen.
Es gibt unsichtbare Leiden, über die gesprochen werden muss, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Die Beziehung zwischen Narzissten und gefälligen Menschen
Es ist sehr auffällig, dass psychologische Beratungsstellen immer wieder gefälligen Menschen helfen. Narzissten bitten jedoch selten um Hilfe, denn sie sehen kein Problem in ihrem Verhalten oder wie sie damit ihre Mitmenschen beeinflussen. Gutmütige Menschen haben jedoch häufig ein geringes Selbstwertgefühl und glauben, nicht gut genug für andere zu sein.
Sie sind sich nicht immer bewusst, dass ihr ewiges Bedürfnis, andere glücklich zu machen und dabei ihre eigenen Rechte und Bedürfnisse zu übersehen, seinen Ursprung oft in ihrer persönlichen Geschichte mit einem Narzissten hat. Wir schauen uns das genauer an.
Kinder aus narzisstischen Familien entwickeln sich oft zu gefälligen Menschen
Elan Golomb, eine klinische Psychologin und Professorin an der New York University, ist eine führende Autorität auf dem Gebiet der Auswirkungen narzisstischer Erziehung und insbesondere für ihr Buch “Trapped in the Mirror: Adult Children of Narcissists in their Struggle for Self” bekannt. Darin warnt sie davor, dass die Kindheit in einem narzisstischen Umfeld im Erwachsenenalter zu gefälligen Menschen führen kann.
- Narzisstische Eltern stellen ihre eigenen Bedürfnisse immer über die ihrer Kinder. Allmählich lernen Kinder, ihre Sehnsüchte, ihre Meinungen und natürlich auch ihre Bedürfnisse zu opfern und zum Schweigen zu bringen. Diese Tendenz wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen.
- In diesen Umgebungen herrscht eine extreme Kontrolle. Kinder verinnerlichen diese Normen, sodass sie schon sehr früh davon ausgehen, dass sie nur dann akzeptiert oder anerkannt werden, wenn sie das tun, was andere von ihnen verlangen.
- Auch in narzisstischen Familien gibt es immer ein ungelöstes Problem, eine Unzulänglichkeit, die Wut und Frustration erzeugt. Die Kinder fungieren dann als Retter, um diese Situationen zu beruhigen. Sie wissen, dass es besser läuft, wenn ihre Eltern zufrieden sind.
- Das Aufwachsen in einer Familie, in der ein Mitglied narzisstisch ist, impft dem Kind den Glauben ein, dass es nicht geliebt wird. Das führt dazu, dass sie hart arbeiten und bestimmte Dinge tun müssen, um zumindest geringe Zuneigung oder Anerkennung zu bekommen. Diese Tendenz setzt sich bis ins Erwachsenenalter fort und macht sie eindeutig zu gefälligen Menschen.
Beziehung zwischen narzisstischer und gefälliger Person: Quelle des ewigen Leidens
Narzissten und gefällige Menschen fühlen sich zueinander hingezogen, oder besser gesagt, sie ergänzen sich gegenseitig. Doch dieses Band der Verbundenheit nimmt die Form von Fesseln an, eines Schlosses, mit dem Liebe zu Abhängigkeit und Leid wird. Wie lässt sich diese Form der Anziehung erklären?
- Gefällige Menschen fühlen sich erfüllt, wenn sie die Bedürfnisse der Narzissten befriedigen. Sie sehen sich als Retter, der sich “nähren” lässt, und je mehr, desto besser. Schließlich wiederholen sie wieder das Muster, das sie in ihrer Kindheit gelernt haben.
- Der Narzisst seinerseits fühlt sich gestärkt, wenn er jemanden mit diesem Persönlichkeitstyp an seiner Seite hat. Dadurch gelangt er zu Macht und erreicht Verstärkung, Bewunderung, Aufmerksamkeit, Lob…
- Das geringe Selbstwertgefühl der gefälligen Menschen macht sie zur perfekten Zielscheibe für Narzissten. Sie sind überschaubar und neigen dazu, mit sehr wenig zufrieden zu sein. Außerdem dürfen wir die geschickte Täuschungsfähigkeit der Narzissten nicht vergessen: Sie erscheinen blendend und entschlossen, ziehen andere sofort in ihren Bann zieht und präsentieren das Profil eines perfekten Menschen.
- Sowohl Narzissten als auch sich anpassende, gefällige Menschen brauchen Zuneigung. Sie betteln um Liebe, um die eigene und um die anderer. Der Narzisst braucht sie, um sein Ego angesichts seiner hohen Defizite zu stärken und die gefällige Person sehnt sich danach, um ihre Wunden zu heilen. Diese Beziehungen sind meist jedoch zerstörerisch.
Abschließend fassen wir kurz zusammen, dass wir es mit zwei psychologischen Röntgenbildern von Persönlichkeiten zu tun haben, die sich in ihrem Leben selten glücklich oder erfüllt fühlen werden. Während die einen sich der schädlichen Auswirkungen ihres Verhaltens nicht bewusst sind, wissen die anderen wiederum nicht, dass nichts so schädlich ist wie der Versuch, anderen das zu geben, was ihnen selbst fehlt: Selbstwertgefühl, Selbstachtung, Sicherheit…
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- Crocker, B. (2009). The children of Narcissus exploring the development of existential trauma. ProQuest Dissertations and Theses. Pacifica Graduate Institute, Ann Arbor. Retrieved from http://search.proquest.com/docview/275848898?accountid=14553
- Golomb, E. (1992). Trapped in the mirror: Adult children of narcissists in their struggle for self. William Morrow & Co, Inc, 271.