Depersonalisationsstörung: Wer bin ich wirklich?

Die Depersonalisationsstörung gehört zu den häufigsten, aber auch zu den am wenigsten anerkannten psychiatrischen Erkrankungen der Welt.
Depersonalisationsstörung: Wer bin ich wirklich?
Francisco Pérez

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Francisco Pérez.

Letzte Aktualisierung: 21. Dezember 2022

“Meine Gedanken scheinen nicht zu mir zu passen”, “Wer bin ich”, “Ich erkenne mich nicht im Spiegel”… Solche Erfahrungen sind bei Menschen mit einer Depersonalisationsstörung häufig. Sie sind auch bei Menschen, die eine Phase großer Angst und viel Stress durchmachen, sehr verbreitet.

Die Suche nach der eigenen Identität und dem eigenen Platz in der Welt ist eine Konstante. Wir alle haben uns schon einmal gefragt, wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen. Das ist normal. Bei der Depersonalisationsstörung ist sie jedoch viel häufiger und intensiver.

Zunächst müssen wir verstehen, dass wir es in den meisten Fällen mit einer klinisch als dissoziativ bezeichneten Störung zu tun haben. Es handelt sich um einen psychischen Zustand, bei dem die Person Störungen des Gedächtnisses, des Bewusstseins, der Identität und der Wahrnehmung erlebt.

Depersonalisationsstörung: Wer bin ich wirklich?

Was ist eine Depersonalisationsstörung?

Diese Störung ist gekennzeichnet durch anhaltende oder wiederkehrende Episoden des Losgelöstseins vom eigenen Körper oder von mentalen Prozessen, als außenstehender Beobachter des eigenen Lebens. Oft haben Betroffene auch das Gefühl, völlig von ihrer Umgebung abgekoppelt zu sein, was als Derealisation bezeichnet wird.

Der Zustand wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben und trat oft in Verbindung mit anderen Erkrankungen wie Panikstörungen oder Depressionen auf.

  • Eine Studie des Institute of Psychiatry in London sowie andere Forschungen enthüllen, dass Betroffene sehr intensive emotionale Reaktionen erleben. Tatsächlich zeigen MRT-Scans eine hohe Aktivität in der Insula des Gehirns.
  • Es gibt ein Gefühl der Unwirklichkeit, der Fremdheit oder der Distanzierung von sich selbst im Allgemeinen.
  • Die Person mit Depersonalisation kann sich von ihrem ganzen Selbst losgelöst fühlen (“Ich bin niemand”, “Ich habe nichts von mir”).
  • Das kann sogar dazu führen, dass sie ihre eigenen Gefühle, Gedanken, Empfindungen usw. nicht akzeptiert.

Die Patienten beschreiben es oft als ein roboterhaftes, automatisches Gefühl, bei dem sie keine Kontrolle über ihre eigene Sprache oder Bewegungen haben.

Ursachen für den Ausbruch der Depersonalisationsstörung

Der Auslöser für diese Störung ist in der Regel eine sehr intensive emotionale Episode. Einige Beispiele sind:

  • Emotionaler Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit
  • Körperlicher Missbrauch
  • Häusliche Gewalt
  • Schwer behinderter oder psychisch kranker Elternteil
  • Der plötzliche Tod eines geliebten Menschen

25 – 50 % der Patienten haben jedoch relativ geringe emotionale Belastungen in ihrem Leben. Sie sind oft so subtil und zahlreich, dass es Betroffenen schwerfällt, sie in der Beratung zu erkennen.

Frau mit Depersonalisationsstörung

Wahrnehmungsstörungen, ein Merkmal der Derealisation

Die Umgebung kann als künstlich, farblos oder leblos empfunden werden. Die Derealisierung wird in der Regel von subjektiven visuellen Verzerrungen begleitet. Beispiele dafür sind verschwommenes Sehen, erhöhte Sehschärfe, vergrößertes oder verkleinertes Gesichtsfeld, Zweidimensionalität…

Auch Veränderungen der Entfernung oder Größe von Objekten können auftreten. Makropsie ist einer dieser Effekte und besteht darin, Objekte größer zu sehen, als sie tatsächlich sind. Die Mikropsie hingegen ist das Gegenteil davon. Betroffene sehen Objekte kleiner, als sie wirklich sind.

Manchmal treten Hörverzerrungen auf, bei denen Stimmen oder Geräusche leiser oder lauter wahrgenommen werden.

Ausschlusskriterien

Damit diese Störung diagnostiziert werden kann, dürfen die oben genannten Veränderungen nicht auf die Einnahme von Drogen, Medikamenten oder eine Krankheit (wie Epilepsie) zurückzuführen sein.

Diese Störungen müssen kein Kriterium für Schizophrenie, Panikstörung, Major Depression, akute Belastungsstörung oder posttraumatische Belastungsstörung sein.

Subjektive Merkmale der Depersonalisationsstörung

Menschen mit einer Depersonalisationsstörung haben möglicherweise Schwierigkeiten, ihre Symptome zu beschreiben. Außerdem haben sie das Gefühl, dass sie verrückt werden. Eine weitere häufige Erfahrung ist die Angst vor irreversiblen Hirnschäden.

  • Ein weiteres häufiges Symptom ist ein subjektiv verändertes Zeitempfinden (z. B. zu schnell, zu langsam).
  • Es gibt auch eine subjektive Schwierigkeit, sich lebhaft an Erinnerungen aus der Vergangenheit zu erinnern (und sich als Teil davon zu fühlen).
  • Andererseits fühlen Betroffene oft auch etwas Ähnliches wie eine Sättigung des Kopfes, Kribbeln oder ein Gefühl der Ohnmacht sind nicht ungewöhnlich.

Ferner ist es nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die unter Depersonalisationsschüben leiden, unterschiedliche Grade von Angst oder Depression aufweisen. Eine merkwürdige Beobachtung ist, dass diese Menschen dazu neigen, physiologisch intensiver auf emotionale Reize zu reagieren.

Diese physiologischen Veränderungen werden durch die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, des inferioren Scheitellappens und der limbischen präfrontalen Cortex-Schaltkreise verursacht.

Depersonalisationsstörung

Die Diagnose einer Depersonalisationsstörung

Nach dem Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (DSM-V) muss eine Person mit der Diagnose Depersonalisations-/Derealisationsstörung folgende Diagnosekriterien erfüllen:

A. Anhaltende oder wiederkehrende Erfahrungen von Depersonalisation, Derealisation oder Derealisation.

  • Depersonalisierung: Erfahrungen von Unwirklichkeit, Distanzierung, das Gefühl, ein externer Beobachter der eigenen Gedanken, Gefühle, Empfindungen, des eigenen Körpers oder der eigenen Handlungen zu sein.
  • Derealisierung: Erfahrungen der Unwirklichkeit oder der Loslösung von der Umwelt. Zum Beispiel werden Menschen oder Objekte als unwirklich, traumhaft, verschwommen, leblos oder visuell verzerrt erlebt.

B. Bei der Depersonalisation oder Derealisation bleibt die Realitätsprüfung intakt.

C. Die Symptome sind mit klinisch bedeutsamen Belastungen oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verbunden.

D. Die Störung kann nicht auf die physiologischen Auswirkungen einer Substanz zurückgeführt werden, z.B. Drogen, Medikamente oder andere medizinische Probleme (z.B. Epilepsie).

E. Die Störung lässt sich nicht besser durch eine andere psychische Störung erklären, wie z. B. Schizophrenie, Panikstörung, Major Depression, akute Belastungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung oder eine andere dissoziative Störung.

Wie entwickelt sich die Depersonalisationsstörung?

Im Durchschnitt beginnt die Depersonalisations-/Derealisationsstörung im Alter von 16 Jahren, obwohl sich die Störung auch schon in der frühen oder mittleren Kindheit entwickeln kann. Tatsächlich erinnern sich die meisten Menschen daran, dass sie bereits in diesem Stadium Symptome hatten.

  • Mehr als 20 % der Fälle treten nach dem 20. Lebensjahr auf und nur 5 % nach dem 25.
  • Ein Auftreten im vierten Lebensjahrzehnt oder später ist sehr ungewöhnlich.
  • Der Beginn kann extrem plötzlich oder schleichend sein. Die Dauer von Depersonalisations-/Derealisationsepisoden kann sehr unterschiedlich sein, von kurz (Stunden oder Tage) bis lang anhaltend (Wochen, Monate oder Jahre).

Ein chronischer klinischer Zustand

Da die Erkrankung nur selten nach dem 40. Lebensjahr auftritt, kann es sein, dass in diesen Fällen eine medizinische Grunderkrankung vorliegt. Zu diesen Erkrankungen zählen unter anderem Hirnverletzungen, Anfallsleiden oder Schlafapnoe.

  • Der Verlauf der Krankheit ist oft chronisch. Während die Intensität der Symptome bei manchen Menschen stark zunehmen und abnehmen kann, berichten andere von einer gleichbleibenden Intensität, die in extremen Fällen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg wiederkehren kann.
  • Andererseits kann eine erhöhte Intensität der Symptomatik durch Stress, eine Verschlechterung der Stimmung oder Angstsymptome, neue stimulierende Umstände und physische Faktoren wie Licht oder Schlafmangel konditioniert sein.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass nicht jeder, der manche dieser Symptome aufweist, die Störung entwickelt.

Wenn diese Symptome praktisch ständig vorhanden sind und dein Leben stark beeinträchtigen, solltst du dich unbedingt fachärztlich untersuchen lassen.

traurige Frau

Behandlung

Die therapeutische Intervention umfasst in der Regel zwei grundlegende Strategien: die pharmakologische (mit Psychopharmaka wie Naloxon) und psychotherapeutische Behandlung.

Kognitive Verhaltenstherapien haben in diesen Fällen eine gute Erfolgsquote. Ziel ist es, die Verbindung der Patienten mit sich selbst zu stärken.


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