Das sokratische Gespräch zur Überwindung selbstbegrenzender Überzeugungen

Das sokratische Gespräch ist eine ausgezeichnete Methode, um selbstbegrenzende Überzeugungen abzulegen und Ängste zu überwinden. 
Das sokratische Gespräch zur Überwindung selbstbegrenzender Überzeugungen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 01. März 2023

Unsere Ängste halten uns davon ab, Träume und Wünsche zu verwirklichen. Wir verdanken ihnen zwar das Überleben unserer Spezies, müssen uns jedoch eingestehen, dass es sich heute großteils um irrationale Überzeugungen handelt, die uns einschränken. Wir haben Angst, zu versagen, uns zum Narren zu machen oder in die Zukunft zu blicken, die von Unsicherheit beherrscht wird. Nicht zu wissen, was morgen passieren wird, vernichtet unser gegenwärtiges Potenzial. Das sokratische Gespräch bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, selbstbegrenzende Überzeugungen abzulegen und Ängste zu überwinden. 

“Selbsterkenntnis gibt dem Menschen das meiste Gute, Selbsttäuschung aber das meiste Übel.”

Sokrates

Das sokratische Gespräch zur Überwindung selbstbegrenzender Überzeugungen
Wenn du deine selbstbegrenzenden Überzeugungen hinterfragst, kannst du dein wahres Potenzial entfalten.

Das sokratische Gespräch: Was ist das?

Sokrates entwickelte aus den Platonischen Dialogen eine Gesprächstechnik als Modell zur Erkenntnisführung. Er stellte seinem Gegenüber eine Frage und versuchte, durch Monologe zu beweisen, dass die Antwort falsch ist. Am Ende stellte der Philosoph meistens eine geschlossene Frage, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden konnte. Diese Abfolge wiederholte sich so lange, bis der Gesprächspartner seine Unwissenheit und seine Unsicherheit zugeben konnte.

Es handelt sich um eine Methode, die zur Reflexion über komplexe Konzepte einlädt und kritisches Denken lehrt. Sie wurde von Sokrates entwickelt, um seine Schüler dazu zu bringen, über ihre Überzeugungen nachzudenken. Der athenische Philosoph ging davon aus, dass wir Wissen nur erreichen können, wenn wir unterschiedliche Perspektiven betrachten. Es überrascht deshalb nicht, dass dieser Ansatz heute als Eckpfeiler der kognitiven Verhaltenstherapie dient, die mit offenen Fragen arbeitet, um das Nachdenken und die Selbstbeobachtung der Patienten zu fördern.

Untersuchungen der Universität Calgary zeigen, wie nützlich der sokratische Dialog ist, wenn es darum geht, tief verwurzelte Überzeugungen und Werte zu entschlüsseln, die jeden Gedanken, jedes Gefühl und einen Großteil unseres Verhaltens steuern. Es handelt sich um ein ideales Instrument, um Veränderungen und eine gesündere Denkweise zu fördern.

Das sokratische Gespräch soll die Neugierde fördern, die es uns ermöglicht, über unsere Überzeugungen und Perspektiven nachzudenken und Anpassungen vorzunehmen. 

Selbstbegrenzende Glaubenssätze ablegen

Wir alle haben selbstbegrenzende Glaubenssätze, die unser Potenzial gefangen halten. Wenn wir diesen Überzeugungen Wert und Wahrhaftigkeit verleihen, halten sie uns zurück. Wir können auch die Tatsache nicht ignorieren, dass eine Studie der Universität Stanford sowie andere Forschungen einschränkende Überzeugungen mit psychischen Störungen wie Angst oder Depression assoziieren. Das sokratische Gespräch ist deshalb ein zu empfehlendes präventives Instrument, das uns aus einschränkenden Wahrnehmungen befreien kann.

Jeder kann die Kunst der Selbstreflexion und des kritischen Denkens lernen und damit positive Veränderungen erzielen. Wir müssen in der Lage sein, uns an unsere komplexe und schnelllebige Welt anzupassen und eine der Grundvoraussetzungen ist die Selbsterkenntnis.

1. Schreibe deine einschränkenden Überzeugungen und negativen Ideen auf

Zunächst musst du dir über deine selbstbegrenzenden Gedanken, die dein Wohlbefinden einschränken, bewusst werden. Schreibe sie auf, um sie danach effektiver mit den sokratischen Fragen bearbeiten zu können.

Vergiss nicht, dass die einschränkenden Überzeugungen die Stimme der Angst und Selbstkritik darstellen. Hast du Angst vor dem Versagen oder fürchtest du, dich lächerlich zu machen? Glaubst du, dass die Zukunft nur Unheil bringt? Es handelt sich um eindeutige Beispiele für einschränkende Gedanken.

2. Klärendes Verstehen: Worauf bezieht sich die Überzeugung?

“Ich gehe besser nicht zu diesem Vorstellungsgespräch, weil ich weiß, dass sie mich nicht nehmen werden”, “Ich bin nicht gut genug, es lohnt sich nicht, es zu versuchen”… Du musst diese einschränkenden Gedanken analysieren und den Ursachen auf den Grund gehen. Warum hast du das Gefühl, nicht gut genug zu sein, dich lächerlich zu machen oder zu scheitern? Beruhen deine Überzeugungen auf negativen Erfahrungen oder entsprechen sie gesellschaftlichen Erwartungen?

3. Beweise für deine Überzeugungen

Das sokratische Gespräch lädt dich ein, nach Beweisen zu suchen, die deinen Überzeugungen Gültigkeit verleihen. Du musst kritisches und analytisches Denken entwickeln, um die Ursachen zu finden. Hast du Beispiele, die deine Überzeugungen glaubhaft machen? Ist das immer so? Sind deine Überzeugungen allgemeingültig? Gibt es Daten, die dein Denken unterstützen?

4. Alternative Sichtweisen

Du wirst keine Veränderungen erzielen, wenn du an eingefahrenen Denkmustern festhältst. Neue Sichtweisen und Perspektiven helfen dir, irrationale Ängste und einschränkende Überzeugungen abzulegen und dich neu zu orientieren. Was hast du zu verlieren, wenn du das Vorstellungsgespräch wahrnimmst? Warum vertraust du dir nicht und versuchst es einfach? Gibt es Alternativen? Was denken andere? Welche Argumente sprechen für dich?

Das sokratische Gespräch analysiert die Gründe für Überzeugungen und Denkmuster, um Alternativen zu finden, die dir auf deinem Weg helfen.

5. Folgen und Konsequenzen

Sobald du damit beginnst, Selbstverständliches zu hinterfragen, bist du bereits auf dem Weg der Veränderung. Du lernst dich selbst besser kennen, kannst über die Folgen deiner Verhaltensweisen nachdenken und neue Möglichkeiten finden, um deine Ziele zu erreichen. Wenn du dich in dem Vorstellungsgespräch bewirbst, hast du die Chance, den Job zu bekommen. Versuchst du es nicht, hast du bereits verloren. Welche Folgen hat das? Gibt es Nebenwirkungen? Und was, wenn du dich irrst?

Das sokratische Gespräch zur Überwindung selbstbegrenzender Überzeugungen
Praktiziere das sokratische Gespräch mit dir selbst jeden Tag!

Der Verstand liebt Sicherheit und tief verwurzelte Überzeugungen, doch wir müssen sie immer wieder hinterfragen, um auf unserem Weg voranzukommen. Das Leben verändert sich kontinuierlich und verlangt Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Starre Denkmuster führen oft zu Ängsten und depressiven Zuständen, die unserem Wohlbefinden im Weg stehen. Halte gelegentlich inne und stelle dir die sokratischen Fragen, um deine wahren Lebensziele zu erreichen.


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