Die Pyramide der Angst: Woher kommen unsere Ängste?

Die Pyramide der Angst nach Karl Albert liefert Informationen über den Ursprung unserer Ängste und hilft uns, sie zu verstehen und zu rationalisieren.
Die Pyramide der Angst: Woher kommen unsere Ängste?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 28. Januar 2023

Wir Menschen werden von Träumen, Bedürfnissen, Sehnsüchten und unendlichen Ängsten geprägt. Angst ist ein Teil unseres Daseins und gleichzeitig ein Überlebensmechanismus, doch sie kann unsere Lebensqualität auch einschränken. Heute sprechen wir über die Pyramide der Angst, lies weiter, um mehr darüber zu erfahren.

Manche Personen haben im Erwachsenenalter noch Angst vor Dunkelheit oder werden von irrationalen Phobien gefangen gehalten. Zu den Klassikern zählen Ängste vor Spinnen oder Klaustrophobie. Rund 60 Prozent der Menschen leiden an irrationalen Ängsten, deren Ursprung wir noch nicht wirklich verstehen.

Nicht immer ist ein traumatisches Ereignis der Grund für diese Art von Reaktion. Es ist auch nicht immer eine unangenehme oder bedrohliche Erfahrung, die eine Phobie auslöst. Daher vermuten verschiedene Experten, dass auch eine genetische Komponente eine Rolle spielen könnte. Unabhängig von den Ursachen, haben wir die Möglichkeit, Ängste zu regulieren oder zu deaktivieren, wenn wir ihren Ursprung verstehen. In diesem Zusammenhang liefert die Pyramide der Angst eine interessante Perspektive.

Auch Primaten haben verschiedenste Ängste, unter anderem vor Spinnen und Schlangen.

Pyramide der Angst
Angst ist ein notwendiger Schutzmechanismus, der bei (irrationalen) Bedrohungen aktiviert wird.

Die Pyramide der Angst

Die meisten Ängste entstehen in unserer modernen Gesellschaft nicht in lebensbedrohlichen Situationen. Es handelt sich vorwiegend um irrationale Realitäten, die sich in Form von Phobien und Angststörungen äußern. Eine Studie der Universität Harvard erklärt beispielsweise, dass immer mehr Jugendliche im Alter zwischen 16 und 29 Jahren an sozialer Angst leiden. Sie fürchten sich davor, beurteilt zu werden oder sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen.

Dr. Karl Albrecht stellt in seinem Buch Social Intelligence ein interessantes Modell zu diesem Thema vor. Die Pyramide der Angst liefert Informationen über den Ursprung unserer Ängste und hilft uns, sie zu verstehen und zu rationalisieren. Wenn wir wissen, woher diese beunruhigenden Ängste kommen, fällt es uns leichter, unangemessene Reaktionen zu kontrollieren.

Wir betrachten anschließend die fünf Ebenen der Pyramide der Angst.

So wie Abraham Maslow seine Bedürfnispyramide definierte, können wir auch Ängste in einer Pyramide darstellen.

1. Angst vor der Nichtexistenz

Kennst du das Gefühl, nicht mehr zu existieren und dass alles an Bedeutung und Transzendenz verliert? So wie wenn du die Leere oder den riesigen Ozean von einer Klippe aus betrachtest – denn wir haben vor der Tiefe ohne Sinn und Ende noch mehr Angst als vor dem Fallen. Die Nichtexistenz ist die Basis der Angstpyramide. Es geht nicht nur um die Angst vor dem Tod, sondern auch davor, sich selbst und den Sinn des Lebens zu verlieren. Damit verbunden ist die Angst vor der Dunkelheit, vor Höhen, vor dem Fliegen usw.

2. Angst vor körperlichen Angriffen

Es gibt einen natürlichen Instinkt in uns, der über das bloße Überleben hinausgeht: Er besteht darin, nicht zu leiden, nicht körperlich angegriffen zu werden. Wir haben Angst davor, Leid in irgendeiner Form zu erfahren und müssen uns körperlich sicher fühlen. Viele unserer Phobien entstammen dieser Ebene unserer Ängste: vor Schlangen, Spinnen, Menschenmengen, dem Zahnarzt…

Viele unserer Ängste haben ihren Grund darin, dass wir nicht das Gefühl haben, dass unser Körper in irgendeiner Weise verletzt wird, durch Angriffe, Bisse, Aggressionen jeglicher Art usw.

3. Angst vor Autonomieverlust

Hast du Angst, alt oder krank zu werden? Gerätst du in engen Räumen, zum Beispiel in Aufzügen, in Panik? Hast du Angst, deinen Job zu verlieren? In der Pyramide der Angst nimmt diese Stufe, die den Verlust der Autonomie bedeutet, einen besonders großen Raum ein.

Wir Menschen haben Panik davor, unsere Fähigkeit zu verlieren, selbstständig, autonom und frei zu sein. Es ist ein Grundbedürfnis des Gehirns zu wissen, dass wir für uns selbst sorgen können. Deshalb können wir in Panik geraten, wenn jemand zu viel Kontrolle über uns ausübt ode rwir im Fahrstuhl gefangen sind.

Die Angst vor Intimität und Bindung kann in der Angst vor dem Verlust der eigenen Autonomie wurzeln.

4. Angst vor dem Verlassenwerden

Es gibt eine uralte Angst, die niemand leugnen kann, die uns heimsucht und die uns mehr quält, als wir denken. Wir fürchten uns davor, verlassen zu werden, allein zu sein, nicht geliebt oder akzeptiert zu werden, nicht Teil einer Reihe von Bindungen zu sein. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das sich schon immer in kleinen Gruppen organisiert hat. Und das ist grundlegend für unser Überleben.

Das Gefühl, mit einer oder mehreren wichtigen Personen verbunden zu sein, mildert unsere Ängste und vermittelt unser psychisches Wohlbefinden. Das Fehlen dieser Dimension führt zu zahlreichen Problemen.

5. Angst vor Ego-Schäden

Hast du Angst davor, in der Öffentlichkeit zu sprechen? Wirst du bei Telefongesprächen nervös? Fürchtest du, zum Objekt von Kritik und Spott zu werden? Sich zu blamieren, sich vor anderen nicht kompetent zu fühlen und sich lächerlich zu machen, steht ganz oben auf der Pyramide der Ängste. Diese Situationen sind ein Angriff auf das Selbstkonzept, eine tiefe Wunde in unserem Selbstbild, mit der wir nur schwer umgehen können.

Frau hat Angst vor dem Fliegen und denkt an die Pyramide der Angst
Die Angst vor dem Fliegen hängt mit der uralten Angst vor der Nichtexistenz zusammen, einer Angst, die über die Sterbensangst hinausgeht.

Das Vorhandensein von Urängsten

Wenn wir die Pyramide der Ängste analysieren, entdecken wir einen interessanten Aspekt: Viele der Ängste, die wir für irrational halten, etwa die Angst vor Nadeln oder Höhen, sind eng mit den Ängsten der Vorfahren verbunden. Manche Menschen fürchten sich vor dem Meer oder vor Schwimmbädern – diese Angst führt sie zurück auf die Stufe der Nichtexistenz. Zu dem beunruhigenden Gefühl, der Tiefe des Wassers kommt die überwältigende Leere, die nicht kontrolliert werden kann.

Wir haben es mit einem ebenso interessanten wie gültigen Modell zu tun, das es wert ist, beachtet zu werden. Schließlich ist die Angst ein treuer Freund, der uns immer begleiten wird. Wie Woody Allen einmal sagte: “Die Angst ist mein treuester Begleiter, sie hat mich noch nie betrogen, um mit jemand anderem durchzubrennen.”

Literaturempfehlung


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  • Albrecht, Karl. Practical Intelligence: the Art and Science of Common Sense. New York: Wiley, 2007.
  • de Groot JHB, Smeets MAM. Human Fear Chemosignaling: Evidence from a Meta-Analysis. Chem Senses. 2017 Oct 1;42(8):663-673. doi: 10.1093/chemse/bjx049. PMID: 28981822.
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