8 Tipps für das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung

Eine dir nahestehende Person leidet an einer bipolaren Störung? Das Zusammenleben kann in diesem Fall zu einer Herausforderung werden, doch mit den richtigen Strategien, kannst du diese Situation bewältigen.
8 Tipps für das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 25. September 2023

Das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung kann anfangs schwierig erscheinen. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, dass es sich um ein behandelbares Krankheitsbild handelt. Solange sich die Person an die pharmakologische und psychotherapeutische Behandlung hält, lassen sich die Symptome und die Höhen und Tiefen kontrollieren. Eine gute Lebensqualität ist daher möglich.

Es müssen allerdings auch andere Realitäten angesprochen werden: die Stigmatisierung, die Ängste oder auch das Risiko, die Medikation abzubrechen. Verschiedene Strategien können das Zusammenleben mit Betroffenen verbessern. Sie helfen dir, mit den spezifischen Bedürfnissen der Person mit bipolarer Störung besser umzugehen und gleichzeitig deine eigene emotionale Gesundheit zu schützen.

“Solche Empfindungen liefen mir den Rücken hinunter und in den Kopf hinein… Es war eine sehr übertriebene Müdigkeit; mit Ängsten und Verzweiflung. Und nach der himmlischen Erleichterung und Ruhe kam das Elend wieder.”

Virginia Woolf

Strategien für das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung

Die bipolare Störung ist eine chronische Gemütskrankheit, die mit depressiven und euphorischen Phasen, Energiestörungen usw. einhergeht. Laut der Zeitschrift Medicine liegt die Prävalenz zwischen 1 und 2,4 % der Bevölkerung. Es handelt sich um ein stark schwächendes Krankheitsbild, das bei fehlender Behandlung große psychosoziale Auswirkungen hat.

Die Unterstützung durch das Umfeld ist für Betroffene entscheidend. Anwesenheit, Zuneigung und Bestätigung garantieren ihre Lebensqualität. Wenn du mit einer Person mit bipolarer Störung zusammenlebst, musst du dich um ihr Wohlbefinden kümmern, eine ehrliche Kommunikation aufbauen und grundlegende Routinen fördern. Außerdem ist es wichtig, die Einnahme der Medikamente und Therapien sicherzustellen. Folgende Strategien können dir dabei helfen.

1. Psychoedukation

Die bipolare Störung geht weit über Stimmungsschwankungen hinaus. Deshalb ist Psychoedukation eine grundlegende Voraussetzung, um das Zusammenleben zu erleichtern und alltägliche Herausforderungen zu bewältigen. Es handelt sich um eine psychiatrische Krankheit mit vielen Nuancen.

Die wichtigsten Merkmale im Überblick:

  • Anfälligkeit: Du hast es mit einer Person zu tun, die oft gereizt ist, wenig Geduld zeigt und sich schnell aufregt.
  • Depressive Phasen: Die Tiefen machen das Zusammenleben kompliziert. Die betroffene Person möchte nicht aufstehen, ist nervös, hat Suizidgedanken und ist niedergeschlagen.
  • Typologien: Es gibt verschiedene Arten der bipolaren Störung mit unterschiedlichen Verlaufsformen: Typ I, Typ II, Rapid Cycling und Mischzustände.
  • Phasen der Hypomanie: Diese Phase ist ausgeprägter als die eigentliche manische Episode und kommt häufig vor. Die Gedanken sind beschleunigt, Gefühle von Grandiosität und Wahnvorstellungen treten auf und es kommt häufig zu riskantem Verhalten in finanziellen, sexuellen und anderen Bereichen.
  • Psychotische Episoden: Wie im World Journal of Psychiatry beschrieben, haben mehr als die Hälfte der Patienten häufige psychotische Ausbrüche. Das heißt, sie sehen und hören Dinge, die nicht real sind. Wenn das passiert, sollte sich die betroffene Person unbedingt in ärztliche Behandlung begeben.

Bei manchen Formen der bipolaren Störung sind die Depressionen schwerwiegender, die Phasen der Euphorie erfolgen jedoch in größeren Abständen.

2. Zuhören und kommunizieren

Was der geliebte Mensch mit bipolarer Störung am meisten braucht, ist jemand, der zuhören kann und Verständnis zeigt. Die emotionale Bestätigung ist der Grundstein, den jeder Mensch mit einer psychischen Störung zu schätzen weiß. In diesem Sinne ist es wichtig zu wissen, wie du die tägliche Kommunikation auf der Grundlage von Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsvermögen und Respekt fördern kannst. Hier sind einige Schlüssel:

  • Ermutige die Person dazu, täglich ihre Gefühle und Bedürfnisse zu äußern.
  • Lege Wert auf eine ehrliche und einfühlsame Kommunikation.
  • Vermeide es, unerwartete Kommentare oder Reaktionen zu verurteilen und zu kritisieren.
  • Nimm bestimmte Argumente und Äußerungen nicht persönlich.
  • Bleibe ruhig, wenn die Person sehr euphorisch ist.

3. Schaffe Routinen

Für einen Patienten mit bipolarer Störung ist die Regelmäßigkeit ein entscheidender Faktor, um die Stimmungsstabilität zu fördern. Routinen geben der Person Halt und einen festen Rahmen: Es ist für sie unter anderem wichtig, regelmäßige Schlaf- und Esszeiten einzuhalten. Du kannst ihr auch bei der Planung von Freizeitaktivitäten und Verpflichtungen hilfreich zur Seite stehen.

4. Lerne Handlungsrichtlinien

Wenn du mit einer Person mit bipolarer Störung zusammenlebst, ist es nützlich zu wissen, wie du dich im Falle einer Krise verhalten sollst. Es ist wichtig, die Auslöser zu verstehen, die zu einer Episode von Hypomanie oder Depression führen. Das Journal of Affective Disorders erwähnt in einem Artikel fest, dass Stress und negative Lebensereignisse häufige Auslöser sind.

Meistens gibt es Anzeichen dafür, dass die Person kurz vor einem Stimmungsumschwung steht. Veränderte Schlafmuster, Einstellungen oder Kommunikationsweisen kündigen einen Zykluswechsel an. Folgende Tipps können dir im Umgang mit der betroffenen Person in den unterschiedlichen Phasen helfen:

Manische Episode

Die manische Episode ist eine begrenzte, aber intensive Periode, in der es zu großer Hyperaktivität, wahnhafter Beschäftigung, Geschwätzigkeit, risikofreudigem Verhalten, Schlaflosigkeit usw. kommt. In dieser Phase solltest du Folgendes beachten:

  • Bleib ruhig.
  • Du solltest dich um die Sicherheit der Person kümmern.
  • Stelle sicher, dass sie die verschriebenen Medikamente einnimmt.
  • Vermeide gestresste oder “hyperaktive” Reaktionen.
  • Achte auf eine strukturierte Umgebung und Routinen.
  • Vermeide Konfrontationen, aber zeige deine Besorgnis.
  • Versuche nicht zu rationalisieren oder zu argumentieren, das hilft nicht.
  • Beobachte die Symptome und sprich darüber mit dem betreuenden Arzt oder der Ärztin.

Depressive Episode

Depressive Episoden dauern mindestens zwei Wochen und gehen mit großer Verzweiflung, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Energiemangel usw. einher. In diesen Momenten ist es ratsam, in der Nähe zu sein und das Verhalten zu überwachen, um Selbstverletzungen oder Suizidversuche zu verhindern.

  • Verhindere, dass sich die Person in die Isolation zurückzieht.
  • Zeige Einfühlungsvermögen, Nähe und Verständnis.
  • Hilf der Person bei der täglichen Selbstfürsorge.
  • Beaufsichtige sie bei der Einnahme von Medikamenten oder bei Arztbesuchen.
  • Überwache sie, um selbstzerstörerisches Verhalten zu vermeiden.
  • Ermutige sie zur Verhaltensaktivierung: Spazierengehen, Einkaufen usw.

Die gemischte Episode

Das Chonnam Medical Journal definiert gemischte Episoden bei der bipolaren Störung als Zustände mit erhöhtem Schweregrad und Behandlungsresistenz. Es kommt dabei gleichzeitig zu depressiven und manischen Symptomen. Betroffene sind in dieser Zeit besonders ängstlich und reizbar. Folgende Strategien können der betroffenen Person in dieser Phase helfen:

  • Vermeide Konfrontationen, Streit oder Urteile.
  • Ermutige die Person, ihre Gefühle auszudrücken. Verharmlose ihre Gefühle nicht.
  • Unterstütze sie bei der täglichen Selbstpflege.
  • Versuche, sie von Alkohol oder Drogen abzuhalten.
  • Setze Grenzen, um dein eigenes Wohlbefinden zu schützen.
  • Bitte andere Familienmitglieder um Hilfe, wenn du dich überfordert fühlst.
  • Kümmere dich um die Sicherheit der Person und halte sie von Selbstverletzungen ab.
  • Ziehe jederzeit Fachleute hinzu.
  • Beobachte sie, um sicherzustellen, dass sie die pharmakologische Behandlung befolgt.

5. Sorge dafür, dass die Behandlung eingehalten wird

Die Behandlung der bipolaren Störung basiert in der Regel auf Lithium, Antikonvulsiva, Stimmungsstabilisatoren und atypischen Antipsychotika. Jeder Mensch hat individuelle Merkmale, doch dies sind die verbreitetsten pharmakologischen Ansätze. Du solltest dir jedoch bewusst sein, dass Patienten die Behandlung manchmal abbrechen.

Sie können eine Vielzahl von Begründungen anführen, z. B. dass die Nebenwirkungen sehr lästig sind. In einem solchen Fall ist es gut, wenn du ihnen vor Augen führst, was passieren würde, wenn sie die Medikamente absetzen würden. Erkläre der Person ruhig, welche Folgen das für sie selbst und ihre Familie haben könnte.

Andererseits solltest du die Person dazu ermutigen, eine psychologische Therapie zu machen. Sie erhält so Werkzeuge, um Emotionen zu regulieren, das Zusammenleben und die sozialen Fähigkeiten zu verbessern, die Impulsivität zu kontrollieren usw.

Wenn Betroffene die Medikation aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen abbrechen möchten, solltest du sie dazu anregen, mit ihrem Arzt zu sprechen. Es gibt vielleicht auch andere pharmakologische Möglichkeiten, die besser geeignet sind.

6. Schaffe dir ein Unterstützungsnetzwerk

Das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung ist nicht einfach. Außerdem wird im Journal for Clinical Psychiatry betont, dass diese Patienten im Allgemeinen wenig soziale Unterstützung erhalten. In diesem Zusammenhang betonen wir noch einmal, dass Medikamente und Therapie die Grundlage für eine gute Lebensqualität bilden.

Wenn du eine Person mit bipolarer Störung liebst und schätzt, ist ein gutes Unterstützungsnetzwerk von großem Vorteil. Andere Familienmitglieder oder nahestehende Menschen können dich entlasten. Du kannst dich auch mit ihnen aussprechen, um deine eigene Gesundheit zu wahren.

7. Kümmere dich um dein eigenes Wohlbefinden

Bipolarität ist eine chronische Erkrankung, die behandelt werden kann. Vergiss nicht, dass es eine Realität ist, die immer Teil deiner Beziehung zu dieser Person sein wird. Das bedeutet, dass es zwar wichtig ist, sie bestmöglich zu unterstützen, du aber auch deine eigene psychische Gesundheit nicht vernachlässigen darfst. Wenn du dich nicht um dich selbst kümmerst, wirst du eines Tages zusammenbrechen.

Folgende Strategien können dir helfen:

  • Gib deine persönlichen Ziele und Vorstellungen nicht auf.
  • Nimm dir jeden Tag Zeit für Ruhe und Einsamkeit.
  • Genieße die Freizeit mit Freunden und anderen Familienmitgliedern.
  • Delegiere bisweilen Aufgaben an andere.
  • Denke daran, dass du Bedürfnisse hast, die erfüllt werden wollen.
  • Vereinbare Grenzen und mache deutlich, welche Verhaltensweisen du nicht akzeptieren kannst.
  • Gib dir nicht selbst die Schuld an den selbstzerstörerischen Verhaltensweisen der anderen Person.
  • Lerne, mit Stress umzugehen und greife auf professionelle Unterstützung zurück, wenn du sie brauchst.

8. Genieße und schätze die guten Zeiten

Du solltest dich nicht ausschließlich auf den psychischen Zustand der betroffenen Person konzentrieren. Es handelt sich um eine Person mit Träumen, Leidenschaften und Projekten, eine Person, die du liebst und schätzt. Genieße die Zeit mit ihr, denn schöne gemeinsame Erlebnisse festigen die Beziehung. Konzentriere dich auf die Gegenwart und die schönen Erfahrungen. 

Liebe, Geduld und Psychoedukation bei bipolarer Störung

Das Zusammenleben mit einer Person mit bipolarer Störung ist nicht einfach, doch mit ärztlicher Unterstützung, effektiven Strategien und der Hilfe von Familie und Freunden kannst du mit dieser Herausforderung umgehen. Vergiss nicht, Grenzen zu setzen und dich auch um dein eigenes Wohlergehen zu kümmern!


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