Zerbrechliche Beziehungen und ihre Auswirkungen

Wir können die Tendenz hin zu oberflächlichen, schnelllebigen und zerbrechlichen Beziehungen beobachten. Doch in Wahrheit benötigen wir solide Freundschaften, die uns auf unserem Weg begleiten.
Zerbrechliche Beziehungen und ihre Auswirkungen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 05. Februar 2024

Niemandem ist entgangen, dass unsere Beziehungen freier, unabhängiger und auch oberflächlicher geworden sind. Der polnische Soziologe Zygmunt Bauman spricht von “Liquid Love” oder flüssigen Beziehungen, die sich durch ihre Zerbrechlichkeit kennzeichnen. In unserem heutigen Beitrag sprechen wir jedoch nicht nur über Paarbeziehungen, sondern insbesondere über Freundschaften, die ebenfalls ein Verfallsdatum haben. Wir sind soziale Wesen – welche Folgen haben zerbrechliche Beziehungen? Können wir damit glücklich werden?

Oberflächliche Beziehungen sind stressig, da sie unsere grundlegenden Bindungsbedürfnisse nicht erfüllen.

Jugendlicher leidet durch zerbrechliche Beziehungen
Jugendliche leiden besonders, wenn sie keine starken sozialen Beziehungen haben.

Welche Auswirkungen haben zerbrechliche Beziehungen?

Wir alle pflegen in unserem täglichen Leben den Umgang mit Bekanntschaften, die oberflächlich und sporadisch bleiben. Wir können jedoch auch die Tendenz beobachten, dass Freundschaften immer oberflächlicher und zerbrechlicher werden. Dies zeigt uns, dass wir auf emotionaler Ebene scheitern. Wir haben zwar die Möglichkeit, in sozialen Netzwerken oder Apps neue Kontakte zu schließen, doch es geht um die Qualität, an der es vielfach mangelt.

In unserer digital geprägten Gegenwart glauben wir, dass wir eine verlorene Freundschaft oder eine Liebe, die nicht mehr so leidenschaftlich wie in den ersten Wochen ist, ganz einfach durch neue Kontakte ersetzen können. Funktioniert das tatsächlich?

Die Generation Z (1997-2012) entwickelt zunehmend Gefühle der Einsamkeit und psychische Probleme: Unsere Jugend ist mit der Technologie groß geworden und hat die Welt durch digitale Realitäten entdeckt. Sie ist daran gewöhnt, in sozialen Netzwerken oder Apps Kontakte zu knüpfen, allerdings scheint die Unzufriedenheit mit diesen sozialen Beziehungen eine Konstante zu sein.

Der moderne Mensch wird von Belohnung und Verstärkung angetrieben. Sobald eine Beziehung ihm nicht mehr genug Dopamin liefert, springt er zur nächsten, denn er glaubt, dass es immer etwas Besseres gibt. 

Individualismus und das erste “Ich”

Eines der grundlegendsten Bedürfnisse des Menschen besteht darin, seine Freiheit zu sichern. Wir leben gerne selbstbestimmt und treffen unsere eigenen Entscheidungen, denn das ist ein Schlüssel zu unserem Wohlbefinden. Nur wer im Einklang mit seinen Werten und Wünschen handelt, fühlt sich zufrieden und erfüllt.

In unserer modernen Gesellschaft können wir jedoch vermehrt individualistisches Verhalten beobachten, das ausschließlich auf die Befriedigung der eigenen Interessen abzielt. Zuerst komme ich und danach wieder ich. Wir sprechen jedoch um einen unausgereiften Individualismus, der sich unter anderem hinter Phänomenen wie Ghosting versteckt.

Der Markt der Emotionen

Zerbrechliche Beziehungen sind häufiger, da nicht jeder daran interessiert ist, sich an einen Partner oder an Freunde zu binden. Manche Personen lieben die Neuheit, das Vergnügen und die Unterhaltung, doch eine tiefgehende Freundschaft fordert auch Kompromisse, Verantwortung und Unterstützung. Sobald die Emotionen ihre Intensität verlieren und das Neue zur Routine wird, ist die Beziehung nicht mehr interessant.

Die Kultur der Trivialität und des Scheins

Zwar sind zerbrechliche Beziehungen häufig, dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Generationen, die im Zeitalter der neuen Technologien zur Welt kommen, damit abfinden oder zufriedengeben. Teenager brauchen solide Freundschaften.

Eine Studie der Universität Lissabon zeigt, wie sich der Mangel an Freunden auf die psychische Gesundheit junger Menschen auswirkt. Sie fühlen sich weniger zufrieden mit ihrem Leben und das hat offensichtliche Auswirkungen auf ihre psychosoziale Entwicklung. Dies hängt oft direkt mit der Trivialität zusammen, die soziale Netzwerke verkaufen – eine Welt des Scheins und der Oberflächlichkeit, die uns unsere Identität und das Engagement für soziale Bindungen nimmt.

Die meisten Menschen wünschen sich einen stabilen Partner und solide Freundschaften, sind aber nicht in der Lage, sich um diese Bindungen zu kümmern, weil sie ihren eigenen Bedürfnissen mehr Priorität einräumen.

Eine widersprüchliche Gesellschaft: Ich will Liebe, bin jedoch nicht fähig, sie zu pflegen

In zerbrechlichen Beziehungen scheitert die Kommunikation, es gibt kein echtes Interesse. Doch warum scheinen so viele Menschen innerlich leer zu sein? Manche Menschen sind nicht in der Lage, solide Beziehungen aufzubauen, da sie psychologische Probleme, Traumata oder Ängste haben. Sie sehnen sich zwar nach Liebe und Freunden, doch sie sind nicht fähig, sich um andere Menschen zu kümmern.

zerbrechliche Beziehungen
Jede Beziehung erfordert Engagement, Vertrauen und Respekt.

Freundschaft und Liebe brauchen Zeit

Es gibt viele Gründe für dieses immer häufiger auftretende Phänomen der zerbrechlichen Beziehungen. Technologie, eine Mentalität, die den Individualismus in den Vordergrund stellt, und auch psychologische Probleme verändern unsere Wahrnehmung: Wir fühlen uns allein, auch wenn wir sehr viele Kontakte haben.

Diese ungeheure Ironie ist eine unserer größten Herausforderungen. Denn anders als wir vielleicht glauben, sind soziale Bindungen der tägliche Halt, der unser psychisches Wohlbefinden erhält. Freundschaft wird, wie die Liebe, nicht “verbraucht”, sondern durch Engagement, Vertrauen, Respekt und tägliche Fürsorge aufgebaut. Wir müssen diese wertvollen Beziehungen pflegen und nähren. Nicht die Quantität zählt, sondern die emotionale und menschliche Qualität.


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