Wissenswertes über stimmungsstabilisierende Medikamente

Stimmungsstabilisierende Medikamente helfen Menschen mit einer Bipolaren Störung in manischen und depressiven Phasen. Erfahre mehr darüber.
Wissenswertes über stimmungsstabilisierende Medikamente
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 16. März 2023

Stell dir eine Fahrt auf der Achterbahn vor: Du erlebst Euphorie, Angst, Beklemmung – extreme Stimmungsschwankungen, die dich überwältigen. Menschen mit einer Bipolaren Störung erleben dieses Gefühl von himmelhochjauchzend (manische Episode) und zu Tode betrübt (depressive Episode) jeden Tag. Von einem Stimmungshoch stürzen sie in Hoffnungslosigkeit, deshalb kommen stimmungsstabilisierende Medikamente zum Einsatz, um ihnen zu helfen.

Wir sprechen von einer schweren psychischen Störung: Die Bipolare Störung wird mit einer hohen Suizidrate assoziiert. Das Leid betroffener Menschen ist unermesslich und beeinträchtigt alle Lebensbereiche. Bevor wir näher auf stimmungsstabilisierende Medikamente eingehen, definieren wir kurz das Krankheitsbild dieser manisch-depressiven Störung.

“Die bipolare Störung hat unter den affektiven Störungen die höchsten Selbstmordraten.”

Gonda

Frau mit Bipolarer Störung nimmt stimmungsstabilisierende Medikamente
Rowland weist darauf hin, dass die Bipolare Störung mit einer funktionellen Verarmung einhergeht.

Bipolare Störung

Rund 0,5 Prozent der Weltbevölkerung leiden an einer Bipolaren Störung. Diese unheilbare, chronische Krankheit, die meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter beginnt, verläuft in Phasen:

  • Bipolar I-Störung: Die manische Episode dauert mindestens 14 Tage und Betroffene erleben mindestens eine depressive Episode.
  • Bipolar II-Störung: Die depressive Episode dauert mindestens 14 Tage und Betroffene erleben mindestens eine hypomane Episode (leichte Form der Manie).
  • Zyklothyme Störung: Die Betroffenen leiden über mindestens zwei Jahre an leichten manischen und depressiven Stimmungsschwankungen, doch erfüllen nicht alle Kriterien für Manie oder Depression.

In der manischen Episode sind Betroffene ruhelos und reizbar, sie haben viele Ideen, rasende Gedanken und sind leicht ablenkbar. Außerdem überschätzen sie sich oder haben Größenwahn, zeigen unkontrolliertes und ungehemmtes Verhalten und ein vermindertes Schlafbedürfnis.

Die depressive Phase lässt sich mit Antriebslosigkeit, Schwermut und Gleichgültigkeit beschreiben. Betroffene haben Schuldgefühle, Schlafstörungen, Todesgedanken, Konzentrationsschwierigkeiten und fühlen sich oft wertlos und niedergeschlagen.

Stimmungsstabilisierende Medikamente

Menschen mit Bipolarer Störung benötigen eine medikamentöse Behandlung, um sie zu stabilisieren. Wir besprechen anschließend zwei häufig zum Einsatz kommende Gruppen von Arzneimitteln: Lithium und Antikonvulsiva.

1. Lithium

Lithium zählt zu den wirksamsten Medikamenten, die bei einer Bipolaren Störung zum Einsatz kommen. Es wird bereits seit mehr als 50 Jahren als Stimmungsstabilisator verschrieben, auch wenn der genaue Wirkmechanismus noch unbekannt ist. Lithium hat sich vor allem in der Frühphase und zur Prävention als sehr wirksam erwiesen, deshalb ist es die erste Wahl, insbesondere bei Patienten mit überwiegend manischen Episoden.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass dadurch der Serotonin-  und Noradrenalinspiegel erhöht wird, was gegen Depressionen wirkt. Gleichzeitig reguliert Lithium den Dopaminspiegel und hat deshalb eine antimanische Wirkung.

Die ärztliche Überwachung ist wesentlich, da die Blutkonzentration  zwischen 0,6 und 1 mmol/l liegen muss. Der Lithiumspiegel kann sich durch alltägliche Faktoren (z. B. Aufnahme von Salz durch die Ernährung) schnell verändern.

Lithium hat allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen, unter anderem gastrointestinale Symptome wie Dyspepsie, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Gewichtszunahme, Haarausfall, Akne, Zittern und Sedierung.

Frau nimmt stimmungsstabilisierende Medikamente
Der australische Psychiater John F. Cade beschrieb Lithium 1949 zum ersten Mal als psychiatrisches Medikament.

2. Antikonvulsiva

Es gibt einige Medikamente, die bei der Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden und auch bei einer Bipolaren Störung vorteilhaft sein können. Obwohl auch ihr genauer Wirkmechanismus unbekannt ist, gehen Forscher davon aus, dass sie die Wirkung des Neurotransmitters GABA modulieren, der mit Ruhe und Entspannung in Verbindung gebracht wird. Zu den am häufigsten verwendeten Antikonvulsiva gehören:

  • Valproinsäure. Zusammen mit Lithium zählt dieses Arzneimittel zu den häufigsten Stimmungsstabilisatoren. Für schwangere und gebärfähige Frauen ist es allerdings nicht geeignet, da es zu Missbildungen beim Fötus führen kann. Es ist wichtig, die Behandlung streng zu überwachen, denn der Blutspiegel sollte zwischen 50 und 100 mg/L liegen. Die Wirksamkeit in der manischen Phase ist erwiesen. Dieses Medikament wird außerdem auch bei Migräne eingesetzt.
  • Carbamazepin. Dieses Dibenzoazepin-Derivat hat sich in der manischen Phase ebenfalls als wirksam erwiesen. Es produziert allerdings Nebenwirkungen wie Hautausschläge und einen veränderten Natriumspiegel (Hyponatriämie). Die ärztliche Kontrolle ist wichtig, denn der Blutspiegel sollte zwischen 5 und 12 µg/ml liegen. Für schwangere und gebärfähige Frauen ist dieses Medikament nicht geeignet. Carbamazepin kommt auch bei neuropathischen Schmerzen zur Anwendung.
  • Oxcarbamazepin. Dieses Medikament wirkt ähnlich wie Carbamazepin, hat jedoch den Vorteil, dass es nicht notwendig ist, den Blutspiegel zu überwachen und weniger Nebenwirkungen hat.
  • Lamotrigin. Dieses Medikament ist wissenschaftlich gut belegt und kann sowohl depressive als auch manische Episoden verhindern. Es ist eines der wenigen Psychopharmaka, das bei bipolaren Depressionen wirkt. In der Regel ist es gut verträglich.

Inzwischen gibt es zahlreiche Hilfsmittel, um Menschen mit einer Bipolaren Störung zu helfen. Trotzdem besteht großer Bedarf an Forschung. Die Behandlungen müssen verbessert und die Stigmatisierung verhindert werden, um die Integration der Betroffenen zu erleichtern.


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