Wie sich das Unbewusste im Alltag manifestiert

Wie sich das Unbewusste im Alltag manifestiert
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 09. Mai 2023

Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, bemerkte Phänomene, die anderen Wissenschaftlern seiner Zeit noch nicht aufgefallen waren. Diese betrafen unter anderem die Manifestationen des Unbewussten im Alltag. Aus seinen Beobachtungen entstand eine Arbeit, die zu einem Klassiker der Psychologie wurde: Die Psychopathologie des Alltagslebens.

In dieser Arbeit identifiziert Freud alltägliche Geschehnisse, die sich in einer Sphäre befinden, das wir als “nicht rational” bezeichnen könnten. Hierbei handelt es sich um Ausdrücke, die sozusagen mit unserer Logik brechen. Dazu gehören beispielsweise Verhaltensweisen wie Fehltritte, das selektive Vergessen, Fehlleistungen und andere.

Einer der interessantesten Aspekte an Freud und diesem speziellen Thema ist, dass mit diesen Postulaten die Vorstellung zusammenbricht, dass die Menschen ausschließlich durch ihre Vernunft geleitet würden. In Wahrheit gibt es in unserer Denk-, Gefühls- und Handlungsweise aber Einflüsse, die unser Bewusstsein nicht durchdringen, die nicht zur Vernunft gezählt werden können. Freud hat darauf hingewiesen, dass diese Einflüsse jene seien, die unwillkürlich ausgedrückt werden. Ebenso seien es auch diese ignorierten Inhalte, die letztendlich dazu führen, dass das Leiden chronisch wurde und uns schließlich krank mache.

“Wenn du die Tür zu all deinen Fehlern schließt, wird auch die Wahrheit für immer draußen bleiben.”

Rabindranath Tagore

Fehltritte als eine Manifestation des Unbewussten im Alltag

Fehltritte sind ein gutes Beispiel für den Ausdruck des Unbewussten, und dazu zählen unfreiwillige Fehler in unserer Sprache. Diese treten zum Beispiel auf, wenn wir etwas sagen möchten, doch schließlich etwas ganz anderes äußern. Diese Verwirrung bringt uns fast immer zum Lachen und wir nehmen sie nicht allzu ernst. Das klinische Auge Freuds sah in solchen Fehltritten jedoch weit mehr als nur einen Fehler ohne jegliche Bedeutung, einen Kurzschluss, dem man keine Beachtung schenken müsste. Vielmehr verstand er sie als Fenster zu unseren Wünschen oder unbewussten Inhalten.

Diese Fehltritte können im Gesprochenen oder auch im Geschriebenen auftreten. Es gibt sehr berühmte dieser Fehler, wie zum Beispiel den von Mariano Rajoy, dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten, der in einer Debatte sagte: “Was wir getan haben und Sie nicht, ist, die Menschen zu täuschen.”

Unvergessen bleibt auch der Moment, in dem der ehemalige Präsident von Kolumbien, Juan Manuel Santos, der zugleich Träger des Friedensnobelpreises von 2016 ist, in einer Kontroverse sagte: Das macht die Anzahl der Stimmen, die zugunsten der Korruption hinterlegt wurden, nicht ungültig.”  Er meinte damit die “Stimmen, die zugunsten der Wiederwahl hinterlegt wurden”.

In diesen Beispielen mögen die Versprecher als Schuldeingeständnisse verstanden werden. Diese Fehltritte zeigen demnach einen guten Weg auf, um durch ein Geständnis eine Versöhnung anzustreben, und eine der Möglichkeiten, wie das Unbewusste im Alltag zum Ausdruck kommen kann. 

Zwei Köpfe, in denen Buchstaben herumschwirren

Das selektive Vergessen als eine weitere Manifestation des Unbewussten im Alltag

Der Inhalt unseres Gedächtnisses ist nicht immer verfügbar. Wir alle haben uns schon einmal gefühlt, als wäre dieser großartige Laden geschlossen, genau in dem Moment, in dem wir dorthin gegangen sind, um uns an etwas Spezielles zu erinnern. Dies ist insbesondere bei konkreten Elementen wie Worten, Namen und Gesichtern der Fall. Was uns noch seltsamer vorkommen mag, ist, etwas zu vergessen, das wir uns eigentlich merken sollten und das großen Einfluss auf etwas hat, das wir häufig tun. 

So wie, wenn wir “vergessen” haben, eine Aufgabe zu erledigen, die uns nachdrücklich anvertraut wurde. Oder wenn wir den Namen eines Kollegen vergessen, den wir jeden Tag sehen. Ähnliches geschieht auch in Situationen wie einer Rede, die wir sehr oft geübt haben, während der uns aber plötzlich nichts mehr einfällt.

All diese Beispiele wären unter dem Paradigma der Psychoanalyse Manifestationen des Unbewussten. Was dem zugrunde liegen mag, ist, dass bestimmte Dinge abgelehnt werden, weil sie mit Wünschen, Ängsten oder Inhalten zu tun haben, die wir noch nicht rationalisiert haben. Wir vergessen Aufgaben, die wir nicht erledigen wollen, den Namen einer Person, mit der wir irgendein Problem haben, oder eine Rede, dir wir weder halten wollen noch mit deren Inhalt wir einverstanden sind.

Frau, die in Wolken gehüllt ist

Manifestation des Unbewussten in Form fehlgeschlagener Handlungen

Fehlgeschlagene Handlungen sind den verbalen Fehltritten ähnlich, von denen wir zuvor gesprochen haben, haben jedoch nichts mit der Sprache zu tun, sondern mit unserem Tun. Einige nennen sie auch “vollendete Taten”, weil es sich hierbei um Situationen handelt, in denen wir etwas tun wollen, im Endeffekt jedoch etwas ganz anderes tun, als wir eigentlich geplant hatten – ohne zu wissen, warum. Das Unbewusste hat unser Bewusstsein überwunden, weil das verborgene Verlangen stärker war, als der bekannte Wunsch. 

Von einer gescheiterten Handlung sprechen wir beispielsweise, wenn wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Ort fahren wollen und sicher sind, die Route richtig geplant zu haben. Dennoch befinden wir uns im Endeffekt sehr weit von unserem Ziel entfernt, weil wir die falsche Linie genommen haben. Die Hypothese hierzu wäre, dass die unbewusste Ablehnung unseres Termins beim Zahnarzt oder anderswo dazu geführt hat, dass wir unserem Wunsch gefolgt sind, nicht dort hinzugehen. 

All diese Manifestationen des Unbewussten im alltäglichen Leben zeigen uns, was sich in den Tiefen unseres Selbst befindet. Eigentlich sind diese nicht falsch, sondern nur der Ausdruck von etwas, das wir tief in uns tragen und das nicht leicht an die Oberfläche treten kann.


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  • Wagner, W., Hayes, N., & Flores, F. (2011). El discurso de lo cotidiano y el sentido común. La teoría de las representaciones sociales. Barcelona: Anthropos.


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