Was wir im Laufe der Zeit lernen...

Was wir im Laufe der Zeit lernen...
Raquel Aldana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Raquel Aldana.

Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2022

Auf unserem Lebensweg über einige Steine zu stolpern ist nichts Schlechtes. Doch immer und immer wieder über dieselben Stolpersteine zu fallen schon. Sie gehören zu unserem Leben nun einmal dazu, und wenn es etwas gibt, dass uns Menschen definiert, dann ist es unsere Fähigkeit, Hürden zu überwinden.

Wir befinden uns im ständigen Wettstreit mit dem Leben, der Ruhe und der Unsicherheit, dabei wollen wir immer mehr und müssen uns in Geduld üben. So schwierig das Leben auch sein mag, wir sind dazu in der Lage, aus unserer Angst ein Schutzschild voller Mut werden zu lassen.

Denn dann entschließt du dich dazu, dem finalen Punkt noch zwei weitere hinzuzufügen, tief durchzuatmen, dir Zeit zu nehmen, deine Gedanken zu ordnen. Ganz gleich, wie sehr sich dein Leben verdunkelt hat, du hast das Recht, innezuhalten und dir eine neue Perspektive zu suchen.

Das Leben als Lehrmeister

Das Leben ist ein so guter Lehrer, dass sich die Lektion tatsächlich wiederholt, wenn wir sie nicht gelernt haben. Aus diesem Grund müssen wir oftmals der Verzweiflung und der Frustration darüber, dass nichts so läuft, wie wir es uns vorgestellt haben, die Stirn bieten. Es gibt keine Anleitungen dazu, wie wir überleben, denn wir lernen es erst, wenn wir uns an etwas verbrannt haben.

Einen Weg gehen

Mit der Zeit lernen wir, uns dem Leben anzupassen, die Stolpersteine des Lebens als Wegweiser anzusehen und die Initative zu ergreifen. Jorge Luis Borges hinterließ uns dieses wundervolle Gedicht, das uns vor Augen führt, was uns das Leben lehrt – immer wieder stolpern, aufstehen und weitermachen:

Im Laufe der Zeit lernte ich, den feinen Unterschied zwischen dem Halten einer Hand und dem Anketten einer Seele zu erkennen. Und ich lernte, dass Liebe nicht bedeutet, sich zurückzulehnen, und dass es nicht der Inbegriff von Sicherheit ist, einen Gefährten an unserer Seite zu haben.

Im Laufe der Zeit begann ich zu verstehen, dass Küsse keine Verträge und Geschenke keine Versprechen sind.

Im Laufe der Zeit lernte ich, dass mit jemandem zusammen zu sein, weil einem dieser Mensch eine gute Zukunft bietet, bedeutet, dass du wir uns früher oder später nach der Vergangenheit sehnen werden. Und uns wird bewusst, dass eine Ehe von vornherein zum Scheitern veruteilt ist, wenn wir heiraten, weil ‘es eben an der Zeit ist’.

Im Laufe der Zeit verstand ich, dass nur jemand, der dazu in der Lage ist, uns mit all unseren Fehlern zu lieben und nicht die Absicht hat, uns zu ändern, uns all das Glück bescheren kann, das wir uns wünschen.

Nachdenkliche Frau

Im Laufe der Zeit wird uns klar, dass, wenn wir mit dieser Person aus Angst vor der Einsamkeit zusammen sind, wir sie garantiert irgendwann nicht mehr in unserem Leben haben wollen.

Im Laufe der Zeit wird uns bewusst, dass wahre Freunde viel wertvoller sind als irgendeine Geldsumme. Und ich erkannte, dass wir wahre Freunde an einer Hand abzählen können, und dass derjenige, der nicht um sie kämpft, früher oder später nur von falschen Freunden umgeben sein wird.

Im Laufe der Zeit lernte ich, dass aus der Wut heraus gesagte Wörter einen Menschen, den wir mit ihnen verletzt haben, noch lange bzw. das ganze Leben lang belasten können. Und ich lernte, dass wir vergeben müssen, was getan wurde, aber dass die Kunst des Vergebens nur wunderbare Seelen beherrschen.

Im Laufe der Zeit verstand ich, dass, wenn wir einen Freund tief verletzt haben, die Freundschaft sehr wahrscheinlich nie wieder dieselbe sein wird. Und wir begreifen, dass, auch wenn wir mit unseren Freunden glücklich sind, wir eines Tages denen hinterher weinen werden, die wir haben gehen lassen. Und wir erkennen, dass jede gemachte Erfahrung mit jedem Menschen einmalig ist.

Im Laufe der Zeit wird uns bewusst, dass derjenige, der einen anderen Menschen beschämt oder nicht zu schätzen weiß, eines Tages das Gleiche, aber in einem viel größeren Maß erfahren muss.

Im Laufe der Zeit lernte ich, dass wir alles, was wir uns wünschen, heute erschaffen sollten, weil der Weg, den wir morgen einschlagen werden, ziemlich unsicher ist, wenn es darum geht, Pläne zu schmieden.

Im Laufe der Zeit verstand ich, dass darauf zu warten oder zu erzwingen, dass etwas passiert, nur dazu führt, dass es letztendlich nicht so kommt, wie wir uns es erhofft haben.

Fehlende Zeit

Im Laufe der Zeit wird uns bewusst, dass in Wahrheit das Beste nicht die Zukunft war, sondern der Moment, den wir in diesem Augenblick erlebten und genossen.

Im Laufe der Zeit werden wir sehen, dass, obwohl wir uns mit den Menschen an unserer Seite glücklich schätzen können, wir die, die uns gestern verließen, schmerzlich vermissen werden.

Im Laufe der Zeit lernte ich, dass versuchen zu vergeben oder um Vergebung zu bitten, zu sagen, dass wir jemanden lieben, ihn vermissen, ihn brauchen, ihn als Freund wollen… vor einem Grab keinen Sinn mehr hat.

Doch leider verstehen wir all das erst im Laufe der Zeit.

Die Zeit lehrt uns vieles, doch die Stolpersteine auf unserem Lebensweg lehren uns noch mehr

Nicht die Zeit gibt uns zu verstehen, dass wir aus Fehlern lernen müssen und wir stolz auf uns selbst sein sollten. Es sind die Stolpersteine des Lebens und Niederlagen, die unsere Sichtweise und unser Leben verändern.

Was uns nicht tötet, macht uns stärker. Wir lernen, uns zu befreien, mit voller Kraft gegen unsere Vorurteile anzukämpfen, aufzustehen und weiterzumachen, uns von Beschwerden zu lösen, das Gespräch mit uns selbst zu suchen, Neid zu verstehen, wir selbst zu sein und uns Pausen zu gönnen.

Wenn wir hinfallen und Leid empfinden, begreifen wir, dass alles kommt, alles geht und sich alles ändert. So paradox uns das auch erscheinen mag, aber der Moment der Veränderung kommt dann, wenn wir anfangen, uns so zu akzeptieren, wie wir sind.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.