Was unterscheidet den zuhörenden Freund von einem therapierenden Psychologen?

Ein Freund kann dich unterstützen und ermutigen, er ist jedoch nicht dafür verantwortlich, deine Probleme zu lösen.
Was unterscheidet den zuhörenden Freund von einem therapierenden Psychologen?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 23. April 2023

Freunde zu haben, mit denen du deine innersten Gefühle, Ängste und Erfahrungen teilen kannst, ist wunderbar. Diese Freundschaften sind bereichernd und stärken das psychische Wohlbefinden. Sie sind allerdings keine Psychologen und du solltest ihr Vertrauen nicht zu sehr strapazieren. Nahestehende Personen können dich in schwierigen Situationen unterstützen, jedoch nicht die Aufgabe eines Therapeuten oder einer Therapeutin übernehmen.

Freunde können Verständnis und Trost spenden, aber selbst wenn sie Psychologen sind, ist es nicht ihre Aufgabe, professionelle Unterstützung zu leisten.

Was unterscheidet den zuhörenden Freund von einem therapierenden Psychologen?
Freunde sind keine Therapeuten. Sie können eine professionelle Therapie nicht ersetzen, auch wenn sie dir zuhören und dir Trost spenden.

Freunde sind keine Psychologen

Freunde leisten einen enorm wichtigen Beitrag zur psychischen Gesundheit, trotzdem ist es nicht ihre Aufgabe, therapeutische Verantwortung zu übernehmen. Eine Studie der Columbia University und andere Forschungsarbeiten zeigen, dass Frauen besonders großen Wert auf Freundschaften legen, da sie sehr davon profitieren. Sie helfen, Stress abzubauen, Probleme zu relativieren und Einsamkeit zu vermeiden. 

Freunde sind zweifellos in jeder Lebenslage wichtig. Sie bereichern unser Dasein und erhöhen sogar unsere Lebenserwartung. Doch es gibt Grenzen. Wir sprechen anschließend über verschiedene Grundprinzipien, die berücksichtigt werden sollten.

“Der Freund ist einer, der alles von dir weiß, und der dich trotzdem liebt.”

Elbert Hubbard

1. Ihr Rat ist nicht immer gültig

Du kannst deinen Freund oder deine Freundin in verschiedensten Bereichen um Rat fragen, doch sie geben dir Ratschläge, die auf ihre eigenen Erfahrungen aufbauen. Was bei ihnen funktioniert hat, muss für dich nicht unbedingt das Beste sein. 

2. Freunde sind manchmal selbst überfordert

Freunde müssen nicht 24/7 für dich da sein und sie haben auch selbst Sorgen und Probleme. Deshalb sind sie nicht immer in der Lage, dir zuzuhören. Vielleicht sind sie gerade selbst gestresst oder überfordert und fühlen sich trotzdem verpflichtet, dir zu helfen. Damit kannst du sie zusätzlich belasten.

3. Freunde sind keine Psychologen

Es ist normal, dass gute Freunde in guten und schlechten Zeiten an deiner Seite sind. Sie können dich manchmal aus einem Labyrinth befreien, doch sie sind keine Psychologen und es ist auch nicht ihre Aufgabe, deine Probleme zu lösen oder therapeutische Funktionen zu übernehmen. In einer psychologischen Beratung oder Therapie erhältst du Werkzeuge an die Hand, mit denen du Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen kannst.

4. Emotionale Verbindung

Freunde sind nicht immer so offen oder ehrlich, wie es die Situation erfordert, da sie dich schützen oder schonen möchten. Die enge emotionale Bindung kann zu Halbwahrheiten oder Notlügen führen, um dich zu ermutigen oder dir Leid zu ersparen. Auch wenn die Absichten gut sind, ist Diplomatie nicht unbedingt die beste Lösung.

5. Unterstützung ist der erste Schritt, aber er reicht nicht aus

Vielleicht machst du gerade eine schmerzhafte Zeit durch. Eine emotionale Trennung, eine Kündigung, ein familiäres Problem, Hoffnungslosigkeit… Freunde können deine beste Unterstützung sein, aber sie haben nicht die Fähigkeiten und Instrumente einer psychologischen Fachkraft. 

Du kannst dich bei einem Freund über dein Leben beschweren, doch psychologische Strategien helfen dir, schwierige Situationen zu überwinden.

Psychologen sind neutraler als Freunde
In einer Psychotherapie erhältst du Instrumente und Strategien, mit denen du schwierige Situationen überwinden kannst.

Psychologen sind keine Freunde

In der Psychotherapie gibt es eine grundlegende Regel: Es müssen klare Grenzen zwischen Fachkraft und Patient eingehalten werden. Eine gute Beziehung ist genauso wichtig, denn nur wenn Vertrauen vorhanden ist, funktioniert die Therapie. Deine Freunde sind keine Psychologen, du gehst jedoch auch nicht zum Psychologen, um eine Freundschaft zu schließen.

Folgende Grundsätze sind wichtig:

  • Psychologen sollten keine persönlichen Ratschläge erteilen. Das ist nicht ihre Aufgabe.
  • Objektivität und Neutralität sollten im Rahmen des Möglichen gewahrt werden.
  • Es sollte keine Beziehung zwischen der Fachkraft und dem Patienten außerhalb des therapeutischen Kontextes bestehen.

Auch wenn es manchmal eine gewisse Flexibilität geben kann, ist Abstand angebracht. Die psychologische Fachkraft sollte eine Übertragung (Gefühle des Patienten gegenüber dem Therapeuten) und auch die Gegenübertragung (Gefühle des Psychologen gegenüber dem Patienten) vermeiden. Der therapeutische Erfolg erfordert Objektivität. 


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