Was sind Benzodiazepine? Anwendungsgebiete und Nebenwirkungen

Was sind Benzodiazepine? Anwendungsgebiete und Nebenwirkungen

Letzte Aktualisierung: 30. August 2019

Benzodiazepine liegen in unseren Nachttischen und finden sich in unseren Taschen. Sie stecken in den Tabletten gegen den Schmerz des Lebens. Sie sind die Garantie dafür, dass wir Schlaf finden und das Angst und Leid in ihrer Höhle bleiben. Wie auf magische Weise lösen sich diese Probleme dank der wundervollen, aber auch gleichzeitig abhängig machenden Arzneimittel in Luft auf.

In dem herausragenden Film August: Osage County  wurde gesagt, dass Frauen ihre Probleme gern mit Tabletten bekämpfen, während Männer hingegen lieber auf Alkohol zurückgreifen. In diesem Film sehen wir, wie Meryl Streep auf meisterhafte Art und Weise diese dramatische Realität darstellt, die der regelmäßige und unkontrollierte Konsum von Benzodiazepinen mit sich bringt.

„Wir behandeln Trauer und Angst mit Tabletten, als wären sie Krankheiten – dabei sind sie nur Symptome.“

Guillermo Rendueles

Dieser Film ist ein gnadenloses, aber realistisches Beispiel für die Situation vieler unserer Mitmenschen: Menschen, die von einer legal verschriebenen Droge abhängig geworden sind, Patienten, die jeden Tag noch höhere Dosen einnehmen, um sich gut zu fühlen, und sogar ältere Frauen, die jahrzehntelang eine „kleine Pille“ geschluckt haben, um schlafen zu können und deren Lebensqualität nun eingeschränkt ist.

Es gibt nicht nur Licht, sondern auch viele Schatten, die auf diese Beruhigungsmittel fallen, deren Aufgabe es ist, unser Leben erträglicher zu machen, sobald sich Schwierigkeiten auftun, seien sie real oder eingebildet. Niemand zweifelt ihre kurzfristige, relativ starke Wirkung an. Doch wie wir bereits wissen, können Angstzustände und Depressionen lange andauern und der Wunsch nach einer Verbesserung des Zustands ist groß. Damit einher geht das Risiko einer Abhängigkeit, worüber gesprochen werden muss.

Was sind Benzodiazepine?

Höchstwahrscheinlich sagt der Begriff Benzodiazepine den meisten nichts. Aber wenn die Rede von Diazepam, Dormicum, Lorazepam, Midazolam oder Valium ist, sieht das gleich ganz anders aus. Ein Großteil der Bevölkerung hat solche Tabletten schon aus einem bestimmten Grund eingenommen oder kennt zumindest ein Familienmitglied, einen Freund oder Arbeitskollegen, der sie täglich anwendet. Mehrere Studien weisen darüber hinaus darauf hin, dass Benzodiazepine immer häufiger in Seniorenheimen verschrieben werden. So weit, so gut. Doch was sind Benzodiazepine wirklich?

Benzodiazepine sind Beruhigungsmittel. Es handelt es sich bei ihnen um Medikamente mit Suchtpotenzial, die auf das zentrale Nervensystem einwirken. Sie erhöhen die Wirkung einer Substanz im Gehirn, die sich GABA (γ-Aminobuttersäure) nennt. GABA greift im Kleinhirn, in die Basalganglien und im Rückenmark in neuronale Netzwerke ein. Seine Funktion besteht darin, die Aktivität der Neuronen im Nervensystem zu vermindern.

Interessant ist, dass Benzodiazepine in den 60er Jahren auf den Markt kamen, um Barbiturate zu ersetzen. Seit der Markteinführung des bekannten Valium (Diazepam) durch den Pharmakonzern ROCHE im Jahr 1963 sind Benzodiazepine zu jenen verschreibungspflichtigen Wirkstoffen geworden, die derzeit so oft wie keine anderen konsumiert werden.

Der Konsum von Psychopharmaka wie Anxiolytika ist dieses Jahr erneut angestiegen.

Anwendungsgebiete und Arten von Benzodiazepinen

Benzodiazepine werden benutzt, um Panikattacken oder generalisierte Angststörungen zu behandeln. Auch bei Schlaflosigkeit, Epilepsie und Bindungsängsten kommen sie zum Einsatz, um Schmerzen nach einer Operation zu mindern und unter Umständen sogar während eines Drogenentzugs.

Es soll an dieser Stelle noch einmal erwähnt werden, dass es sich bei Benzodiazepinen um Wirkstoffe handelt, deren Anwendung nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. Sie können mit Antidepressiva oder Neuroleptika kombiniert werden, was allerdings ebenfalls von einem Spezialisten angeordnet werden muss.

Arten von Benzodiazepinen

Benzodiazepine werden gemäß ihrer Wirkdauer in unserem Organismus klassifiziert. So gibt es sehr lang wirksame Benzodiazepine wie Diazepam, solche von mittellanger Wirkdauer (z.B. Clonazepam), kurzer oder sehr kurzer Wirkdauer (wie Oxazepam). Während einige verstärkt anxiolytisch wirken, werden andere hauptsächlich aufgrund ihrer sedativen Effekte eingesetzt. Benzodiazepin ist also nicht gleich Benzodiazepin und ohne Anweisung des Arztes sollten weder Präparat noch Dosis oder Einnahmedauer geändert werden, damit es nicht zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen kommt.

Mögliche Nebenwirkungen von Benzodiazepinen

Benzodiazepine sind verlässlich. Sie verfehlen nie ihre Wirkung, schenken uns eine Zeit lang Ruhe, befreien uns von diesem unschönen Leid nach einer Trennung und helfen uns sogar, unseren Arbeitsalltag erträglicher zu machen. Doch alles in diesem Leben hat seinen Preis und es ist fast so, als würde uns Mephisto dazu zwingen, einen teuflischen Pakt zu schließen. Eine Behandlung mit diesen Medikamenten sollte nicht länger als 4-6 Wochen dauern. Andernfalls laufen wir große Gefahr, abhängig zu werden. Aber es ist so, dass das Leben weiterhin schmerzt, uns noch immer Probleme zu schaffen machen, uns die Schlaflosigkeit heimsucht und wir Angstzustände aushalten müssen…

  • Müdigkeit und Schwäche
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Verwirrung
  • Gleichgewichtsstörungen (besonders bei älteren Menschen)
  • Sprachstörungen
  • Sehstörungen, Doppelbilder
  • Übelkeit
  • Verstopfung

Eine langfristige Einnahme dieser Medikamente das Risiko auf die oben genannten Nebenwirkungen. Benzodiazepine beeinträchtigen zudem unsere Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen. Unsere kognitive Leistung nimmt ab, es fällt uns schwer, uns zu konzentrieren, Probleme zu lösen, Ideen miteinander zu verknüpfen, usw.

Nach längerer Einnahme und plötzlichem Absetzen können sich Entzugssymptome manifestieren. Dazu zählen beispielsweise Schlafstörungen und vermehrtes Träumen, Angst, Anspannung, Erregung, innere Unruhe, Zittern und Schwitzen.

Die Einnahme von Benzodiazepinen bei über 60-Jährigen

Oft werden Benzodiazepine verschrieben, um Schlaflosigkeit bei über 60-jährigen Patienten zu behandeln. Diese Art der Behandlung ist weitverbreitet und zielt darauf ab, dass die Patienten eine bessere Schlafqualität und dadurch eine bessere Lebensqualität erreichen. Dennoch machen uns viele Studien auf die noch weiter erhöhten Risiken bezüglich einer langen Einnahme dieser Medikamente im fortgeschrittenen Alter aufmerksam:

  • Verhaltensauffälligkeiten und Gedächtnisstörungen
  • Erhöhtes Risiko eines Sturzes mit Frakturen
  • Erhöhtes Risiko von Verkehrsunfällen

All diese Informationen lassen uns zu dem Entschluss kommen, dass eine langfristige Einnahme dieser Arzneimittel als ein häufig anzutreffendes Problem im Gesundheitssektor angesehen werden kann.

Laura und die Geschichte über eine Sucht auf Rezept

Laura ist 39 Jahre alt, hat zwei Kinder im Alter von acht und drei Jahren und arbeitet in einem Werbeunternehmen. Sie mag ihre Arbeit, auch wenn viel Druck auf sie ausgeübt wird, Ziele erreicht werden müssen und das Unternehmen auf dem Markt positioniert werden muss. Es gibt Tage, an denen es ihr schwerfällt, alles unter einen Hut zu bekommen: Sie muss als Mutter funktionieren, ein kreativer Kopf am Arbeitsplatz sein und ist eine Frau, die jeden Tag versucht, das Monster der Angst unter Kontrolle zu halten.

Die regelmäßige Einnahme von Benzodiazepinen führt langfristig in die Sucht, anstatt das ursächliche Problem zu lösen oder die Krankheit zu heilen.

Vor einigen Wochen musste sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden, um sich von Entzugserscheinungen zu erholen. Alles fing mit einem Rauschen in ihren Ohren an. Sie konnte sich auf nichts mehr konzentrieren und hörte nur noch das nicht enden wollende Geräusch des Tinnitus. Kurz darauf bemerkte sie ein Kribbeln in ihren Armen und Füßen, hatte das Gefühl, dass ihr Mund brannte und reagierte extrem sensibel auf Licht.

Sie hatte extreme Gefühlsschwankungen. Zu diesem Zeitpunkt bekamen ihre Kinder Angst vor ihr. Sie dachte, die Welt würde untergehen und das Leben hatte für sie keinen Sinn mehr. In ihrem Kopf passte nichts mehr zusammen und sie wollte sich einfach nur noch in eine Ecke verkriechen, wo sie niemand mehr finden würde und sie an nichts mehr denken müsste.

Als man ihr sagte, dass sie süchtig nach Benzodiazepinen war, konnte sie es zunächst nicht glauben. Sie konnte nur sehr schwer akzeptieren, dass die Möglichkeit bestand, nach einem Medikament süchtig zu sein, das einem der Arzt verschrieben hatte.

Obwohl ihr Besuch beim Arzt sehr kurz war, dauern Angstzustände und Depressionen doch sehr lange an. Und unter diesen Umständen fällt es manchmal nicht leicht, die Kontrolle zu bewahren. Laura versuchte, herauszufinden, was mit ihr geschah, was allerdings unmöglich war, weil die Wirkungen der Medikamente sehr vielfältig sind.

Das Leben ist kein geradliniger Weg, sondern ein langer, sich aufwärts windender Pfad und deshalb ist die Einnahme dieser kleinen Pillen, die wir unter unsere Zungen legen, hin und wieder notwendig. Kleine Pillen, die uns beruhigen, entspannen und schläfrig machen. Doch die Sucht nach Benzodiazepinen gleicht der nach Heroin, und so manchem Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als eine Entzugsklinik aufzusuchen.

Ein Medikament, das so wirkungsvoll wie gefährlich ist, das zu Beginn so kostengünstig ist, für das wir später aber den Preis zahlen müssen

Wir können nicht einfach unseren Ärzten die ganze Verantwortung aufbürden. Der Staat, das Gesundheitswesen und unsere Gesellschaft erschweren eine persönliche Bewertung, die eine genauere Diagnose und eine passendere Behandlung erlauben würde. Auch Faktoren wie die Arbeitslosigkeit, schlechte Arbeitsbedingungen, Krisen, Armut, das Gefühl von Einsamkeit oder der falsche Umgang mit unseren Gefühlen akzentuieren oftmals diese Leere, die durch Medikamente behandelt wird, als würden sie sich dann einfach in Luft auflösen und uns unseren Schlaf zurückbringen.

Zusammengefasst können wir sagen, dass Benzodiazepine kurzfristig sehr hilfreich und wirksam sind. Doch wenn eine Grenze überschritten wird, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, andere Lösungsansätze gefunden werden, mithilfe derer wir unser Leben wieder in den Griff bekommen: eine Psychotherapie, persönliche Willenskraft und die richtige, einfühlsame und empathische Hilfe unseres sozialen Umfeldes. Es liegt an uns, das zu erreichen.

Vorsicht: Auch dein Körper spricht!

Er spricht, flüstert, schreit… Er drückt sich aus, wie
auch immer er kann, oder manchmal… >>> Mehr

 


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.