Was sagt die Wissenschaft über Nahtoderfahrungen?

Es gibt Menschen, die außerkörperliche Erfahrungen machen oder ein Licht am Ende eines Tunnels sehen, wenn sie sich zwischen Leben und Tod befinden. Was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema?
Was sagt die Wissenschaft über Nahtoderfahrungen?

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 14. Mai 2022

erhRund 17 % der Menschen, die sich zwischen Leben und Tod befinden, berichten von Nahtoderfahrungen (Zingrone und Alvarado, 2009), ganz unabhängig von ihrem Alter oder ihrem Glauben.

Diese Erfahrungen sind bei jedem Menschen anders, doch es gibt gemeinsame Merkmale: außerkörperliche Wahrnehmungen, das Durchschreiten eines Tunnels, die Begegnung mit einem mystischen Licht, intensive Gefühle… Manche Menschen begegnen bei dieser Erfahrung einer geliebten, bereits verstorbenen Person, andere experimentieren die Wahl, sich für den Tod oder für die Rückkehr ins irdische Leben zu entscheiden.

Was sind Nahtoderfahrungen?

Mann erlebt Nahtoderfahrungen

Nahtoderfahrungen (auch Nahtoderlebnis oder kurz NTE) entstehen in lebensbedrohlichen Situationen, unter anderem bei einer schweren Gehirnerschütterung, einem Herzinfarkt, bei akuter Erstickungsgefahr, in einem Schockzustand usw.

Greyson und Stevenson (1980) berichten in der Analyse von 78 Fällen über folgende Situationen: 40 % der Patienten, die eine Nahtoderfahrungen experimentierten, waren schwer krank, 37 % hatten einen traumatischen Unfall erlebt, 13 % wurden operiert, 7 % erlebten diese Erfahrung bei der Entbindung und 4 % bei Drogenkonsum.

Nach dieser Erfahrung verändert sich in der Regel die Selbstwahrnehmung und die Lebenseinstellung deutlich:

  • Nach einer Nahtoderfahrung haben Betroffene keine Angst mehr vor dem Tod,
  • sie haben oft das Gefühl, Hilfe von Gott erhalten zu haben,
  • außerdem erhält ihr Leben einen neuen Sinn,
  • ihr Selbstwertgefühl verbessert sich,
  • sie schätzen das Leben viel mehr,
  • werden in der Regel spiritueller und
  • konzentrieren sich mehr auf die Gegenwart.

Betroffene sind mitfühlender und gehen mit ihren Mitmenschen liebevoller um. Sie haben ein größeres Bedürfnis, anderen zu helfen und sind weniger auf materiellen Gewinn, Anerkennung oder gesellschaftlichen Status bedacht.

Charakteristische Elemente 

Nahtoderlebnisse gehen häufig mit folgenden Erlebnissen einher:

  • Außerkörperliche Erfahrungen, die Trennung vom physischen Körper, Gefühl des Schwebens
  • Gesteigerte Sinneswahrnehmung
  • Intensive positive Gefühle
  • Reise durch einen Tunnel
  • Begegnung mit einem hellen, mystischen Licht.
  • Veränderung der Wahrnehmung von Zeit und Raum.
  • Begegnung mit mystischen Wesen oder nahestehenden verstorbenen Menschen
  • Rückblick auf das Leben
  • Beobachtung von unbeschreiblichen Himmelslandschaften
  • Aneignung von Spezialwissen
  • Manchmal stoßen Betroffene auf Hindernisse oder Grenzen.
  • Freiwillige oder unfreiwillige Rückkehr in den physischen Körper

Es muss klargestellt werden, dass nicht alle Nahtoderfahrungen mit positiven Gefühlen verbunden sind. Manche sind von intensivem Terror, Schuldgefühlen, Panik, Einsamkeit und Verzweiflung geprägt.

Nahtoderfahrungen

Was sagt die Wissenschaft über Nahtoderfahrungen?

Die Forschung zeigt, dass folgende Bereiche an dieser Art von Erfahrung beteiligt sind: der Okzipitalkortex, die Frontallappen, der Hippocampus, die Basalganglien, die Amygdala und die parietale Schläfenverbindung (Saavedra-Aguilar und Gómez-Jeria, 1989).

Wenn ein Mensch im Sterben liegt, erhält sein Gehirn keinen Sauerstoff mehr; ein Zustand, der die Nahtoderfahrung, von der wir sprechen, begünstigt. Ferner können Vollnarkose und Substanzen wie Ketamin, LSD und Cannabinoide visuelle Halluzinationen, Tunnelerfahrungen und transzendentale Gefühle hervorrufen.

Die emotionale Tiefe und die sinngebende Erfahrung werden mit abnormen elektroenzephalografischen Mustern im Schläfenlappen in Verbindung gebracht. Außerdem berichten Menschen bei der Stimulation dieser Hirnregion von Rückblenden, Lebensrückblicken und mystischen Erfahrungen (Blanke und Thut, 2007).

In einer Studie von Blanke et al. (2002) wurde eine Nahtoderfahrung durch elektrische Stimulation des rechten Gyrus angularis bei einem Patienten mit Epilepsie des rechten Temporallappens ausgelöst. Bei der Stimulation dieser Hirnregion gab die Patientin an, “ins Bett zu sinken” beziehungsweise “von oben zu fallen”.

Nach der Erhöhung der Intensität des elektrischen Reizes erhöht, berichtete sie: “Ich sehe mich im Bett liegen, von oben, aber ich kann nur meine Beine und den unteren Teil meines Rumpfes sehen”. Die Patientin wurde gebeten, ihre Beine während der elektrischen Stimulation zu beobachten, und sie berichtete, dass sie kürzer wurden.

Etwas außerhalb des Bereichs der Neurobiologie wurden auch psychologische Interpretationen von Nahtoderfahrungen vorgeschlagen. Die Erwartungshypothese geht davon aus, dass sie das Ergebnis veränderter mentaler Zustände sind, die durch lebensbedrohliche Situationen hervorgerufen werden. Diese Zustände lösen die Phänomenologie von Nahtoderfahrungen als Projektion von Überzeugungen und Erwartungen an das Leben nach dem Tod aus.

Es scheint, dass Nahtoderfahrungen durch pharmakologische Wirkstoffe, epileptische Entladungen und Hirnstimulation ausgelöst werden. Es gibt jedoch Menschen, die von diesen Erfahrungen berichten, obwohl sie einen vollständigen Verlust der Gehirnfunktion erlitten hatten. Sind Nahtoderlebnisse unter diesen Umständen Wahrnehmungen von Dingen, die möglicherweise jenseits unseres Verständnisses und unserer Welt liegen?


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