Was ist soziale Kognition?

Was ist soziale Kognition?
Roberto Muelas Lobato

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Roberto Muelas Lobato.

Letzte Aktualisierung: 17. Februar 2023

Was ist soziale Kognition? Von sozialer Kognition sprechen wir, wenn es darum geht, wie wir Informationen verarbeiten. Um es anders auszudrücken, der Prozess der sozialen Kognition – oder auch Wahrnehmung – betrachtet die Art und Weise, wie wir Informationen aus sozialen Ereignissen codieren, speichern und abrufen.

Derzeit ist soziale Kognition das vorherrschende Modell und der wesentliche Ansatz der Sozialpsychologie. Die Alternative dazu ist der Behaviorismus, welcher mentale Prozesse zur Erklärung von Verhalten ablehnt.

Soziale Wahrnehmung ist verantwortlich für die Art und Weise, wie wir über andere denken. Im Grunde ist sie ein mächtiges Werkzeug, um soziale Beziehungen zu verstehen. Durch soziale Kognition verstehen wir die Emotionen, Gedanken, Absichten und Verhaltensweisen anderer Menschen. Und es kann durchaus ein großer Vorteil sein, zu wissen, was andere Menschen denken und fühlen.

Ein Mann starrt auf eine Sammlung von Notizen an der Wand.

Wie funktioniert soziale Kognition?

Menschen begegnen Situationen nicht als neutrale Beobachter – obwohl wir das oft gern so hätten. Wir haben unsere eigenen Wünsche und Erwartungen und diese beeinflussen, was wir sehen und woran wir uns erinnern. Mit anderen Worten, unsere Sinne empfangen Reize, die wir dann interpretieren und analysieren. Dann stellen wir diese Interpretationen den Informationen gegenüber, welche wir früher in unserem Gedächtnis speicherten.

So wie es diese einfache Beschreibung suggeriert, ist es jedoch im realen Leben nicht immer. Es gibt noch andere Faktoren wie Emotionen, die den Prozess ebenfalls beeinflussen. Denken wir daran, dass Gedanken Emotionen beeinflussen, aber Emotionen eben auch Gedanken.

Nehmen wir dazu ein Beispiel: Wenn wir gute Laune haben, ist (oder scheint) die Welt ein glücklicher und schöner Ort zu sein. Wenn wir glücklich sind, neigen wir dazu, die Gegenwart optimistischer wahrzunehmen und sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft positiver zu betrachten.

Wie entwickelt sich soziale Kognition?

Soziale Kognition entwickelt sich langsam. Wir gehen auf der Grundlage von Beobachtungen durch einen Prozess, der von Versuch und Irrtum bestimmt wird. Unser Lernen beruht auf direkten Erfahrungen und Entdeckungen. Allerdings ist soziales Wissen sehr subjektiv; wir Menschen können zu sehr unterschiedlichen Interpretationen eines sozialen Ereignisses gelangen.

Dazu kommt, dass, obwohl wir über mentale Strukturen verfügen, welche die Verarbeitung und Organisation von Informationen erleichtern, diese uns manchmal im Stich lassen. Diese Strukturen oder Schemata beeinflussen, worauf wir uns konzentrieren. Sie beeinflussen auch, wie wir Informationen codieren und abrufen, was wiederum zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen führen kann. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen sind Vorhersagen, die provozieren, was sie vorhersagen.

Auf der anderen Seite ist soziales Wissen zum Teil unabhängig von anderen Arten des Wissens. Menschen, die in IQ-Tests sehr gut in der Problemlösung sind, sind nicht immer so gut darin, soziale Probleme zu lösen. Problemlösefähigkeiten können nämlich unabhängig von intellektuellen Fähigkeiten erlernt oder gelehrt werden. Daher ist auch die Arbeit an unseren verschiedenen Intelligenzen, wie zum Beispiel an emotionaler und kultureller Intelligenz, so wichtig.

Eine Frau hält zwei Gesichter mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken in den Händen.

Versetze dich in die Lage der anderen Person

Eines der nützlichsten Modelle der sozialen Kognition stammt von Robert Selman. Selman entwickelte eine Theorie über die Fähigkeit der Menschen, aus der sozialen Perspektive anderer Menschen zu sehen. Für ihn bedeutet die Übernahme einer anderen sozialen Perspektive, dass wir uns selbst und andere als Subjekte verstehen können. Dies ermöglicht uns, auf unser eigenes Verhalten aus der Sicht anderer zu reagieren. Robert Selman definierte dazu die fünf Phasen der Perspektive:

  • Phase 0: undifferenzierte Perspektive (von 3 bis 6 Jahren). Bis zum Alter von etwa 6 Jahren können Kinder nicht klar zwischen ihrer eigenen Interpretation einer sozialen Situation und der Sichtweise eines anderen unterscheiden. Sie können auch nicht verstehen, dass ihre eigene Auffassung möglicherweise nicht korrekt ist.
  • Phase 1: sozial-informationelle Perspektive (von 6 Jahren bis 8 Jahren). In diesem Alter verinnerlichen Kinder das Wissen, dass andere Menschen eine andere Perspektive haben können. Sie haben jedoch noch wenig Verständnis für die Logik hinter den Perspektiven anderer.
  • Phase 2: selbstreflexive Perspektive (8 bis 10 Jahre). Kinder können in diesem Stadium die Perspektive eines anderen Individuums einnehmen. Sie können auch schon verschiedene Perspektiven voneinander unterscheiden. Ebenfalls können sie Motivationen, die ihrem eigenen Verhalten zugrunde liegen, aus der Perspektive einer anderen Person reflektieren.
  • Phase 3: Dritte-Person- oder Beobachter-Perspektive (10 bis 12 Jahre). Kinder können ihre eigenen Perspektiven, die ihrer Altersgenossen sowie die einer neutralen dritten Person einnehmen. Als Beobachter in der dritten Person sehen wir uns selbst übrigens als Objekt.
  • Phase 4: gesellschaftliche Perspektive (Jugend- und Erwachsenenalter). Es gibt zwei Merkmale, die den Vorstellungen der Jugendlichen von anderen Menschen zugrunde liegen. Zuerst werden sie sich bewusst, dass Motive, Handlungen, Gedanken und Gefühle von psychologischen Faktoren geprägt sind. Zweitens beginnen sie die Tatsache zu schätzen, dass eine Persönlichkeit ein System von Eigenschaften, Überzeugungen, Werten und Einstellungen ist.

Zwei Arten, soziale Kognition zu betrachten

Innerhalb der Psychologie gibt es mehrere Möglichkeiten, soziale Kognition zu verstehen. Eine der wichtigsten davon betont die soziale Dimension des Wissens. Das Wissen hat nach dieser Betrachtungsweise einen soziokulturellen Ursprung, da es von sozialen Gruppen geteilt wird.

Moscovici war der Hauptvertreter dieser Idee. Er sprach über soziale Repräsentationen, Vorstellungen, Ideen, Gedanken, Bilder und Wissen, welche von den Mitgliedern einer Gemeinschaft geteilt werden. Soziale Repräsentationen haben eine doppelte Funktion: die Realität zu kennen, um Handlungen zu planen und die Kommunikation zu erleichtern.

Eine weitere Theorie thematisiert die Möglichkeit des Verständnisses sozialer Kognition, welche sich auf das Individuum und seine psychologischen Prozesse konzentriert. Nach dieser Perspektive konstruiere eine Person ihre eigenen kognitiven Strukturen aus Interaktionen mit ihrer physischen und sozialen Umgebung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Kognition die Art und Weise ist, wie wir mit der großen Menge an sozialen Informationen umgehen, welche wir jeden Tag aufnehmen. Die Reize und Daten, die wir mit unseren Sinnen sammeln, werden analysiert und in mentale Schemata integriert, die später unsere Gedanken und Verhaltensweisen leiten.

Einmal geformt, sind diese Schemata schwer zu ändern. Wie Albert Einstein schon sagte, ist es schwieriger, Vorurteile zu spalten als ein Atom. Unsere ersten Eindrücke bleiben für immer in uns, wenn wir nicht kritisch über sie nachdenken.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Adolphs, R (1999). Social cognition and the human brain. Trends in Cognitive Sciences 3: 469-79.
  • Damasio, AR (1994). Descarte’s error: Emotion, reason and the human brain. Nueva York: Picador.
  • Fiske, S. T. y Taylor S. E. (1991). Social Cognition. McGraw-Hill, Inc.
  • Lewin, K. (1997). Resolving social conflicts: Field theory in social science. Washington, DC: American Psychological Association.
  • Merton, R. K. (1948). The self fulfilling prophecy. Antioch Review, 8, 195-206.
  • Moscovici, S. (1988). Notes towards a description of social representations. Journal of European Social Psychology, 18, 211–250.
  • Selman, R. L., Jaquette, D. y Lavin, D. R. (1977). Interpersonal awareness in children: Toward an integration of developmental and clinical child psychology. American Journal of Orthopsychiatry, 47, 264–274.
  • Skinner, B. (1974). Sobre el conductismo. Barcelona: Fontanella.
  • Zegarra-Valdivia, J. y Chino, B. (2017). Mentalización y teoría de la mente. Revista Neuropsiquiatría, 80 (3).

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.