Warum sind wir abergläubisch?

Der Aberglaube versucht, unerklärliche Geschehnisse und Zufälle zu erklären, für die wir keine rationale Grundlage finden.
Warum sind wir abergläubisch?
Laura Ruiz Mitjana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Laura Ruiz Mitjana.

Letzte Aktualisierung: 30. April 2023

Drückst du die Daumen, um Glück zu wünschen, oder hast du vor einer schwarzen Katze Angst? Obwohl wir meistens rational denken, können wir uns dem Aberglauben oft nicht entziehen: Wir versuchen ursächliche Zusammenhänge zu finden, wenn bestimmte Ereignisse zufällig gleichzeitig auftreten. Es kann doch kein Zufall sein, wenn du an jemanden denkst und dich diese Person genau in diesem Augenblick anruft. Oder doch? Wir gehen heute der Frage nach, warum wir abergläubisch sind. 

Der Aberglaube traut den Sinnen bald zu viel, bald zu wenig.”

Gotthold Ephraim Lessing

Was bedeutet es, abergläubisch zu sein?

Aberglaube ist der Glaube an übernatürliche, magische oder unsinnige Kräfte, mit denen wir bestimmte Ereignisse erklären. Wir schreiben unser Glück oder Unglück irrationalen Überzeugungen zu, die sich mit der Zeit in unserem Denken verankert haben. So glauben viele, dass Freitag der 13. Pech bringt oder ein vierblättriges Kleeblatt die Macht hat, uns Glück zu schenken.

Damisch et al. definieren in einem in der Zeitschrift Psycological Science veröffentlichten Artikel Aberglaube als die “irrationale Überzeugung, dass ein Objekt, eine Handlung oder ein Umstand ohne objektiven Bezug zur Lebenssituation einer Person Einfluss auf diese Person ausüben kann”.

Aberglaube hat eine lange Geschichte und muss in den Kontext der jeweiligen Kultur, Tradition oder Religion gestellt werden. Es gibt viele Beispiele: das wöchentliche Horoskop, der Kaminfeger oder gebrochenes Glas als Glücksbringer.

Aberglaube entsteht aus der menschlichen Tendenz, alles erklären zu wollen, auch wenn es keine logische oder vernünftige Grundlage dafür gibt.

Wir sind abergläubisch, wenn wir glauben, dass Kleeblätter Glück bringen
Der Aberglaube muss im Kontext der jeweiligen Kultur betrachtet werden.

Warum wir abergläubisch sind

Abergläubische Menschen sind sehr kreativ und manche Personen oder Kulturen sind besonders abergläubisch – doch warum ist das so?

Der animistische Geist

Der Animismus beschreibt den Glauben daran, dass Gegenstände, Orte, Lebewesen und Naturelemente eine spirituelle Essenz, einen Geist (lateinisch “anima”) besitzen. Diese Denkweise ist in vielen alten Religionen zu beobachten und lädt dazu ein, unerklärliche Phänomene durch Geister zu erklären. Amulette, Talismane oder Zauber sollen vor diesen Geistern schützen. Edward B. Tylor¹ sieht im Animismus den Ursprung des Aberglaubens.

Der rationale Verstand kostet Energie

Wissenschaftliche Methoden ermöglichen es uns, rationale Erklärungen für die verschiedensten Phänomene zu finden. Der Aberglaube liefert jedoch einfache, oberflächliche Argumente, für die wir keine näheren Kenntnisse benötigen. Es ist einfacher einen schlechten Tag damit zu erklären, dass wir “mit dem falschen Fuß aufgestanden sind” als die Details zu analysieren, die das Unbehagen tatsächlich auslösen.

Kognitive Dissonanz und Aberglaube

Die kognitive Dissonanz beschreibt jene negativen Gefühle, die durch unvereinbare Wahrnehmungen entstehen. Es handelt sich also um widersprüchliche Gefühle, Einstellungen, Wünsche oder Gedanken. Wenn dir eine schwarze Katze über den Weg läuft und dir danach die Brieftasche gestohlen wird, siehst du sofort den Zusammenhang. Wenn jedoch unterwegs zur Arbeit alle Ampeln grün sind, wirst du nicht weiter darüber nachdenken, wenn du eine schwarze Katze siehst. Dein Verstand entscheidet, wann du abergläubisch bist und wann nicht. 

Das soziokulturelle Umfeld

Sind Männer oder Frauen abergläubischer? Hängt der Aberglaube von unserer Herkunft ab? Eine Studie von Forschern der Universidad Nacional Autónoma de México untersuchte den Einfluss der soziodemografischen Variablen Geschlecht, Alter und Bildungsstand auf die Art des Aberglaubens einer Gruppe von 360 Personen.

In einem Fragebogen bewerteten sie außergewöhnliche Erfahrungen, Aberglaube, Religion und paranormale Kommunikation. Die Ergebnisse der Studie stützen das Argument, dass magische und abergläubische Überzeugungen ein Produkt des soziokulturellen Umfelds sind, in dem sich jeder Mensch entwickelt.

Die Forscher fanden zum Beispiel heraus, dass ein höheres Bildungsniveau weniger Aberglauben zulässt. Durch den Kontakt mit Gleichaltrigen, die sich in einem wissenschaftlichen oder universitären Umfeld bewegen, wird die Skepsis größer. Das Forscherteam fand außerdem heraus, dass Männer und Frauen gleich abergläubisch sind. Die Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Gesellschaft unsere abergläubischen Überzeugungen prägt.

Amulette zeugen davon, dass wir abergläubisch sind
Die Tendenz, alles erklären zu wollen, auch wenn wir es nicht verstehen, macht uns abergläubisch.

Andere Faktoren, die uns abergläubisch machen

Auch folgende Gründe erklären, warum viele von uns abergläubisch sind:

  • Wir möchten das Gefühl der Kontrolle über unsichere oder unvorhersehbare Situationen bewahren.
  • Es ist einfacher, abergläubisch zu sein, als dem Zufall die Kontrolle zu überlassen.
  • Der Aberglaube hilft uns, das Gefühl der Hilflosigkeit zu reduzieren.

Magisches Denken und Aberglaube sind Unsinn, können jedoch hilfreich sein. Eine Studie unter der Leitung von Lysann Damisch erklärt, dass die Kontrollüberzeugung zum Erfolg beitragen kann, auch wenn sie nur vorgetäuscht ist. Am besten ist es, den Aberglauben mit Humor zu nehmen. 

▶ Lese-Tipp

  1. Die Anfänge der Kultur: Untersuchungen über die Entwicklung der Mythologie, Philosophie, Religion, Kunst und Sitte, Edward Burnett Tyler, Elibron Classics 2001

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  • Claver, I. (2010). El gran libro de las supersticiones. Barcelona: Editorial Océano Ámbar. Schmitt, J.C. (1992). Historia de la superstición. Barcelona: Crítica.
  • Damisch, L., Stoberock, B. y Mussweiler, T. (2010). ¡Mantén tus dedos cruzados! Cómo la superstición mejora el rendimiento. Psychological Science, 21 (7), 1014-1020. DOI: 10.1177/0956797610372631.
  • Guerrero, C., Ávila, R. & Miranda, P. (2008). La correlación entre creencias mágicas y variables sociodemográficas. Psicología y Ciencia Social, 10(1-2), 5.15.
  • Matlin, M. (2009). Cognition. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons, Inc.

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