Warum sind viele Komiker depressiv?

Paradoxerweise leiden viele Komiker im Stillen an Depressionen, während sie ihr Publikum zum Lachen bringen und unterhalten.
Warum sind viele Komiker depressiv?
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Gonzalo Blanco Sardina

Letzte Aktualisierung: 08. Januar 2023

Man sagt, dass ein Mensch mit Depressionen zwei Leben gleichzeitig lebt: “das, das alle sehen und das, das nur du siehst”, erklärt Kevin Breel in einem TED-Talk. Vielen von uns fällt es schwer zu verstehen, dass ein fröhlicher und lustiger Mensch wie ein Komiker, der uns alle zum Lachen bringt, eine Depression entwickelt. Dies ist jedoch keine Seltenheit.

Depressionen haben einen biologischen und organischen Ursprung, deshalb sollten sie wie jede andere Krankheit behandelt werden. “Eine echte Depression zu haben bedeutet nicht, traurig zu sein, wenn im Leben etwas schiefläuft. Echte Depressionen zu haben, bedeutet traurig zu sein, wenn im Leben alles gut läuft“, reflektiert Kevin Breel.

 Warum sind viele Komiker depressiv?
Humor als Flucht vor Leid kann langfristig Depressionen auslösen.

Das traurige Clown-Syndrom

Diese Dualität, über die der kanadische Komiker spricht, zeigt sich im Inneren eines jeden depressiven Menschen. Für Komiker kann das zu einer echten Qual werden. Álvaro Montoya, Psychiater im medizinischen Zentrum von Imbanaco, erklärt, dass das daran liegt, dass sie sensibler und durchlässiger für Leid sind.

Die Macht und die finanzielle Situation einer erfolgreichen Person kann jedoch ein Hindernis für eine wirksame Behandlung sein. Hinzu kommt die Schwierigkeit, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, da viele Menschen dies mit Schwäche assoziieren und deshalb nicht um Hilfe bitten.

Dieses Phänomen, das erklären könnte, warum manche Comedians depressiv werden, ist als Clown-Syndrom bekannt. Humor oder Sympathie sind eine Maske, hinter der sie sich verstecken. Dies kann langfristige Folgen haben, auch wenn der Komiker beim Lachen des Publikums einen Adrenalinkick erlebt.

Robin Williams: die Folgen der Verleugnung

Erinnern  wir uns an Robin Williams, den Oscar-prämierten Komiker und Schauspieler, der sich 2014 das Leben nahm. Das war der letzte Schritt in einer Phase der Depression, die sich nach einem Rückfall in den Alkoholismus und die Drogensucht noch verstärkte.

Der Hauptdarsteller von Filmen wie “Der gute Will Hunting” oder “Zeit des Erwachens” entwickelte eine chronische Depression mit selbstzerstörerischen Verhaltensweisen. Montoya erklärt, dass im Gegensatz zu dem, was viele Menschen denken, eine Depression nicht unbedingt auf den Verlust eines geliebten Menschen oder finanzielle Probleme zurückzuführen ist.

Im Falle von Robin Williams wurde bei der Autopsie die neurodegenerative Krankheit Lewy-Körper-Demenz diagnostiziert, die Depressionen auslösen kann. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass auch Unverständnis und die zunehmende Isolierung den Gemütszustand stark beeinträchtigen. 

Inside, von Bo Burnham

Der amerikanische Musiker und Komiker Bo Burnham berichtet in seinem Special “Inside”, das er für Netflix produzierte, über die Angst und Depression in der Pandemie.

In “Inside” durchläuft Burnham alle Stadien des Lockdowns mit scheinbar unzusammenhängenden Liedern und komischen Nummern. Dazwischen gibt es nicht ganz reibungslose Übergänge, in denen wir sehen, wie der Komiker mit dem Gedanken kokettiert, das Special zu verlassen, und sogar Suizidgedanken entwickelt.

Aber wenn wir uns in die Erzählung vertiefen, entdecken wir den roten Faden, der sich durch das Special zieht. Es beginnt mit Songs wie “Content” oder “Comedy”, die uns Burnhams depressive Situation vor Augen führen. Später weisen Songs wie “How the world works” oder “Welcome to the Internet” auf die wahren Bösewichte dieser Geschichte hin: das System und das Internet, jenes Netzwerk, von dem wir zunehmend abhängig sind.

Nach weiteren Songs und Monologen endet das Special mit einem süßen und ironischen Finale. Bo Burnham lässt Satire und Zynismus hinter sich, um dem Zuschauer eine große Wahrheit zu zeigen: Wir sind alle in gewisser Weise innerlich angeschlagen, je eher wir das erkennen, desto besser.

Kevin Breels Aktivismus

Wir haben anfangs bereits den Komiker Kevin Breel erwähnt. Der junge Kanadier hat nicht nur ein Buch über seine Erfahrung mit Depressionen geschrieben, er reist auch durch die Welt und hält Vorträge, um sichtbar zu machen, was viele im Stillen erleiden. Breel macht Unwissenheit für dieses gesellschaftliche Problem verantwortlich.

“Diese Unwissenheit hat eine Welt geschaffen, die Depressionen nicht versteht, die psychische Gesundheit nicht versteht”, sagte er in einem TED Talk. Breel glaubt, dass die Welt sich nicht darauf vorbereitet fühlt, das Problem anzugehen: “Wir stellen es in eine Ecke, tun so, als ob es nicht da wäre, und drücken die Daumen, damit es sich von selbst löst.”

Um ein Problem zu lösen, müssen wir zuerst anerkennen, dass es existiert. “Das haben wir noch nicht getan. Wir können nicht erwarten, eine Antwort zu finden, wenn wir immer noch Angst vor der Frage haben”, meint der Kanadier. “Wenn du eine Depression hast, musst du wissen, dass alles mit dir in Ordnung ist. Du solltest wissen, dass du krank bist, nicht schwach. Und es ist ein Problem, aber es ist nicht deine Identität“, fährt er fort.

Kevin Breel spricht aus dem Herzen und aus Erfahrung, denn er leidet seit seinem Teenageralter selbst an Depressionen. Er kommt zu folgendem Schluss: “Sie [die Depression] hat mich in ein Tal gezogen, aber nur um mir den Gipfel zu zeigen. Und sie hat mich durchs Dunkel getrieben, aber nur, um mich ans Licht zu erinnern.”

Warum werden viele Komiker depressiv?

Wie bereits erwähnt, sind Komiker meistens sehr sensibel und weisen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf, die sie für Depressionen anfälliger machen können. Eine im British Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie zeigte, dass Komiker im Vergleich zur Kontrollgruppe (Studienteilnehmer in nicht-kreativen Berufen) deutlich ausgeprägtere psychotische Merkmale aufwiesen: Sie waren impulsiver und zeigten häufiger antisoziales Verhalten.

Während die Öffentlichkeit über ihre Witze lacht, leiden viele Komiker im Stillen an einer Depression. Dieses Phänomen ist auch als “Sad Clown Paradox” bekannt.

“Wie soll ich einem fremden Mann meine Probleme erzählen, wenn er sie nicht lösen wird?”

Gerardo Campo Cabal, Leiter der Abteilung für Psychiatrie an der Universidad del Valle in Kolumbien


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