Unübersetzbare Emotionen: Gefühle, die schwer zu erklären sind

Manchmal erlebst du Gefühle, die du nicht in Worte fassen kannst. Unübersetzbare Emotionen sind eine sehr verbreitete Realität. Was steckt dahinter?
Unübersetzbare Emotionen: Gefühle, die schwer zu erklären sind
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 12. Januar 2023

Wir alle erleben Gefühle, die schwer zu erklären, laut auszusprechen oder gar in Worte zu fassen sind. Unübersetzbare Emotionen sind Zustände, die man nicht wirklich zu definieren weiß. Das passiert entweder, weil wir nicht in der Lage sind, sie auszudrücken, oder weil es keine Begriffe in der eigenen Sprache gibt. Beide Realitäten sind gleichermaßen verbreitet.

Ein Beispiel dafür ist das drei- oder vierjährige Kind, das in Wutanfälle, Geschrei und Frustration ausbricht, weil seine emotionale Intelligenz noch nicht ausreichend entwickelt ist. Es weiß, dass es vieles gleichzeitig fühlt, ist jedoch nicht in der Lage, zu beschreiben, was mit ihm passiert. Der Erwerb des richtigen Vokabulars, um Emotionen zu beschreiben, macht das Leben und das Zusammenleben einfacher.

Ein nicht weniger interessantes Phänomen tritt jedoch ebenfalls häufig auf: Wir alle machen psychophysische Erfahrungen, die schwer zu interpretieren und zu kommunizieren sind, weil es keine Begriffe gibt, um sie in unserer Sprache zu beschreiben. Mit anderen Worten: Es gibt Zustände, für die es keine Einträge in unserem Wörterbuch gibt.

Unübersetzbare Emotionen: Gefühle, die schwer zu erklären sind
Wenn wir ein gutes emotionales Vokabular entwickeln, können wir einen großen Teil unserer Empfindungen in Worte fassen.

Unübersetzbare Emotionen

Es kann mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis Menschen ein angemessenes emotionales Bewusstsein entwickeln. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, das ganze Spektrum der Gefühle zu unterscheiden und zu wissen, wie man sie benennt, braucht Zeit. Viele Menschen erreichen das Erwachsenenalter, ohne es zu schaffen. Denn letztendlich ist diese Begabung keine Frage des Alters, sondern der persönlichen Fähigkeiten.

Es gibt jedoch eine unbestreitbare Tatsache: Was wir mit einem Begriff bezeichnen können, lässt uns viel besser verstehen, was mit uns geschieht. Hier kommt die Sprache ins Spiel. Eine Reihe von Wörtern zu haben, die verschiedene Stimmungen bereits von selbst beschreiben, ist sehr hilfreich und erleichtert die Selbstregulierung.

Es gibt jedoch Zeiten, in denen wir seltsame Empfindungen erleben, die keinen Ausdruckskanal finden, und das ist uns allen schon passiert. Wenn du die richtige Bezeichnung nicht findest, da die Emotionen komplexer als “Angst”, “Traurigkeit” oder “Freude” sind, führt das zu Frustration. Deswegen nennen wir diese inneren Zustände, die wir nicht in Worte fassen können, unübersetzbare Emotionen.

Die Fähigkeit, seine Gefühle in Worte zu fassen, wird mit positiveren Erfahrungen und einer besseren Anpassungsfähigkeit an Stressfaktoren in Verbindung gebracht.

Emotionen jenseits der Sprache

Eine der wichtigsten Aufgaben aller Eltern und Erzieher ist, Kindern emotionale Sprachkenntnisse beizubringen. Durch das Verstehen von Wörtern wie “glücklich”, “wütend”, “ängstlich” oder “eklig” können Kinder verstehen, wie sie sich in bestimmten Augenblicken fühlen.

Allerdings passen nicht alle Gefühlszustände in jede Sprache und nicht immer gibt es einen spezifischen Begriff. Es handelt sich um ein faszinierendes Thema, das uns andere Kulturen besser verstehen lässt. Die japanische Sprache beschreibt beispielsweise sehr subtile und für uns außergewöhnliche emotionale Zustände. Wir haben diese schon oft gefühlt, konnten sie jedoch vielleicht nicht erklären, da sie in unserer Sprache nicht existieren.

Ein Beispiel dafür ist der Begriff “natsukashii”, eine Mischung aus Nostalgie, Freude und sogar Traurigkeit zugleich für das, was wir in der Vergangenheit intensiv gelebt haben und das nie wieder sein wird. Auch “shinrin-yoku”, ein angenehmes Gefühl beim Spazierengehen und Genießen eines Waldbads.

Es gibt unübersetzbare Emotionen, die im Allgemeinen keinen spezifischen Ausdruck in den indoeuropäischen Sprachen finden. In der östlichen Welt gibt es jedoch eine breite Palette an Begriffen für hochkomplexe Gefühle und Emotionen.

Auf der Suche nach einer interkulturellen Lexikografie

Die Universität Harvard veröffentlichte vor einigen Jahren eine Studie über unübersetzbare Emotionen, aus der hervorgeht, wie vielfältig die interkulturelle Lexikografie ist. In jeder Sprache auf unserem Planeten kristallisieren sich Wörter heraus, die psychologische Realitäten beschreiben, die zwar universell sind, aber nicht in jedem Sprachregister zugänglich sind.

Die Inuit haben zum Beispiel das schöne Wort “iktsuarpok”, das die Vorfreude beschreibt , die wir empfinden, wenn wir auf eine Person warten, die wir mögen. Wir alle haben diese emotionale Erfahrung gemacht, doch haben kein spezifisches Wort, um dieses Gefühl auszudrücken.

Worte aus anderen Sprachen in unsere eigene zu integrieren, um zu beschreiben, wie wir uns fühlen, wäre positiv, bereichernd und therapeutisch.

Es gibt viel mehr emotionale Erfahrungen als Wörter, die diese bezeichnen. Da es keine spezifischen Begriffe gibt, fällt es uns schwer, sie zu beschreiben.

Unübersetzbare Emotionen: Frau versucht, Gefühle zu erklären
Wörter aus anderen Sprachen, die Gefühle beschreiben, die wir alle kennen, sind sehr bereichernd.

Unübersetzbare Emotionen

Wir alle erleben unübersetzbare Gefühle, die schwer zu definieren sind. Wir versuchen, sie mit Umschreibungen oder ähnlichen Worten zu erklären. Andere Sprachen und Kulturen haben jedoch vielleicht die Möglichkeit, eine lange Definition oder Erklärung in einem einzigen Wort zusammenfassen.

Wenn du beispielsweise eine melancholisch-nostalgische Traurigkeit beschreiben möchtest, weil du dich an einen Ort oder an eine Person erinnerst, die du vermisst, reicht im Portugisischen das Wort “saudade”, das jeder ohne weitere Erklärungen versteht. Andererseits sind deutsche Ausdrücke wie “Weltschmerz” oder “Sehnsucht” in vielen anderen Sprachen nicht vorhanden. Trotzdem finden wir immer Möglichkeiten, unsere Gefühle zu beschreiben und uns mit anderen auszutauschen.


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