Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche zur Vermeidung psychischer Spätfolgen
Johannes ist 14 Jahre jung, besucht die 8. Klasse, spielt in seiner Freizeit Basketball und trifft sich gerne mit Freunden – ein ganz normaler Junge. Wäre da nicht… Ja, wäre da nicht sein ganz eigenes Trauermonster, das ihn seit dem Tod seiner Mutter im vergangenen Jahr stets begleitet. Dieses kleine Monster lebt die meiste Zeit ganz zufrieden und still in Johannes. Am meisten freut es sich über die Stunden, in denen Johannes zu Hause auf seinem Bett liegt und die Decke anstarrt. Aber auch die anderen Dinge wie Schule und Training lässt es ganz friedfertig über sich ergehen. Aber manchmal, ja manchmal, muss es sich einfach Gehör verschaffen und mit aller Macht zeigen, dass es noch da ist und das Ruder zu jeder Zeit an sich reißen kann.
Das sind dann die Momente, in denen sich Johannes noch unverstandener als sonst schon fühlt – das ist erst seit dem Tod seiner Mama so schlimm. Wenn sein Trauermonster in ihm wütet, ist er gefühlt ein anderer und seine Freunde wissen überhaupt nicht mehr, wie sie mit ihm umgehen sollen. Er schreit dann, oder rennt weg, oder schlägt wild um sich, oder fegt alle Schulsachen vom Tisch, oder ist für niemanden mehr ansprechbar.
Sein Papa dagegen ist seit dem Tod seiner Frau auch ganz anders – aber eben auch ganz anders als Johannes. Er ist traurig – jeden Tag, jede Stunde, bei allem, was er tut. Es liegt eine ganz große Schwere auf ihm und Johannes traut sich gar nicht, ihm über sein Trauermonster zu erzählen oder ihm Fragen zu Mamas Tod zu stellen. Er will seinen Papa ja schließlich nicht noch trauriger machen – wenn das überhaupt geht.
Kinder trauern anders
Diese kleine Geschichte soll den Einstieg geben in das Thema dieses Artikels: Trauerbegleitung für Jugendliche und Jugendliche zur Vermeidung psychischer Spätfolgen – Kinder trauern anders.
Wenn Kinder und Jugendliche einen Elternteil oder ein Geschwisterkind verlieren, bricht ihre Welt zusammen. Bereits in ganz jungen Jahren müssen sie mit einem Verlust leben lernen, der sie ihr gesamtes Leben beeinflussen wird. Die Zeit heilt in dem Fall leider nicht alle Wunden – die Wunden verheilen und es bilden sich mit der Zeit Narben, aber es wird nie wieder wie zuvor.
Professionelle Trauerbegleitung
Eine professionelle Trauerbegleitung kann diesen Heilungsprozess unterstützen. Kinder müssen die Erfahrung machen, dass sie gehört und gesehen werden, alle Fragen stellen dürfen, in den Prozess der Abschiednahme und Beerdigung eingebunden werden. Und das alles beginnt bereits ganz zeitig mit der Wahrheit.
Unabhängig, ob die Todesursache ein Unfalltod, ein Suizid, eine unheilbare Erkrankung ist – Kinder haben das Recht auf Wahrheit. Und entgegen unserer erwachsenen Vorstellung können sie mit jeder Form von Wahrheit deutlich besser umgehen als mit einer lieb gemeinten Lüge. Natürlich wollen sie Verwandte und Bekannte schützen, sind sie doch selbst oftmals völlig sprachlos und erschüttert und können das Geschehene kaum begreifen. Kindern geht das selbstverständlich genau so, aber auch sie haben das Recht, genau diesen Prozess des Begreifens durchlaufen zu dürfen – mit allen Schmerzen und der tiefen Traurigkeit, die das mit sich bringt.
„Trauern ist die Lösung – nicht das Problem“ ist ein Satz, den wir Trauerbegleiter sehr gerne verwenden. Eine Lösung muss schließlich nicht immer ein sofortiges Ergebnis liefern, es kann auch erst langfristig eine positive Veränderung bewirken. Das ist auch das Ziel, was eine professionelle Trauerbegleitung bewirken soll. Die Vermeidung späterer psychischer und physischer Spätfolgen, die oftmals gar nicht als solche erkannt werden, was eine Heilung umso schwerer macht.
Persönlichkeits- und Angststörungen, Depressionen, Zwangserkrankungen, das sind nur einige mögliche psychische Erkrankungen, die eine nicht verarbeitete Trauer auslösen kann.
Um auf das Bild des Trauermonsters zurückzukommen, lässt es sich so beschreiben, dass es manchmal viele Jahre, sogar Jahrzehnte, in friedlichem Einvernehmen mit seinem Menschen leben kann, oftmals aber nicht von selbst verschwindet, ohne die notwendige Aufmerksamkeit bekommen zu haben. Bekommt es diese bereits kurz nach dem Todesfall, fühlt es sich akzeptiert und lässt sich nach einer gewissen Zeit auch gerne wieder verabschieden.
Bekommt es diese aber nicht, bahnt es sich zu gegebener Zeit seinen Weg nach außen. Oftmals geschieht das, wenn andere Ursachen als Auslöser erkannt werden – der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Trennung oder andere lebensverändernde Umstände. Dass die dahinter stehenden Bindungsprobleme, Unzuverlässigkeit oder vermeintliches Unvermögen ihre Ursache bereits in der Kindheit nach dem Tod eines Elternteils oder Geschwisterkindes finden, wird in den wenigsten Fällen erkannt. Doch wenn man als Kind mit aller Macht erfahren muss, dass eben nichts für die Ewigkeit sein muss, prägt einen das für das ganze Leben.
Für Angehörige ist das natürlich nicht immer zu gewährleisten, da sie in ihrer eigenen Trauer gefangen sind. Sie fragen sich dann oft, wie Kinder denn so unbeschwert und fröhlich wirken können, wo doch gerade die Mama gestorben ist. Kinder trauern anders – sie „springen durch Pfützen“. In der einen Minute fröhlich lachend mit Freunden auf dem Schulhof, in der nächsten Minute den Hefter von der Bank fegend, weil vielleicht jemand etwas Falsches gesagt hat. Die Mitmenschen sind hilflos, trauen sich oftmals nicht, nachzufragen oder Hilfe anzubieten, immer in der Angst, etwas falsch zu machen. Doch falsch machen kann man in der Situation eigentlich wenig – und doch so viel.
Qualifizierte Trauerbegleiter
Hier setzt eine professionelle Trauerbegleitung speziell für Kinder an. Qualifizierte Trauerbegleiter*Innen für Kinder und Jugendliche können als neutrale Personen in die Situation hineingehen, nachfragen, zuhören, Unterstützung zunächst beim Zulassen und dann bei der Verarbeitung der Trauer geben.
Haben die Kinder Vertrauen gefasst und spüren, wie gut ihnen die Begleitung tut, öffnen sie sich und nehmen die Unterstützung dankend an. In Trauergruppen mit gleichaltrigen anderen Betroffenen erfahren sie zudem, dass sie nicht das einzige Kind auf der Welt sind, dem solch ein Schicksalsschlag widerfahren ist. Und plötzlich merken sie auch, dass andere Betroffene vor denselben Herausforderungen stehen, dieselben Gefühle haben und sich von anderen genauso unverstanden fühlen.
Wie lange soll die Trauerbegleitung dauern?
Wie lange eine solche Begleitung dauern sollte, ist dabei ganz unterschiedlich und individuell zu entscheiden – das Trauermonster sieht schließlich auch bei jedem Kind anders aus. Aber bei allen wird es durch die Begleitung irgendwann kleiner und friedlicher und es kommt der Tag, an dem das Kind keine Trauerbegleitung mehr benötigt, da es dem Verstorbenen und der Trauer einen festen Platz im Leben eingeräumt hat, ohne es zu verdrängen.
Wer mehr über die Arbeit von Wolfsträne erfahren möchte, findet weitere Informationen auf der Homepage www.wolfstraene.de, bei Facebook (Wolfstraene Leipzig) oder Instagram (wolfstraene_verein).
Alle Fotos wurden freundlicherweise von der Autorin zur Verfügung gestellt.